Wesel. In Wesel regt sich Protest gegen die geplante Erweiterung des Rhein-Lippe-Hafens. Nun hat sich erstmals eine neue Bürgerinitiave versammelt.
„Es soll alles so bleiben, wie es ist.“ Damit erntet Reinhard Thiesen, einer der Teilnehmer der Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative „Emmelsum: Rhein-Lippe-Land bleibt!“ breite Zustimmung. Und wenn man sich umschaut, möchte man ihm sofort beipflichten. Noch mehr Naturidylle und Biodiversität kann man sich kaum für sein Zuhause vorstellen. Aber etwas nagt an den gut 50 Teilnehmern, die sich am Freitagnachmittag auf der Terrasse von Engelbert Jesih, dem Gründer der Bewegung, am Ende der Emmelsumer Straße in Wesel getroffen haben. Denn: Es gibt konkrete Pläne, wie man ihre schöne Umgebung gewerblich nutzen könne. Nicht nur Anwohner, auch aus anderen Orten sind Menschen gekommen, die sich um den Erhalt der Natur südlich des Rhein-Lippe-Hafens viele Sorgen machen.
Die Fläche, wie sie im Bebauungsplan 232 ausgewiesen ist, weckt schon länger Begehrlichkeiten – das Potenzial für Gewerbeflächen ist groß. Das angrenzende Hafengebiet gilt entsprechend dem Regionalplan als „landesbedeutsamer Hafenstandort“. Ziel ist es, diese Hafenstandorte für solche Betriebe vorzuhalten, die dem Transport, der Lagerung, der Produktion beziehungsweise Weiterverarbeitung oder dem Umschlag von Gütern dienen. Das Plangebiet (etwa 30 Hektar groß) liegt nördlich des Wesel-Datteln-Kanals, unmittelbar angrenzend an das Hafenbecken des Rhein-Lippe-Hafens und damit vor der Haustür der meisten Anwohnerinnen und Anwohner, die sich auf Einladung der Initiative versammelt haben.
Bürgerinitiative kritisiert die Ausbaupläne für den Hafen in Wesel
Um Eingriffe in die Natur angemessen kompensieren zu können, gibt es standardisierte Bewertungsverfahren, die das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz entwickelt hat. Günther Rinke, Kreisvorsitzender der Umweltschutzorganisation BUND im Kreis Wesel, hält das für wenig zielführend – „das Verfahren führt zu großem Blödsinn.“ Wenn man ein so großes zusammenhängendes Gebiet zubetoniere und zum Ausgleich mehrere zehn bis zwölf Hektar große Ausgleichsgebiete an einem anderem Ort schaffe, sei das etwas völlig Anderes. Er mahnt daher: „Dieses Gebiet gehört als Ganzes erhalten.“ Er lehne die Planungen für eine Hafenerweiterung komplett ab. Der BUND habe mit Bezug auf einen Umweltbericht des Essener Instituts für Landschaftsentwicklung auf die erhebliche Zerstörung der Landschaft hingewiesen und dies der Bürgermeisterin in einem Schreiben mitgeteilt.
Ein Teilnehmer der Infoveranstaltung meinte, man dürfe den Lipperaum „nicht überstrapazieren.“ Etwas sentimental sieht es ein anderer, mit dem Blick auf das gerade erst offiziell eröffnete Logistikzentrum im nördlichen Teil des Hafengebietes: „Ich sehe nicht mehr die schöne Aue, sondern Rhenus.“ Ähnlich wie der BUND argumentiert auch Martin Toomen, Anwohner und Garten- und Landschaftsbauer. Ein irgendwo platzierter Nistkasten für Fledermäuse könne eine Baumhöhle nicht adäquat ersetzen. Darüber hinaus bemängelt er, dass „die Verantwortlichen nicht anwesend sind.“
SPD-Fraktionschef Ludger Hovest ist in der Tat der einzige Politiker aus dem Rat der Stadt, der am Freitagabend bei der Diskussion dabei ist. Er macht aus seiner Ansicht kein Geheimnis: „Ich bin dafür, dass der Hafen entwickelt wird.“ Die Fläche müsse mit Leben gefüllt werden. Er könne die Argumente der Kritiker verstehen. Er nehme sie mit in den Rat und sei sicher, dass mit der Einbindung von BUND und Biologischer Station ein Ausgleich für die Baumaßnahmen gefunden werden kann.
Ausbau-Pläne im Rhein-Lippe-Hafen: Das sagt Deltaport
Laut der Weseler Hafengesellschaft Deltaport wurde zumindest ein Teil der diskutierten Fläche bereits in der Vergangenheit industriell genutzt, wie der technische Leiter Dieter Thurm auf Anfrage der Redaktion berichtete. So gab es dort bis kurz nach der Jahrtausendwende unter anderem eine Umschlagstelle für Mineralstoffe. Derzeit ist der Hafen dabei, die unterirdischen Anlage zurückzubauen.
Bis neue Pläne auf der gesamten Fläche umgesetzt werden können, wird es aber noch dauern. Denn dafür benötigt der Hafen erstmal einen rechtskräftigen Bebauungsplan. Dieter Thurm geht davon aus, dass die Pläne noch in diesem Jahr für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dann haben alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich die Pläne und die dazugehörigen Gutachten im Detail anzuschauen – und können im Zweifel auch Einspruch dagegen einlegen. Laut Thurm wären in diesem Bereich ähnliche Ansiedlungen denkbar, wie es sie bereits im nördlichen Bereich des Hafens gibt, der eine Fläche von rund 40 Hektar bietet. „Logistische Dienstleister wären auch hier denkbar“, so der technische Leiter. Deltaport sieht die Ausbaupläne als wichtigen Bestandteil immer wieder angepriesenen Nachhaltigkeitsstrategie, um mehr Verkehr von der Straße auf Schiffe und Züge zu verlagern.