Wesel. Seit 50 Jahren gibt es die Nachbarschaft „Zur Tenne“ in Wesel-Büderich. Zum Jubiläum haben die 69 Nachbarn ein besonderes Projekt umgesetzt.
Wenn in Wesel-Büderich von „Nachbarschaft“ gesprochen wird, dann sind damit nicht einfach Menschen gemeint, die zufällig nebeneinander wohnen. Vielmehr geht es hier um organisiertes und gepflegtes Miteinander, manchmal über Generationen hinweg. So ist es auch bei der Nachbarschaft „Zur Tenne“, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert.
Nachbarschaft in Büderich: Keine Pumpe, dafür Tradition
13 Haushalte waren es, die ihre Nachbarschaft am 21. September 1973 gegründet haben. Das besondere: Eine Pumpe, um die sich am Niederrhein vielerorts Nachbarschaften gebildet haben, gibt es hier nicht. „Wir haben keine Pumpe, wir haben einfach nur eine Nachbarschaft“, bestätigt Engelbert Kozian (54), der seit mehr als 20 Jahren deren Vorsitzender ist.
„Wir wollen hier ein Bisschen die Tradition bewahren“, erklärt Kozian den Zweck der Gemeinschaft. So gehört es zum Beispiel dazu, am Schützenfest-Samstag gemeinsam die Straße zu schmücken, zu kränzen, wenn ein Paar heiratet oder Ehejubiläum feiert. Und wenn einer der Nachbarn verstirbt, gehört es traditionell zu den Aufgaben der Nachbarn, den Sarg zu tragen – „obwohl das aus beruflichen Gründen immer schwieriger wird“, so der Nachbarschaftsvorsitzende.
Und auch, wenn einer der Nachbarn mal Hilfe braucht, findet er die mit großer Wahrscheinlichkeit in der Nachbarschaft. Denn mittlerweile ist die Gruppe auf 26 Haushalte angewachsen. 69 Personen gehören aktuell dazu, sogar sieben der Gründungsmitglieder sind noch dabei sowie drei, die mittlerweile nicht mehr hier leben, aber Teil der Gemeinschaft bleiben wollten. Weder mit Nachwuchssorgen, noch mit Streitereien muss die Nachbarschaft „Zur Tenne“ kämpfen.
Storchennest in Büderich wurde im Jubiläumsjahr aufgehübscht
Aber zurück zum Jubiläum: Wie man diesen besonderen Anlass gebührend feiern kann, darauf haben die Nachbarn sich bei einer ihrer regelmäßigen Nachbarschaftsversammlungen verständigt. Die Idee: Das Storchennest an der Büdericher Landwehr wieder hübsch machen. Das hatte der Heimatverein vor neun Jahren auf dem alten Trafo-Turm errichtet, in der Hoffnung ein Brutpaar würde sich ansiedeln. Doch das ist nie passiert, berichtet der Engelbert Kozian, der in Sichtweite zum Nest wohnt. Zwar wurden dann und wann schon Storche gesehen, auch zwei gleichzeitig, doch lange geblieben sind sie nie. Öfter wurden hingegen Nilgänse dort beobachtet.
„Das sieht doch schandalig aus“, befand nun einer der Nachbarn, sodass ruckzuck eine neue Projektgruppe innerhalb der Nachbarschaft gegründet wurde – nach dem Festausschuss, dem die Organisation des jährlichen Nachbarschaftsfestes (immer am zweiten Juni-Wochenende) obliegt, sowie der Gruppe, die sich um das Heiligenhäuschen mit der Marienfigur um die Ecke kümmert, schon die dritte. Praktischerweise sind zum Nestbau auch die passenden Berufsgruppen vertreten: Ein Schreiner gehört zur Nachbarschaft oder eine Künstlerin, die Farbkleckse auf Nest und Dach verteilt. „Das muss bewohnt aussehen“, weiß Engelbert Kozian, der für die Aktion auf eine Anleitung des Nabu zurückgegriffen hat.
Um das Nest herzurichten, ist gerade der perfekte Zeitpunkt. Denn immer Ende Februar/Anfang März kehren die langbeinigen Zugvögel aus ihren Winterquartieren an den Niederrhein zurück. Das Nest jedenfalls soll pünktlich zum Jubiläum an den Heimatverein übergeben werden – wie ein Geburtstagsgeschenk, nur andersherum. Und mit etwas Glück ist es bis dahin auch bewohnt. Es wären übrigens nicht die ersten Vögel in der Nachbarschaft der Nachbarschaft „Zur Tenne“ – tatsächlich geht deren Name auf den Hühnerstall eines Nachbarn zurück, der früher Ort gemeinsamer Feste war.