Brüssel. Der chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei spricht in Brüssel über die Absage seines Auftritts auf der Frankfurter Buchmesse. Nach Misshandlungen in Folge eines Polizeiübergriffs, musste er in München operiert werden.

Wenn Ai Weiwei im Zusammenhang mit der Buchmesse in Frankfurt von einer "schmerzlichen Erfahrung" spricht, dann ist das nicht nur eine Metapher. Die Wunde, auf dem Kopf von Chinas international bekanntesten Künstler, Architekten und Regimekritiker deutlich sichtbar, verheilt nur langsam. Diese Folge eines brutalen Polizeiübergriffs und einer anschließenden Operation an einem Gerinnsel im Gehirn, zwang Weiwei, seine Teilnahme in Frankfurt abzusagen. Umso erstaunlicher, ihn kurz darauf bei der Arbeit in Brüssel zu treffen, wo er mit Fan Di'an und mit dem renommierten belgischen Künstler Luc Tuymans die Ausstellung "Der Stand der Dinge" vorbereitet hat.

Pate der zeitgenössischen Kunstszene seines Landes

Ai Weiwei (c) AFP
Ai Weiwei (c) AFP © AFP

"Ja, ich hätte sterben können", sagt Ai Weiwei im Gespräch mit dieser Zeitung, "aber meine Meinung werde ich weiterhin äußern, egal wo." Der Buchmesse fern geblieben sei er allein auf Anraten seiner deutschen Ärzte in München, die ihn nach dem Übergriff wegen starker Hirnblutungen im September notoperierten. Druck oder gar Drohungen, habe es von offizieller chinesischer Seite jedoch keine gegeben, versichert der Künstler, der unter anderem das vogelnestförmige Olympiastadion in Peking mitentworfen hat. Ai Weiwei spricht wie immer mit leiser, bedächtiger Stimme.

Eine Stimme, die nicht so recht zu seiner wuchtigen Statur passen mag. Genau so wie seine filigranen Finger, mit denen er an seiner Digitalkamera spielt. Ai Weiwei fotografiert während des Gesprächs diejenigen, die ihn filmen, fotografieren oder interviewen. Sogar seinen Krankenhausaufenthalt dokumentierte der mittlerweile zum "Paten der zeitgenössischen Kunstszene seines Landes" avancierte Weiwei bildreich im Netz.

Öffentlichkeit ist kein Schutz

Doch selbst Öffentlichkeit vermag es nicht, Regimekritiker ausreichend zu schützen. Auch nicht Liu Xiaobo, um nur ein Beispiel von Hunderten zu nennen. China hält den PEN-Präsidenten seit fast einem Jahr in Haft.

Trotzdem sei es kein Fehler gewesen, China als Gastland in Frankfurt diese Bühne zu geben: "Die Buchmesse war für alle freiheitsliebenden Menschen eine schmerzliche Erfahrung, aber es ist gut, in Konflikt miteinander zu geraten", so Weiwei. Konfrontationen seien allemal besser, als gar nicht miteinander in Kontakt zu treten. "Streit und Schmerzen sind Bestandteil unserer Existenz." Und man blickt unwillkürlich auf die Narbe an seinem Kopf, die stumm anklagt und nur langsam verheilen will.