Wesel. Rafael Lorberg ist der neue SPD-Chef in Wesel. Mit welchen Ideen er seine Partei in den nächsten Monaten voranbringen will.
Zur Ruhe kommt Rafael Lorberg in diesen Tagen nicht. Seitdem er kurz vor Weihnachten zum neuen Stadtverbandsvorsitzenden der SPD in Wesel gewählt wurde, geht es Schlag auf Schlag: Europawahlkampf vorbereiten, Demo gegen rechts organisieren, den Neujahrsempfang seiner Partei moderieren. Das neue Jahr, die neue Aufgabe beginnen für den Gindericher im Eiltempo. Dabei ist seine eigentliche Herausforderung wohl eher ein Marathon als ein Sprint – es gilt die Sozialdemokratie in der Hansestadt zu modernisieren und so aufzustellen, dass die selbsternannte „Wesel-Partei“ auch in Zukunft noch relevant bleibt.
Diese Aufgabe hat Lorberg im Dezember von seinem glücklosen Vorgänger Martin Wegner übernommen, der sich aus persönlichen Gründen zurückgezogen hat. Wegner folgte zuvor im Herbst 2021 auf Ludger Hovest, der den Weg der Weseler Sozialdemokraten 36 Jahre als Vorsitzender vorgegeben hatte und sich seit diesem Rückzug von der Spitze des Stadtverbandes auf den Fraktionsvorsitz im Rat konzentriert. Die Fußstapfen, in die Lorberg nun getreten ist, mögen durch die personelle Übergangszeit zwar etwas geschrumpft sein – klein sind sie aber keineswegs, denn Hovest ist in Wesel noch immer der SPD-Vertreter, der mit Abstand den größten Raum in der Öffentlichkeit einnimmt.
Rafael Lorberg dürften hingegen bisher nur Insider gekannt haben. Ein gutes Jahr lang war der 39-Jährige zuletzt Vorsitzender des Ortsvereins Wesel-Mitte, zu dem auch die linksrheinischen Ortsteile Büderich und Ginderich gehören. In diesem Amt folgte er auf den überraschend verstorbenen Bundestagsabgeordneten Rainer Keller. Lorberg lebt mit seiner Familie erst seit anderthalb Jahren wieder in Ginderich, wo er auch aufgewachsen ist. „Ich bin ein echter Gindericher“, sagt er. Für einen Sozialdemokraten ist das durchaus bemerkenswert, gilt das Storchendorf doch als Hochburg der CDU.
Neuer SPD-Chef in Wesel: Geprägt in Düsseldorf
Nach seinem Abitur am Andreas-Vesalius Gymnasium ging er zum Studium nach Düsseldorf, wo er in den vergangenen 15 Jahren gewohnt hat und noch immer als Ministerialbeamter im Innenministerium arbeitet. Er hat einen Abschluss als Ingenieur (Ton und Bild) sowie einen Master in Verwaltungswissenschaft. In der Landeshauptstadt fand er auch den Weg zur SPD. 2009 war das, Europa befand sich mitten in der Finanzkrise, die Sozialdemokraten fielen mit ihrem Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier bei der Bundestagswahl auf ein damals historisches Tief von 23 Prozent.
Für Rafael Lorberg war ausgerechnet das der Grund, sich politisch zu engagieren. „Ich habe mir gesagt: Du musst etwas machen und bin in die SPD eingetreten.“ Schnell kam er in den Strukturen der Partei voran und übernahm erste Ämter, später war er unter anderem Fraktionsvorsitzender in einem Stadtteilparlament und Beisitzer im Vorstand des Stadtverbandes. Heute bezeichnet sich Lorberg selbst als einen „Sozialdemokraten mit Leib und Seele“, für den keine andere Partei in Frage käme.
Die Zeit in Düsseldorf hat ihn geprägt, besonders was die Gegensätze in der Stadt angeht. Deswegen will er nun als Vorsitzender in Wesel das soziale Profil der Partei stärken. Zugleich müsse die SPD jünger und weiblicher werden. Dass der Frauenanteil im Stadtrat über alle Parteien hinweg bei unter 30 Prozent liegt, ärgert den Familienvater: „Das ist nicht tragbar, daran werden wir aktiv arbeiten.“ Auch die Nachwuchskräfte sollen stärker als bisher in die inhaltliche Arbeit eingebunden werden. „Wir haben bärenstarke Jusos hier in Wesel“, findet Lorberg. Inhaltlich will er unter anderem den Kampf gegen den Rechtspopulismus und die sich immer weiter verschärfende Wohnraumproblematik in den Mittelpunkt rücken.
SPD in Wesel konzentriert sich erstmal auf die Europawahl
Drei Wahlen stehen in den nächsten anderthalb Jahren an. Während die Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommunal- und die Bundestagswahl im Herbst 2025 noch kein Thema ist, ist es bis zur Europawahl am 9. Juni diesen Jahres nicht mehr lang hin. Deshalb wird dieser Wahlkampf zunächst die volle Aufmerksamkeit des neuen SPD-Vorsitzenden fordern. Es wird für ihn und sein Team die erste Gelegenheit, neue Strategien aufzuprobieren, sich professioneller aufzustellen, um in den sozialen Netzwerken den Anschluss an die AfD nicht völlig zu verlieren.
Am Ende komme es aus Sicht von Lorberg vor allem darauf an, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen: „Wir müssen klar machen, dass es nicht egal ist, wer in die Parlamente einzieht“, sagt Lorberg mit Blick auf den erstarkenden Rechtsextremismus. Es sei elementar wichtig, dass die Menschen wüssten: „Die Sozialdemokraten sind dafür da, die Probleme zu lösen.“ Ob nun in Ginderich, in Obrighoven – oder in Brüssel.