Wesel. Gegen den weiteren Ausbau des Rhein-Lippe-Hafens hat sich ein Bündnis aus mehreren Gruppen gebildet. Ein Rechtsbeistand soll sie unterstützen.

Die kleine Schar, die sich am Sonntagnachmittag am Hundesportverein nahe der Rheinbrücke traf, umfasste nur ein Dutzend Teilnehmer. Sie wollten mit einer „kritischen Fahrradtour“ jenes Gebiet erkunden, das der Bebauungsplan 232 der Stadt Wesel für eine weitere Industrieansiedlung vorgesehen hat. Die Umweltschützer haben sich mittlerweile breit aufgestellt: Die Bürgerinitiativen „Rhein-Lippe-Aue bleibt“ und „Emmelsum Biotop retten“, die BUND-Kreisgruppe, das Netzwerk Attac Niederrhein sowie Parents für Future und Fridays for Future Wesel wollen gemeinsam gegen den Hafenausbau vorgehen. Eine Anwältin soll sie dabei unterstützen.

Bevor am 12. März der Weseler Stadtrat über die Offenlegung des Flächennutzungs- und Bebauungsplans beschließen soll, hatten die Gegner der Hafenerweiterung Bürger und Ratsmitglieder eingeladen, sich selbst ein Bild zu machen. Mit dem Fahrrad ging es auf dem Hülskensradweg in das Gebiet, das an die Schleusenanlagen in Emmelsum grenzt. Der Weg wird gern von Radlern genutzt; linker Hand grenzt er an ein Biotop, das gern von Vögeln aufgesucht wird. Schnell erreichte die kleine Gruppe jene Stelle, an der sich der Rhein-Lippe-Hafen erstreckt. Hier stehen bereits große Gewerbehallen von Rhenus oder Nordfrost. Das Gebiet sei bis vor kurzen noch Teil einer alten Auenlandschaft gewesen, erklärte Biologielehrer Johannes Pappas, aber mit der Industrieansiedlung seien alte Boden- und Heckenbestände, wertvolle Eschen und natürlicher Raum für Vogelarten verloren gegangen.

Der Logistiker Rhenus hat einen großen Standort im Weseler Rhein-Lippe-Hafen eröffnet. Künftig soll der Ausbau der Hafenfläche noch weitergehen.
Der Logistiker Rhenus hat einen großen Standort im Weseler Rhein-Lippe-Hafen eröffnet. Künftig soll der Ausbau der Hafenfläche noch weitergehen. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Auch eine landwirtschaftliche Nutzung sei nun nicht mehr möglich. Geplante Ausgleichsmaßnahmen seien wenig hilfreich. Was geschehe, so fragte er weiter, wenn der Boom der Logistikbranche vorbei sei? Eine spätere Renaturierung könne den Schaden nicht wiedergutmachen, denn der alte Nährboden habe eine andere biologische Qualität als die aufgeschüttete Erde. „Da ist ja nichts drin“, sagte Pappas. Am Eingang zum Delta-Port-Gelände hatten die Naturschützer einen guten Blick auf das diskutierte Areal. Fachmann Pappas erläuterte: „Alles muss hier geräumt werden.“ Das Nahrungsangebot für heimische Vögel gehe ebenso verloren wie der alte Baumbestand. Anschließend müsse die gesamte Senke auf ein hochwassersicheres Niveau aufgeschüttet und damit versiegelt werden.

Das plant das Bündnis gegen den Hafenausbau in Wesel

Am Ende der Fahrradtour befanden sich die Teilnehmer mitten auf der bisher unberührten Fläche, die bebaut werden soll. Falco Weichselbaum ist Meteorologe und begleitete die Gruppe. Er erläuterte, die hohen Gewerbegebäude und die versiegelten Flächen führten zu einer weiteren Aufheizung, denn mit dem Verlust der Auenflächen gehe ein Schutzraum verloren, der das Mikroklima reguliere.

Wie geht es nun weiter? Das Bündnis will den Kampf gegen den Ausbau fortsetzen. Ernüchtert zeigten sich die Mitglieder von der jüngsten Haupt- und Finanzausschusssitzung: Dort hatten einige Anwohner und Bündnis-Mitglieder die Bürgerfragestunde genutzt, ihre Fragen formuliert und von der Stadt eine Antwort erwartet. So wollten sie wissen, wie es um einen Gleisanschluss an das Gebiet steht, welche Arbeitsplätze entstehen sollen, wie es um die Wasserversorgung der Anwohnerinnen und Anwohner steht, welche Kosten und Einnahmen die Stadt erwartet. Der städtische Rechtsservice verlas einen jeweils gleichlautenden Text mit dem Hinweis, dass die Stadt keine mündliche Antwort geben könne und dass diese zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich nachgereicht werde. „Das Verhalten der Verwaltung in dieser Sitzung hat leider nochmal den Eindruck erzeugt, dass die Politik die Planungen auf Biegen und Brechen durchsetzen will und Bürgerinteressen hintenan stehen müssen“, kommentierte Klaus Kubernus-Perscheid, der selbst eine der Fragen gestellt hatte.

Nun soll ein Rechtsbeistand die Ausbau-Kritiker vertreten. Anwohner Engelbert Jesih habe sich entschlossen, sich als Betroffener rechtlich unterstützen zu lassen, teilt das Bündnis mit. Unterstützt werde er dabei vom gesamten Bündnis „Rhein-Lippe-Aue bleibt!“ Der Nabu-Kreisverband habe sich bereit erklärt, eine Spendensammlung für die Anwaltskosten organisatorisch zu begleiten und bereits ein Spendenkonto eingerichtet. Die Rechtsvertretung übernimmt die Fachanwältin Dr. Roda Verheyen von der Hamburger Kanzlei Günther & Partner, die auch die Initiative „Emmelsum Biotop retten!“ vertritt. Sie hatte, wie das Bündnis mitteilt, 2021 als Prozessbevollmächtigte einen wesentlichen Anteil am Klimabeschluss zum Bundesklimaschutzgesetz. (mit rme)