Wesel. Immer mehr Prüflinge fallen beim Führerschein durch – in der Theorie ist die Tendenz stark steigend, in der Praxis leicht rückläufig.
Volker Freigang atmet erst einmal tief durch. „Das ist ein ganz heikles Thema, das momentan auch ein wenig aufgeputscht wird“, sagt der Fahrlehrer aus Wesel, zugleich stellvertretender Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Nordrhein. Natürlich sei die steigende Quote der Prüflinge, die bei Theorie oder Praxis durchfallen, derzeit bundesweit stark diskutiert.
Auf der anderen Seite müsse man aber dabei aber auch stark differenzieren, nach Region, nach Verkehrsdichte und vor allem nach Sprachbarrieren. So seien die Zahlen im ländlichen Raum, am rechten und linken Niederrhein, ganz andere als beispielsweise im dicht besiedelten Ruhrgebiet, in Köln ganz andere als auf dem platten Land – da wird ein Stadt-Land-Gefälle sichtbar. „Das liegt eben auch an der Größe der Städte“, erklärt Volker Freigang. „Hier in Wesel kennt man nach ein paar Fahrstunden alle Ecken, in Hamburg wird man auf immer neue treffen.“
Hinzu käme die weiter steigende Verkehrsdichte. „Heute geht doch der Trend zum Drittauto, das war vor zehn Jahren noch anders.“ Nicht zuletzt steigt die Zahl der Bewerber aus nicht-europäischen Ländern. So hat beispielsweise ein Prüfling aus Syrien oder dem Libanon in seinem Heimatland den Führerschein gemacht, muss aber hier noch die theoretische und praktische Prüfung ablegen, um den Führerschein umschreiben zu lassen. Die Prüflinge wären gar nicht an Verkehrsregeln gewöhnt, zudem oft „entfernt von der richtigen Selbsteinschätzung“, wie Volker Freigang glaubt. „Die Prüfungsanforderungen hier und dort sind zudem null miteinander vergleichbar.“ Und das habe natürlich einen Einfluss auf die Quote des Nichtbestehens.
„Keine schlechten Werte“ bei Fahrprüfungen im Kreis Wesel
Die Zahl der nicht bestandenen Prüfungen lag im Kreis Wesel im Jahre 2022 bei 37,6 Prozent bei der Theorie und bei 25,5 Prozent in der Praxis. „Das sind keine schlechten Werte“, findet Volker Freigang. Es gäbe allerdings auch Fahrschulen, die auf eine Quote von 60 bis 70 Prozent kämen. Dort nachzuhaken wäre sicherlich Aufgabe der Behörden.
Natürlich bedeuten mehr Fahrstunden auch höhere Kosten im Einzelfall für die Schülerinnen und Schüler – aber gegen Verallgemeinerungen und die zuletzt oft genannte Summe von 4500 Euro und aufwärts wehrt sich Volker Freigang. „Das ist auch nicht höher als vor 20 oder 30 Jahren, verglichen mit dem allgemeinen Kontext der Preise.“ Der Aufwand wäre ja auch für die Fahrschule aufgrund von gestiegenen Kosten für Benzin und die Fahrschulautos größer. „Wir haben viele Fahrschüler, die für den Führerschein knapp 2000 Euro bezahlen – bei der großen Masse sind es im Schnitt 2500 bis 3000 Euro.“
Allerdings habe sich auch die Einstellung der Prüflinge aus der Region geändert. „Die Affinität, der Wille, mobil zu werden, ist nicht mehr so ausgeprägt bei den jungen Leuten, auch weil sie gewohnt sind, von den Eltern überall hingefahren zu werden.“ Früher habe man als Mitfahrer den Vater oder die Mutter beobachtet und Erfahrungen machen können, nun werde im Auto sofort das Smartphone gezückt. Allgemein hätten „auch Konzentrationsfähigkeit und Lernbereitschaft stark abgenommen.“ Manche bereiteten sich anhand der App auch nicht mehr explizit kurz vor der Prüfung vor.
Wann macht eine Teilnahme an der Prüfung überhaupt Sinn?
Volker Freigang, der in Wesel und Hamminkeln insgesamt drei Fahrschulen betreibt, lässt seine Bewerber erst zur Prüfung zu, wenn es Sinn macht. Auch die Sprachkenntnisse seien ein wichtiger Bestandteil. Im Vorgespräch bei der Anmeldung zeige sich schon, ob eine Teilnahme an der Prüfung überhaupt Sinn macht, wenn die Sprachbarrieren zu groß seien. „Momentan habe ich aber auch keine Idee, wie man den Trend stoppen kann“, sagt der Fahrlehrer. Denn die Verkehrsdichte werde noch weiter zunehmen. „Die Leute wollen mobil sein, das ist auch verständlich.“