Wesel. Die Hafengegner in Wesel haben eine Klimaanwältin eingeschaltet, die schon gegen RWE und die Regierung geklagt hat. Ihre Kritik ist heftig.
Die Gegner des Hafenausbaus in Wesel fahren schwere Geschütze auf: Für ihren Kampf gegen die Erweiterung des Rhein-Lippe-Hafens haben sie jetzt eine äußerst prominente Klimaanwältin eingeschaltet. Und Dr. Roda Verheyen ist sich nach dem Ende der Einwendefrist zum Bebauungsplan sicher: „Die Planung verstößt gegen zwingendes Recht und das Abwägungsgebot.“ Es werde „beantragt, das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes einzustellen.“ Das Fazit, zu dem die bundesweit bekannte Rechtsanwältin kommt, die mit dem Schwerpunkt Umweltrecht, Planungsrecht, Baurecht und Völkerrecht für die renommierte Hamburger Kanzlei Günther tätig ist, dürfte in der Stadtverwaltung für einigen Wirbel sorgen.
Rhein-Lippe-Hafen in Wesel soll ausgebaut werden
Es geht um den Bebauungsplan 232 und damit ein wichtiges Infrastrukturprojekt in Wesel. Konkret geht es um den bisher weitgehend unbebauten Teil im Süden des Rhein-Lippe-Hafens. Die Fläche weckt schon seit langem Begehrlichkeiten aufgrund des großen Potenzials für Gewerbeflächen – die Planungen für diese Erweiterung laufen bereits seit Jahren. Das insgesamt etwa 30 Hektar große Gebiet liegt nördlich des Wesel-Datteln-Kanals, unmittelbar angrenzend an das Hafenbecken des Rhein-Lippe-Hafens. Möglich wären hier zum Beispiel die Ansiedlung weiterer Logistikunternehmen, wie es sie bereits im nördlichen Bereich gibt.
Das Gebiet des Rhein-Lippe-Hafens wird als Teilfläche eines überregional bedeutsamen Bereiches für gewerbliche und industrielle Nutzung und als „landesbedeutsamer Hafen“ betrachtet. Doch schon länger gibt es massive Kritik von Umweltschützern und Anwohnern an den Plänen. Das Aktionsbündnis „Rhein-Lippe-Aue-Bleibt“, dem unter anderem die BUND-Kreisgruppe, der Nabu-Kreisverband und Attac-Niederrhein angehören, hatte in ihrem Widerstand gegen den Ausbau die Hamburger Kanzlei mit der Bitte um Vertretung ihrer Umweltinteressen und -bedenken gebeten.
Roda Verheyen gilt als einer der streitbarsten Expertinnen auf dem Gebiet des Umweltrechtes. Mehrfach sorgte sie schon mit Klagen für große mediale Aufmerksamkeit. So vertritt sie einen peruanischen Landwirt wegen potenzieller Klimaschäden gegen den Energieriesen RWE, der Fall wird vor dem Oberlandesgericht in Hamm verhandelt. Federführend verhandelt hat die renommierte Anwältin auch die Verfassungsbeschwerden gegen das Bundes-Klimaschutzgesetz – im sogenannten Klimabeschluss erklärte das Bundesverfassungsgericht Teile dieses Gesetzes für unvereinbar mit den Grundrechten. Überregionale Medien bezeichnen sie gerne als „Klima-Klägerin“. Mit einer Klage gegen den Automobilkonzern Volkswagen scheiterte sie allerdings.
Nun ist die Juristin auch in Wesel aktiv und sie lässt am städtischen Bebauungsplan kein gutes Haar. In ihrem Bericht, den die Hafengegner in einem Pressegespräch vorstellten, heißt es: „Schon das Ziel der Planung erweist sich als vollkommen unrealistisch.“ Der angenommene Bedarfszuwachs entspräche längst nicht mehr der Realität. „Dabei wird eine überflüssige Versieglung immensen Ausmaßes vorgesehen, die in einer erheblichen Beeinträchtigung von Allgemeinrechtsgütern mündet.“
Klimaanwältin sieht methodisch Fehler bei Hafenplanungen
Sehr detailliert geht die Anwältin auf einzelne Aspekte ein, die sie in einer Videokonferenz mit Vertretern des Aktionsbündnisses erarbeitet hat. Auf 66 Seiten sind ihre Einwände der Stadt zugestellt worden. Dank der Mitarbeit und der Ortskenntnisse des Aktionsbündnisses konnten Detailfragen seitens der Juristin geklärt werden. Und so heißt es zum Beispiel: „Es ist nicht erkennbar, wie die Planung zu der verbindlich vorgegebenen Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene und das Wasser führen soll.“ Im Gegenteil werde einseitig der Straßenverkehr begünstigt.
„Die Verkehrsuntersuchung ist von methodischen Fehlern gekennzeichnet, sodass die Ergebnisse nicht belastbar sind“, meint die Anwältin. Die Bedarfsanalyse zum Güterumschlag stütze sich auf veraltete Prognosen und sei gänzlich überholt. Auch verstoße die Planung gegen artenschutzrechtliche Verbotstatbestände, Brutreviere von Steinkäuzen seien nicht berücksichtigt. Im Hinblick auf den Klimaschutz habe eine planerische Abwägung nicht stattgefunden. Vorgesehene Kompensationen seien unzureichend gewichtet. Die Verheyen moniert zudem, dass die Trinkwasserversorgung in der Splittersiedlung Emmelsumer Straße „gänzlich unbeachtet geblieben ist.“
Für das Aktionsbündnis steht nunmehr fest: „Wir fordern die Stadt Wesel deshalb dazu auf, den vorgelegten Bebauungsplan 232 einzustellen.“ Anwohner Engelbert Jesih ist überwältigt vom ausdauernden Engagement seiner Mitstreiter im Bündnis, besonders aber von der finanziellen Unterstützung und der Spendenbereitschaft etlicher Privatpersonen, denn: „Am Anfang stand ich alleine.“ Günther Rinke vom BUND hofft, dass „die Stadt erkennt, welch wertvolle Flächen hier von ihr geschützt werden können.“