Wesel. Mehrere Monate muss der Verkehr von der B 8 auf die Frankfurter Straße ausweichen. Anwohner sehen Gefahren. Bis wann die Sperrung bleibt.

Die Anwohner in Lippedorf fühlen sie ohnehin schon als Weseler „Stiefkind“. Der kleine Ortsteil an der Frankfurter Straße hat mit dem zunehmenden (Schwerlast)-Verkehr zu kämpfen, der die Siedlung in zwei Teile trennt und die Bürger durch zunehmenden Lärm und Unfallgefahren nervt. Doch nun fühlen sie sich geradezu überrumpelt: Am kommenden Montag, 13. Februar, wird die B 8 gesperrt, weil die Brücke über die Bahnlinie im Zuge des Betuwe-Ausbaus erneutet werden muss. Acht Monate lang wird sich der Umleitungsverkehr über die schmale Frankfurter Straße zwängen und die Anwohner sind sauer: Sie haben es erst Ende Januar aus der Zeitung erfahren, einige hatten zur gleichen Zeit eine Info der Bahn im Briefkasten. Mit ihnen gesprochen hat aber niemand.

An der Ecke Fabrikstraße/Frankfurter Straße hat sich am Montag eine Gruppe Menschen versammelt, um ihrem Ärger Luft zu machen. Während pausenlos Autos und Lastwagen vorbeirollen, sprechen sie über das, was ihnen für die kommenden Monate große Sorge bereitet. Denn die Frankfurter Straße, so sagen sie, ist keineswegs geeignet, den gesamten Verkehr von der B 8 aufzunehmen. Wie berichtet führt die Umleitung von Wesel kommend durch Lippedorf über die Frankfurter und die Emmelsumer Straße, an der Kreuzung B 8/Neue Hünxer Straße führt sie wieder auf die Bundesstraße. Aus Friedrichsfeld kommend verläuft die Umleitung umgekehrt.

B 8-Sperrung in Wesel: An diesen Straßen werden Baustellenampeln installiert

Damit Anwohner der Fabrikstraße dennoch auf die Frankfurter Straße einbiegen können, wird dort eine Baustellenampel installiert, ebenso an der Ausfahrt des Gewerbegebietes „Im großen Feld“ an der Emmelsumer Straße. Beide Ampeln sind auch für Radfahrer und Fußgänger gedacht, versichert die Stadt Wesel, ebenso wird es an der Kreuzung Emmelsumer Straße/B 8 eine Radfahrer- und Fußgängerampel geben.

Janine Fischer, Klaus Bialkowski und Birgit Forstmann ärgern sich, dass die Anwohner in Lippedorf erst spät über die achtmonatige Sperrung der B 8 informiert wurden, die den Verkehr auf der Frankfurter Straße mehr als verdoppelt.
Janine Fischer, Klaus Bialkowski und Birgit Forstmann ärgern sich, dass die Anwohner in Lippedorf erst spät über die achtmonatige Sperrung der B 8 informiert wurden, die den Verkehr auf der Frankfurter Straße mehr als verdoppelt. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Die Anwohner tröstet das wenig. Sie berichten von seit Jahren zunehmendem Verkehr, insbesondere Lastwagen aus dem Hafengebiet donnern schon jetzt täglich über die Frankfurter Straße, sodass die Gläser in den Schränken klirren. „Das geht so von morgens vier Uhr bis 19 Uhr und es wird immer schlimmer. Die Straße ist in einem katastrophalen Zustand,“ sagt zum Beispiel Robin Fuchs. Er erzählt von Rissen in den Wänden seines Hauses, wegen der Erschütterungen will er nun einen Gutachter kommen lassen.

Renate Hinkelmann, die ein Stück weiter nahe der Bushaltestelle wohnt, hat im Dezember eine böse Überraschung erlebt. Sie wollte gerade etwas aus ihren Auto holen, das direkt vor ihrem Haus an der Frankfurter Straße geparkt war, da krachte ein Lkw in ihren Kleinwagen – Totalschaden. Die Straße ist eng, bei Gegenverkehr ist wenig Platz für die Laster. Für Kinder sei die Straße jetzt schon eine Gefahr, sagen die Anwohner, es gibt nur auf einer Seite einen Rad- und Fußweg.

Gutachten für B 8-Sperrung von 2014: 29.000 Fahrzeuge auf der Frankfurter Straße

Ein der Umleitung zugrundeliegendes Gutachten, von der Bahn in Auftrag gegeben, geht von einer Zunahme des Verkehrs auf der Frankfurter Straße zwischen B 8 und Emmelsumer Straße um 18.300 Fahrzeuge auf knapp 29.000 Fahrzeuge pro Tag aus – die Prognose wurde allerdings schon 2014 auf Basis von Verkehrsdaten aus 2013 erstellt. Inzwischen ist das Gewerbegebiet am Hafen weiter ausgebaut worden, die Anwohner berichten gerade in den vergangenen drei, vier Jahren von einem stark wachsenden Verkehr.

Darunter sind auch Lastwagen mit Gefahrgut, berichtet Anwohner Klaus Bialkowki. „Wir kommen schon bei normalem Verkehr kaum über die Straße“, sagt Birgit Forstmann, „und wir haben hier Kinder und Senioren.“ Sie wurden nicht informiert und hätten nicht einmal Einspruch einlegen können, sagen die Anwohner. „Wir sind die Ostfriesen von Wesel“, fasst es Helga Forstmann zusammen, die in Lippedorf geboren wurden. „Früher war es hier ganz ruhig.“

Das Überqueren der Frankfurter Straße in Lippedorf ist schon vor der B 8-Sperrung nicht ungefährlich.
Das Überqueren der Frankfurter Straße in Lippedorf ist schon vor der B 8-Sperrung nicht ungefährlich. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Doch nun werde der Ortsteil immer mehr zwischen Gewerbegebiet, Baustelle der Südumgehung, Straße und Bahn (in Lippedorf ist keine Lärmschutzwand geplant) in die Zange genommen. Selbst im Naturschutzgebiet Lippemündungsraum werde von allen Seiten immer mehr Raubbau an der Natur betrieben, ärgert sich Simone Höbing. Sie fürchtet wie ihre Nachbarn, dass die kleine Fabrikstraße und die Huyssenstraße als Ausweichstrecke für die Frankfurter Straße genutzt werden könnte, wenn es dort Stau gibt. Gefährlich werde für die Anwohner künftig zudem, mit dem Auto von den Grundstücken auf die Frankfurter Straße zu fahren.

Was könnte den Anwohnern helfen? „Perspektiven wären schön“, sagt Markus Braun. Schon lange setzt sich die Nachbarschaft dafür ein, dass der Lkw-Verkehr von dem letzten Teilstück der Frankfurter Straße zwischen Emmelsumer Straße und B 8 verbannt wird. Er könne über die Emmelsumer Straße fließen, sagen sie. Außerdem wünschen sich die Anlieger durchgehend Tempo 50, was derzeit nur auf einem Teilstück gilt und obendrein kaum beachtet werde. Zumindest nach der B 8-Sperrung könnte über diese Schritt nachgedacht werden, hoffen die Anwohner, die jedoch fürchten, dass es bei den angekündigten acht Monaten Sperrung nicht bleiben wird.

Stadt Wesel hatte Behelfsbrücke für die B 8 vorgeschlagen

Kritik an der Planung kam auch aus Richtung Voerde: Die dortige SPD monierte, dass die Stadt nicht in die Planung eingebunden war und befürchtet, dass der Umleitungsverkehr über die Frankfurter Straße den Stadtteil Friedrichsfeld zusätzlich belasten werde. Wie die Stadt Wesel auf NRZ-Anfrage dazu erklärt, habe die Verwaltung in den vorbereitenden Gesprächen, die bereits im Jahr 2014 und 2015 gelaufen sind, darauf hingewiesen, dass die Nachbarstadt mit einbezogen werden sollte.

Außerdem, ergänzt Swen Coralic für die Stadt Wesel, habe die Verwaltung nach der Erstellung des Gutachtens zur Umleitung im Jahr 2014 darauf hingewiesen, dass eine Behelfsbrücke für die Bauzeit aus Weseler Sicht die bessere Lösung sei. Auch die Tatsache, dass es unglücklich sei, wenn zur gleichen Zeit an der nahe gelegenen Südumgehung gebaut werde, habe Wesel damals thematisiert.