Wesel. Das Ehepaar de Leuw betreibt mit dem Baby Doll den letzten Club in Wesel. Über die Veränderungen am Kornmarkt und das Nachtleben in Krisenzeiten.

Der Eingang am Kornmarkt ist unauffällig, die Treppe schmal. Vierzehn Stufen geht es herunter, dann noch ein paar, bevor man auf der Tanzfläche steht. Der Tanzfläche des Baby Dolls – dem letzten Club in Wesel. „Angefangen hat es früher als Rockladen“, erinnert sich Svenja de Leuw, die das Baby Doll mit ihrem Mann Stephan in den frühen 2010er Jahren übernommen hat. Mittlerweile hat sich das Konzept etwas geändert.

Gekommen um zu bleiben: Das Baby Doll in Wesel

An den Kornmarkt gekommen ist der Laden im Jahr 2006, da herrschte dort noch eine andere Atmosphäre. Viele Nachtschwärmer begannen ihre Freitag- oder Samstagabende in einer der zahlreichen Kneipen, später wurde dann zum Tanzen ins Baby Doll gewechselt, wo hauptsächlich Rock, Indie und Alternative gespielt wurde. Damals war der Kornmarkt immer voller Menschen, das ist heute nicht mehr so.

Hinter der dunkelgrauen Tür rechts geht es ins Baby Doll.
Hinter der dunkelgrauen Tür rechts geht es ins Baby Doll. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Doch während viele der Kneipen ringsherum ihre Segel strichen, sich stattdessen Restaurants ansiedelten, ist das Baby Doll geblieben. „Wir haben das große Glück, dass wir den Club nur als Hobby betreiben“, erklärt Svenja de Leuw. „Wir müssen nicht davon leben.“ Heutzutage wäre das auch schwierig. Nicht nur, dass der Kornmarkt längst nicht mehr die Kneipenmeile ist, die er einst war. Zuletzt hat auch die Corona-Pandemie die gesamte Gastro-Branche schwer getroffen und das Nachtleben überall verändert, zahlreiche Clubs haben die Lockdowns gar nicht überlebt.

Baby Doll in Wesel: Vom Tanzlokal zur Kleinkunstbühne

Auch die de Leuws haben sich in dieser Zeit Gedanken darüber gemacht, wie sie das Baby Doll weiter betreiben, aufgeben wollten sie es nicht. „Irgendwie ist einem der Schuppen ja ans Herz gewachsen“, schmunzelt Svenja de Leuw. Die Lösung: Nur noch zwei Mal im Monat öffnet der Club, meist am ersten und dritten Samstag im Monat. Oft stehen Motto-Partys auf dem Programm, mal „Ü40“, mal die „90er“ – die haben vor der Pandemie schon gut funktioniert und sorgen nun wieder für eine volle Tanzfläche.

Außerdem ist mittlerweile eine weitere Veranstaltungsform eingezogen: In Kooperation mit der Weseler Eventagentur gibt es seit November 2021 in unregelmäßigen Abständen den „Baby Doll Comedy Club“. Dann wird das Tanzlokal zur Kleinkunstbühne, meist für Newcomer. Bestuhlt ist Platz für 100 Gäste.

Doch zurück zum eigentlichen Geschäft, dem Feiern: „Wir merken schon, es ist alles etwas zögerlicher“, räumt Svenja de Leuw ein. „Im Kopf sind viele nicht mehr so unbeschwert wie früher.“ Das heißt allerdings nicht, dass keine Stimmung aufkäme. „Die Leute die Feiern wollen, wollen feiern“, stellt Stephan de Leuw klar, daran ändere auch die Inflation nichts. „Die Anzahl ist nur geringer geworden.“

Baby Doll in Wesel: Ein Club zum Mieten

Allerdings ist das Baby Doll nicht mehr die erste Anlaufstelle für die ganz jungen Erwachsenen. „Vor Corona war unser Publikum 18 bis 26“, beschreibt Stephan de Leuw. Jetzt kommen dieselben Gäste, nur sind sie eben drei Jahre älter geworden. Die heute 18-Jährigen orientierten sich eher in Richtung der Großraum-Diskotheken im Umland. „Die haben uns gar nicht auf dem Schirm“, meint Svenja de Leuw.

Ändern könnte das das Konzept „Miet-Bar“. Demnächst soll im Baby Doll die erste Vor-Abi-Fete steigen. Aber auch für Betriebsfeiern oder Geburtstage kann der Club gemietet werden. Wer das tut, mietet „das ganze Konzept“, betont Svenja de Leuw, also nicht nur den Raum. Früher hatte das Betreiber-Paar solche Anfragen kategorisch abgelehnt, geändert hat es sich auch, „weil wir gemerkt haben, dass es in Wesel nicht mehr so viele Möglichkeiten gibt.“

Eigene Partys wird es aber auch weiterhin geben – am kommenden Samstag wieder eine Ü40-Party (hier gibt es Karten zu gewinnen) und am 23. Dezember den Klassiker „Coming Home“. Dann kommen viele bereits Verzogene über die Feiertage nach Hause, um noch einmal in ihrem alten Stammschuppen feiern zu gehen. Dem letzten Club der Stadt.