Schermbeck. Bürger ärgern sich über Grundsteuer-Bescheid. Das Finanzamt stuft einen Grüngürtel als wertvolles Bauland ein. Die Gemeinde sieht das anders.
Rudolf Schwarz, Marion Grewing und Manfred Kammeier stehen auf einem etwa 50 Meter breiten Grüngürtel, der als leichte Senke zwischen der Straße „Hinter der Mauer“ und einem kleinen Fußweg („Pättchen“) nahe des Schermbecker Ortskerns liegt. Eigentlich ein sehr idyllischer Platz hier in der ehemaligen Wallgrabenzone wenige Meter außerhalb der ehemaligen Stadtmauer – sollte man zumindest meinen. Doch der Schein trügt: Denn die Grundstücksbesitzer sind sauer, richtig sauer sogar. Drei der Betroffenen eines Streits zwischen verschiedenen Behörden, bei dem der „Normalbürger“ nicht mehr durchblickt, machen jetzt ihrem Unmut Luft.
Gemeinde Schermbeck: Grundstücke sind weder baureifes Land noch Bauerwartungsland
Viele Jahre haben die Besitzer von etwa 13 Parzellen wenige Gehminuten von der Mittelstraße entfernt ihre kleine Natur-Oase genossen, Freundschaften zu Nachbarn aufgebaut und ihre kleinen Gärten gepflegt. Spätestens mit dem Beschluss des Planungs- und Umweltausschusses der Gemeinde im Januar 2007 war klar: Dieser Grüngürtel wird für alle Zeiten Grünland (bzw. „Stückland“) bleiben. Gebaut werden dürfe schon aus archäologischen Gründen nie, legte die Gemeindeverwaltung damals fest. Das heißt, die Grundstücke sind weder baureifes Land noch Bauerwartungsland.
So weit, so gut – doch dann kam vor rund zwei Jahren die Pflicht zur Abgabe einer Grundsteuererklärung und das Unheil nahm seinen Lauf: Auch die Eigentümer dieses schmalen Grüngürtels wurden vom Finanzamt aufgefordert, Angaben zu ihrem Grund und Boden zu machen. Marion Grewing ist eine der Besitzerinnen. Die 60-Jährige erläutert, wie sie bei ihrem Eintrag vorging: „Die Gemeinde Schermbeck hat erst kürzlich beim Kauf eines Nachbargrundstückes 20 Euro pro Quadratmeter gezahlt. Daher haben wir als Bodenrichtwert 20 Euro in die Erklärung zur Feststellung der Grundsteuer im Oktober 2022 eingetragen.“ Klingt logisch und vernünftig, sollte man meinen.
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Doch das Finanzamt rechnet anders und antwortete der Besitzerin, es habe einen Bodenrichtwert von 250 Euro pro Quadratmeter eingetragen – dieser Wert entspricht dem von Bauland. Der um mehr als das Zwölffache höhere Wert ergebe sich aus dem „durchschnittlichen Lagewert des Bodens für eine Mehrheit von Grundstücken innerhalb eines abgegrenzten Gebietes, der sogenannten Bodenrichtwertzone“, schrieb das Finanzamt. Vereinfacht ausgedrückt: Die Besitzer des Grünlandes hätten einfach Pech, dass ihre Flächen umgeben von (deutlich wertvollerem) Bauland liegen.
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Ausnahmen für einzelne Grundstücke in einer Bodenrichtwertzone möglich
Marion Grewing fiel vom Glauben ab: „Wir haben natürlich Widerspruch eingelegt, da das Grundstück nicht als Bauland, sondern als Grünzone eingestuft werden muss. Dies wurde von der Gemeinde Schermbeck und dem Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Wesel ja auch eindeutig bestätigt.“ Das sagt auch eine Sprecherin des Kreises auf NRZ-Anfrage: „Für einzelne Grundstücke innerhalb einer Bodenrichtwertzone, die eine abweichende Nutzung oder Qualität zum Bodenrichtwertgrundstück aufweisen (wie zum Beispiel Grünflächen), gilt der Bodenrichtwert nicht“. Mit anderen Worten: Der Bauland-Wert von 250 Euro hätte nicht eingesetzt werden dürfen.
Diese Klarstellung überzeugte das Finanzamt nicht. Marion Grewing bekam Anfang des Jahres als Antwort auf ihren Widerspruch die für sie enttäuschende Antwort: „Ihre Einsprüche sind meinen Feststellungen nach unbegründet“. Sie hat sich nun gemeinsam mit anderen Betroffenen an die Öffentlichkeit gewendet. Die Betroffenen erklären, sollte das Finanzamt nicht einlenken, würden sie eine Sammelklage auf den Weg bringen. „Das geht doch nicht: Wir müssen doch unser Recht bekommen!“, so Grewing.
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Die Eigentümer: „Das passt doch alles nicht zusammen!“
Ihr Grundstücks-Nachbar Manfred Kammeier (62) drückt es so aus: „Es kann doch nicht der eine auf den anderen schieben und am Ende haben wir den Schwarzen Peter.“ Auch Rudolfs Schwarz (71) ist wütend: „Logischer geht es ja wohl gar nicht: Diese Grundstücke werden niemals bebaut, dann kann man sie auch niemals als Bauland einstufen.“ Grewing erklärt: „Wenn es Bauland ist, dann würde ich da gerne bauen. Wenn nicht, bin ich auch nicht bereit, den hohen Bodenrichtwert zu akzeptieren.“ Die Behörden sollten sich endlich mal einigen, es könne aber nicht der eine so und der andere das genaue Gegenteil sagen. Die 60-Jährige rechnet vor: „Ich zahle im Moment 9 Euro Grundsteuer und soll ab nächstes Jahr 400 Euro zahlen – für Ackerland! Das passt doch alles nicht zusammen!“
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Virtueller Grundstückswert 149.000 Euro, aber realer nur 12.000 Euro
Die Eigentümerin verweist auf einen weiteren Aspekt, den sie von einer Notarin erfahren habe: „Was mich erst recht erbost: Wenn ich ein Pflegefall würde, und das Finanzamt den Wert von 149.000 Euro für mein Grundstück festlegt, könnte die Pflegekasse auf diese Summe Ansprüche erheben, dabei ist mein Grundstück ja nur 12.000 Euro wert.“ Ihr werde dadurch ein Vermögen angedichtet, das sie gar nicht habe. Sie und ihre Nachbarn werden sich dagegen wehren, versichert Grewing.
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Und was sagt das Finanzamt? „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Finanzverwaltung aufgrund des Steuergeheimnisses generell nicht zu Einzelfällen äußern darf.“