Hünxe/Schermbeck. Die Feuerwehren Hünxe und Schermbeck kämpfen gegen die Wassermassen. In Gahlen bauen Privatleute sogar einen Schutzdeich gegen die Fluten.
Schon vor Sonnenaufgang kämpften am Donnerstag in Krudenburg 18 Feuerwehrleute gegen die Wassermassen der Lippe: Sandsack um Sandsack türmten die Frauen und Männer aufeinander, in einem Stichweg der Dorfstraße hatten sie aus etwa 300 Sandsäcken einen Wall errichtet, der möglichst viel Lippewasser abhalten soll. Ein paar Häuser in dem kleinen Treidlerdorf sind bereits mit Wasser vollgelaufen, in dutzenden anderen wird das Wasser aus tiefer gelegenen Räumen gepumpt.
Besorgt schauen Bewohner vom Lippeweg auf den reißenden Fluss wenige Meter vor ihrer Haustür, der in normaler Zeiten in seinem überschaubaren Flussbett fließt. Denn das hat er schon vor Tagen um hunderte Meter verlassen.
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Anwohner Richard Nuyken wirkt trotzdem relativ entspannt: „Was soll man machen? Bei mir im Keller drückt von unten das Wasser hoch. So klar, das könnte man trinken. Ich muss jetzt dauernd abpumpen und hoffen, dass der Pegel wieder sinkt.“ Für ihn sei die Lage aber nicht neu: „Ich kenne das alles schon, habe das vor 20 Jahren auch schon erlebt“, ergänzt der 78-Jährige gelassen und ergänzt schmunzelnd: „Ich lebe halt mit dem Fluss, bin sogar mit Lippewasser getauft.“
Wie umgehen mit den Hochwasser-Schäden?
Seine Nachbarin Sigrun von Mallinckrodt ist da schon deutlich aufgebrachter: „Zuerst war das Wasser bei uns im Haus klar, seit gestern ist es aber eine braune Brühe. Was das wohl für Schäden anrichtet, da möchte ich gar nicht dran denken.“ Die Krudenburgerin berichtet, sie habe auf eine Hochwasser-Versicherung verzichtet. Ihre Begründung: „Ich habe mich erkundigt, aber 6500 Euro im Jahr – wer soll das bezahlen?“
Etwa 200 Meter entfernt sieht man ein großes Holzschiff mitten im Wasser liegen, etwa 50 Meter vom Lippeweg entfernt. Doch dies ist kein Wasserfahrzeug, sondern normalerweise ein Spielgerät auf dem Krudenburger Spielplatz, der sich seit Weihnachten zu einer riesigen Wasserlandschaft verwandelt hat.
Schaulustige lassen sich das Hochwasser der Lippe nicht entgehen
Neben der Dinslakener Straße auf der Brücke über die Lippe stehen dutzende Schaulustige und machen Fotos von dem Hochwasser. „Schaurig schön“, sagt eine Hünxerin, die leicht irritiert hinzufügt: „Man sieht ja vor lauter Wasser schon gar nicht mehr, wo die Lippe normalerweise lang läuft.“
Auch in Schermbeck ist die Lage des Lippe-Hochwassers weiterhin dramatisch – vor allem im Ortsteil Gahlen. „Land unter“ heißt es an der Kinder- und Jugendfreizeitstätte im Aap. Die Zufahrt hierher und einem nahegelegenen Gehöft ist etwa knietief voller Wasser. Was also tun, wenn es dann einen Rettungseinsatz gibt, wie am Donnerstagmittag: Mit dem Stichwort „Ölfilm auf Gewässer“ wurde die Schermbecker Feuerwehr ausgerechnet zu seinem Bereich auf der „Insel“ zwischen Gahlen und dem eigentlichen Lauf der Lippe alarmiert. Doch mit ihren Feuerwehrautos und auch zu Fuß war die Einsatzstelle nicht zu erreichen. Kurzerhand half ein Traktorfahrer mit einem großen Hänger, auf den ein Feuerwehrboot und rund ein Dutzend Brandbekämpfer aufgeladen wurden. Der Fahrer brachte sie sicher durch die Fluten zur Jugendfreizeitstätte.
Ebenfalls sehr kreativ erwies sich das Handeln von Andre Vengels und seinen vielen Helfern, die innerhalb weniger Tage in Gahlen einen Schutzdeich errichteten – in Eigenregie, aber mit Unterstützung von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk. „Am Freitag vor Heiligabend haben wir das Unheil kommen sehen. Erst dachten wir, ein 30 Zentimeter hoher Wall würde reichen, aber das Wasser stieg und stieg“, so Vengels, der glücklicherweise schnell schweres Gerät wie einen Bagger beschaffen konnte: „Ab dem ersten Weihnachtstag haben wir dann aus rund 2000 Kubikmetern Erde einen drei Meter hohen Deich errichtet – 15 Meter dick und 60 Meter breit.“ Nur dadurch seien etwa 40 Parzellen und ein Haus vor dem Hochwasser geschützt worden. Stolz blickt er auf den Schutzdeich: „Toll, wie viele Leute spontan ihre Hilfe angeboten haben!“