Düsseldorf. . Die Landesregierung verspricht, Gymnasiasten zu entlasten. Klappt das nicht, droht ein Debakel bei der Landtagswahl 2017. Alternativen sollen her.

Die SPD-Landtagsfraktion arbeitet an einem Plan B zum umstrittenen „Turbo-Abitur“. Falls die versprochenen Entlastungen für die achtjährige Gymnasialzeit (G8) im Laufe des Schuljahres 2015/16 nicht griffen, werde man über alternative Möglichkeiten nachdenken, kündigte Fraktionsvize Eva-Maria Voigt-Küppers am Dienstag überraschend an. „Wenn G8 scheitern sollte, haben wir Antworten, wie es weitergehen soll“, so Voigt-Küppers. Die Regierungsfraktion von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) könne „nicht fünf Jahre die Hände in den Schoß legen“.

Bereits Ende August wollen die Bildungspolitiker der SPD bei einer Klausurtagung über mögliche Alternativen zum zwölfjährigen Abitur diskutieren. Der Blick in andere Bundesländer zeige, dass es Mischmodelle wie eine Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 gebe oder eine Art „G achteinhalb“, sagte Voigt-Küppers.

Entlastungen bisher an vielen Schulen noch nicht umgesetzt

Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) hatte Ende vergangener Woche einräumen müssen, dass zum Start des neuen Schuljahres an vielen Gymnasien die versprochenen Entlastungen beim „Turbo-Abitur“ noch nicht umgesetzt sind. „Schulentwicklung braucht Zeit“, hatte Löhrmann erklärt. Die 613 Gymnasien in NRW mit der auf acht Jahre verkürzten Gymnasialzeit seien bei der Begrenzung von Hausaufgaben, Nachmittagsunterricht und Klassenarbeiten „unterschiedlich weit vorangeschritten“.

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Ein konkreter Umsetzungsstand der Reformen wurde bislang nicht bekannt. Löhrmann hatte lediglich zugesichert, dass im laufenden Schuljahr verbindliche Erlasse in allen Gymnasien greifen würden. Die Entlastungen sollen den Schülern mehr Freiraum für Nachmittagsaktivitäten zurückgeben und den Prüfungsstress mindern. Nachmittagsstunden müssen folglich reduziert werden. Es gilt eine Höchstzahl von Klassenarbeiten pro Woche, alternative Wissenabfragen wie Hausarbeiten oder Vorträge sollen vermehrt eingeführt werden.

Empfehlungen des Runden Tischs

Die geplanten Reformen gehen auf Empfehlungen eines „Runden Tisches“ mit 60 Vertretern aus Politik, Eltern- und Lehrerverbänden zurück, der im November 2014 einen „Zehn-Punkte-Plan“ aufgestellt hatte. Eine Volksinitiative sammelte dagegen mehr als 100.000 Unterschriften für eine Rückkehr zum „G9“. Diesen Weg geht Nachbarland Niedersachsen nach den Sommerferien.

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Im neuen Schuljahr müssen alle Schulen in NRW Vorgaben des Ministeriums zur Entlastung der Schüler auf dem Weg zum "Turbo-Abitur" umsetzen. Dazu zählen Beschränkungen bei Hausaufgaben, Nachmittagsunterricht und Pflichtstunden. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) hatte allerdings schon wenige Monate nach der Regierungsübernahme der rot-grünen Koalition 2010 einen Handlungskatalog für Entlastungen der G8-Schüler erarbeitet. Eine verbindliche Umsetzung an den Schulen blieb aber aus.

CDU will den Unterrichtsausfall zum Thema machen

Das Landesparlament hatte im Juni die Forderung der Volksinitiative "G9-jetzt" abgelehnt, zum neunjährigen Gymnasium zurückzukehren. Wir wissen, dass diese Frage einen großen Teil der Eltern bewegt und nehmen das sehr ernst", versicherte Voigt-Küppers. Klar sei auch, dass die Meinung der in Verbänden organisierten Interessenvertreter, die sich für G8 ausgesprochen hatten, nicht deckungsgleich mit der Gesamtheit der Eltern sein müsse.

Die CDU-Opposition will im Wahlkampf auf jeden Fall den Unterrichtsausfall in NRW thematisieren. Die Landesregierung hat sich lange geweigert, die ausgefallenen Stunden zu erfassen. Das sei zu aufwändig, hieß die etwas dünne Begründung. Technisch wäre es kein großes Problem, Ausfälle an den einzelnen Schulen zu erfassen, sagte Voigt-Küppers. Zuvor müsse aber definiert werden, was denn als Unterrichtsausfall gelten solle.

Die SPD-Politikerin räumte ein, dass der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung noch nicht überall im Land reibungslos laufe. Beklagt werde vor allem ein Mangel an Sonderpädagogen in den Schulen. Eine Lösung könne sein, mehrere Sonderpädagogen an "Schwerpunktschulen" zu bündeln, schlug Voigt-Küppers vor. (mit dpa)