Schermbeck/Hünxe. Im Schermbecker Ölpellet-Skandal beginnt nach langer Verzögerung der Prozess gegen den Hauptangeklagten. Er hatte versucht, sich zu entziehen.
Dem Hauptbeschuldigten im Schermbecker Umweltskandal wird noch in diesem Monat der Prozess gemacht: Am Dienstag, 15. August, beginnt vor der zweiten großen Strafkammer des Landgerichts Bochum die Hauptverhandlung gegen einen 61-jährigen Müllmakler aus Solingen wegen unerlaubten Umgangs mit Abfällen.
Dem ehemaligen Prokuristen der Firma Nottenkämper aus Hünxe wird laut Anklage zur Last gelegt, in den Jahren 2010 bis 2013 bis zu 29.255 Tonnen giftige Ölpellets, die bei der Ölraffinierung entstehen und als Sondermüll hätten verbrannt werden müssen, als ungefährliche mineralische Rückstände deklariert und in die Tongrube Mühlenberg in Schermbeck-Gahlen versenkt zu haben. Dazu soll der Beschuldigte mit seiner eigenen Firma, die er parallel zu seinem Job als Prokurist betrieb, die Ölpellets über mehrere Stationen hinweg gesiebt, gemischt und weitervermakelt sowie schließlich dem Unternehmen Nottenkämer als harmlosen Recycling-Sand untergeschoben haben. Durch die Vermischung und „Tarnung“ der Ölpellets unter harmlosem Sand wurde das belastende Material bei den regulären Kontrollen nicht entdeckt.
Umweltskandal: Ein Müllmakler wurde zur Haftstrafe verurteilt
In einem Ende 2022 beendeten Strafverfahren hatte ein anderer Müllmakler, der ebenfalls Teil dieser Machenschaften war, zu dem gegen ihn erhobenen Vorwürfen ein Geständnis abgelegt. Der 53-Jährige wurde zu einer fast zweijährigen Haftstrafe verurteilt.
Der nun vor Gericht stehende Hauptbeschuldigte, ursprünglich Metzger, ist bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten: So hatte das Landgericht Bochum ihn 2014 wegen Steuerhinterziehung, Bestechung und Betrug verurteilt. Dann entwickelte sich ein fast filmreifer Kriminalfall: 2017 täuschte der Müllmakler, um sich der damals schon anstehenden Verhandlung im Zusammenhang mit dem Ölpellets-Skandal in Schermbeck gegen ihn zu entziehen, seinen Selbstmord vor und setzte sich mit gefälschtem dänischem Pass nach Afrika ab. In Namibia spürten ihn jedoch Zielfahnder des BKA auf – der Beschuldigte wurde nach Deutschland ausgeliefert. Nun kann der Prozess endlich starten.
Immer wieder gab es Forderungen, auch die Hünxer Betreiberfirma zur Rechenschaft zu ziehen, doch im März 2018 bestätigte die Staatsanwaltschaft Bochum, dass Nottenkämper als „Geschädigte“ anzusehen sei. Auch während des Ermittlungsverfahrens gegen den nun vor Gericht stehenden 61-Jährigen sowie gegen weitere Angeklagte erkannten die Beamten, dass es für das Unternehmen wohl keine Möglichkeit gegeben habe, die getarnten Ölpellets zu bemerken. Unter anderem das Gahlener Bürgerforum (mittlerweile der Gahlener Umweltschutzverein) und die Grünen bezweifelten dies und erhoben zudem schwere Vorwürfe gegen den Kreis Wesel als Aufsichtsbehörde - die Kontrollen der Tongrube hätten kläglich versagt.
Landgericht Bochum: Verfahren im Umweltskandal läuft mindestens bis Oktober
Drei behördliche Gutachten – zuletzt eines im Auftrag des NRW-Umweltministeriums - hatten zwischenzeitlich festgestellt, dass aktuell wohl keine akuten Gefahren für Mensch und Umwelt von den in der Tongrube lagernden Ölpellets ausgehen, da diese relativ gut isoliert eingelagert sind. Dies stützt auch eine Gefährdungsabschätzung des Kreises Wesel, wonach „kein Hinweis auf eine akut bestehende Gefahr und somit kein Anlass zur Anordnung von Sofortmaßnahmen“ bestehe. Gleichwohl kosteten die Erforschung des Sachverhalts sowie die bisherigen Sicherungsmaßnahmen der Firma Nottenkämper bis heute bereits siebenstellige Beträge. Es ist zudem klar, dass die Sicherung und Beobachtung der Tongrube eine Ewigkeitslast ist.
Großunternehmen wie der „Ölriese“ BP sind ebenfalls in den „Umweltkrimi“ involviert, da in ihrem Werk in Gelsenkirchen-Scholven die Ölpellets entstanden und die illegale Lieferkette rund um das giftige Material hier ihren Ursprung hatte. Es gibt Stimmen, die auch eine finanzielle Beteiligung an der Wiedergutmachung durch BP fordern.
Die Verhandlungen gegen den Hauptbeschuldigten sind zunächst bis Mitte Oktober anberaumt und finden jeweils dienstags (außer am 3. Oktober) am Landgericht in Bochum statt. Unter anderem der Gahlener Umweltschutzverein hatte zuletzt darauf gedrängt, dass der Prozess noch in diesem Jahr über die Bühne geht, um einer möglichen Verjährung der Vorwürfe zu entgehen. Dessen Sprecher Stefan Steinkühler erklärt dazu: „Wir sind froh, dass jetzt endlich auch das noch fehlende Puzzlestück strafrechtlich aufgearbeitet wird und gegen den Angeklagten nun auch in Sachen Ölpellets verhandelt wird.“