Gütersloh/Düsseldorf. Zwei Studien beschäftigen sich mit der Einschätzung der Eltern zum gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Handicap. Fazit: Es fehlt oft an Geld für eine gute Umsetzung.
Vom gemeinsamen Unterricht sollen alle profitieren – Kinder mit und ohne Handicap. Ob und wie das funktioniert, damit beschäftigen sich aktuell eine Studie der Bertelsmann Stiftung und eine Umfrage der Humboldt-Universität Berlin. Fazit: Die Mehrheit der Eltern beurteilt Inklusion grundsätzlich positiv, deren Umsetzung allerdings nicht. Es mangele an Geld. „Viele Eltern haben kein Vertrauen und keine Vorstellung davon, wie ein solcher Unterricht so gut gestaltet werden kann, dass alle davon profitieren“, erklärte Dr. Nicole Hollenbach-Biele, Project Manager bei der Bertelsmann Stiftung.
Laut einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap für die Bertelsmann Stiftung, bei der bundesweit 4321 Eltern schulpflichtiger Kinder im Alter von 6 bis 16 Jahren befragt wurden, macht die Mehrheit (70 Prozent) der Befragten die Umsetzbarkeit des Unterrichts von der Art der Behinderung abhängig.
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Dabei ist sich diese Gruppe weitgehend einig darüber, dass Kinder mit körperlich-motorischer Beeinträchtigung gemeinsam mit Kindern ohne Förderbedarf lernen sollten (90 Prozent). Auch im Fall von Sprach- und Lernschwierigkeiten und traumatischen Erfahrungen sprechen sich deutliche Mehrheiten bei den Eltern für inklusives Lernen aus (67, 63 und 56 Prozent).
Eltern: Kinder auf Sonderschulen besser aufgehoben
Weniger Vertrauen in das Potenzial von Inklusion haben Eltern, wenn es um Kinder mit Sinnenbeeinträchtigungen, Verhaltensauffälligkeiten oder geistigen Behinderungen geht. Hier können sich nur noch weniger als die Hälfte der betreffenden Mütter und Väter einen gemeinsamen Unterricht vorstellen (43, 42 und 36 Prozent).
Mehr als ein Drittel (36 Prozent) der befragten Eltern gab an, ihr Kind besuche eine inklusive Schule. Von diesen Eltern sind 68 Prozent mit der individuellen Förderung ihrer Kinder zufrieden. Eltern hingegen, deren Kinder eine nicht-inklusive Schule besuchen, sagen dies nur zu 58 Prozent. 66 Prozent der Eltern schätzen an der inklusiven Schule ihrer Kinder, dass sie dort in ihrem eigenen Tempo lernen können.
Auch das besagt die Bertelsmann-Studie: Obwohl sieben von zehn Eltern Inklusion als gesellschaftlich wichtig einstufen, glauben sechs von zehn Befragten, dass Kinder mit Handicap auf Sonderschulen besser gefördert werden.
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Und: 51 Prozent der Eltern sind der Auffassung, dass Kinder ohne Förderbedarf auf inklusiven Schulen fachlich gebremst werden. „Grundsätzlich gilt: Je mehr Berührungspunkte Eltern mit inklusiven Schulen haben, desto höher ihre prinzipielle Offenheit für verschiedene Gruppen von Förderschülern“, sagt Nicole Hollenbach-Biele.
Zu hohes Tempo beklagt
Wie Eltern die Leistungen inklusiver Schulen in NRW bewerten, wollte die FDP im größten Bundesland wissen. Die Humboldt-Universität Berlin hat dazu 2746 inklusive Schulen in NRW angeschrieben. Aus den Antworten von 23 Prozent der Elternvertreter ergibt sich dieses Bild: Fast 90 Prozent aller Eltern sind unzufrieden damit, wie der gemeinsame Unterricht von behinderten und nicht behinderten Schülern läuft. Demnach beklagen 74 Prozent der Eltern das zu hohe Tempo beim Umsteuern.
Außerdem fehlen den Eltern ausgebildete Lehrer für eine Doppelbesetzung in Klassen sowie geeignete Räume. Der Vorsitzende der Gewerkschaft VBE, Udo Beckmann, forderte kleinere Klassen und mehr Lehrer.
Bei der Vorstellung der Studie in Düsseldorf warnte Professor Bernd Ahrbeck am Dienstag davor, dass der Erfolg der Inklusion von der Akzeptanz von Eltern, Lehrern und Schülern abhänge. Ein gelungener Prozess sei ohne qualifiziertes Personal nicht möglich. „Das kostet Geld. Es ist naiv anzunehmen, dass das ohne ginge“, sagte Ahrbeck.
FDP-Fraktionsvize Joachim Stamp kritisierte die „übereilt, ohne qualitative Standards durch den Landtag gepeitschte Inklusion“. FDP-Schulexpertin Yvonne Gebauer forderte einen Stopp für weitere Inklusionsklassen, falls nötige Standards nicht erfüllt würden.