Wesel. Vor 25 Jahren startete das Jugendzentrum am Herzogenring. Leiter Mathias Schüller blickt zurück und erzählt, was sich dort bald ändern wird.
Was dieses Haus schon alles erlebt hat: Vor rund 115 Jahren erbaut, wurde das „Karolinenheim“ am Herzogenring in Wesel im Laufe der vielen Jahrzehnte schon für die unterschiedlichsten Zwecke genutzt. Seit einem Vierteljahrhundert ist das „Karo“ mittlerweile das Jugendzentrum der Stadt Wesel. „Vermutlich 1908 erbaut, hat eine reiche Familie das Haus der evangelischen Kirche geschenkt“, blickt der heutige Leiter Mathias Schüller weit zurück.
Lange hätten Schwestern (Diakonissen) sowie die Pfarrersfamilie hier gewohnt. Das Karolinenheim habe aber auch als Notkirche gedient und später als Teil des Mädchengymnasiums und der Realschule Mitte. „Manche Eltern, die ihre Kinder zu uns bringen, berichten, dass sie hier früher zur Schule gegangen sind“, erzählt Schüller, der seit Dezember 1998 das Haus leitet.
Wenige Monate vorher, an Ostern 1998, war das Jugendzentrum Karo als Nachfolgeeinrichtung des Jugendzentrums an der Zitadelle eröffnet worden, weil dort neben dem Preußenmuseum das Weseler Stadtarchiv einzog. Am Herzogenring sei der Betrieb zunächst eher schleppend angelaufen, habe dann aber schnell immer mehr Fahrt aufgenommen.
Persönliche Kontakte und die Gemeinschaft
„Heute kommen täglich zwischen 50 und 150 Kinder und Jugendliche zu uns – zusätzlich etwa 30 bis 40 zu meinen Musikangeboten“, listet der Leiter auf. Der 64-Jährige berichtet von Weselern, die ab einem Alter von sieben Jahren bis sie erwachsen waren, nahezu täglich ins Karo kamen. „Manche sitzen schon Stunden vor der Öffnung am Eingang und warten, dass wir endlich öffnen“, sagt Schüller schmunzelnd. Das Jugendzentrum sei für viele „mehr als ein zweites Zuhause“. Zu den aktuellen Besuchern zählten heute Kinder, deren Eltern sich im Karo kennen und lieben gelernt hatten. „Persönliche Kontakte und die Gemeinschaft – das ist es, was ein Jugendzentrum ausmacht“, ergänzt Mathias Schüller.
Jeder sei in dem altehrwürdigen Haus willkommen – vorausgesetzt, er hält sich an die Regeln. Die wichtigen sind „keine Drogen und keine Gewalt“. Schüller und seine fünf Mitarbeiter, die sich auf vier Stellen verteilen, haben in den 25 Jahren schon viel erlebt und dabei Jugendliche aus unzähligen Nationalitäten kennengelernt. „Das Haus war immer multikulti“, beschreibt Mathias Schüller und erinnert auch an verschiedene Flüchtlingswellen. „In den Anfangsjahren kamen viele Jugendliche vom Balkan – aus Serbien, Kroatien oder Bosnien.“
Karo entdeckt Talente von zwei Flüchtlingen
Im vergangenen Jahrzehnt waren es vor allem Flüchtlinge aus Afghanistan wie Aziz Mohammadi und Farhad Jahfari, die ins Jugendzentrum kamen und über ein unglaubliches Talent verfügten – die beiden Jungs konnten wahnsinnig schnell laufen. Mathias Schüller erinnert sich lachend: „Die sind beim Volkslauf in Hamminkeln sogar mit Straßenschuhen gestartet und trotzdem allen weggerannt.“ Das Karo informierte den Laufsportverein Hadi Wesel, der die beiden dann vernünftig förderte. Und mit Laufschulen waren die beiden logischerweise sogar noch viel flotter unterwegs.
Andere waren so verrückt auf Fußballspielen, dass sie sogar bei Schnee den Innenhof des Karos gekehrt haben, um spielen zu können, ergänzt der Jugendzentrumleiter, dem auch ein etwa 15-jähriger Junge in Erinnerung geblieben ist, der vor etwa 15 Jahren ersten Erfahrungen als Disc-Jockey machte und mit einem Koffer voller CDs im Karo auflegte – zur Begeisterung der Besucher und Betreuer.
In anderthalb Jahren wird es eine Zäsur geben im Karo, denn dann geht Mathias Schüller in Rente. Dann wird der Leiter auf seine Zeit im Karo seit 1998 zurückblicken. Schon heute sagt er: „Die Jugendlichen waren früher nicht schlechter oder besser – nur anders. Die größte Änderung in dieser Zeit ist die Digitalisierung.“ Musiker ergänzt: „Wenn ich weg bin, wird es wohl leider keine Konzerte mehr geben – aber neue Leiter bringen sicher andere neue Schwerpunkte mit.“