Wesel. In Wesel fehlt vielen Restaurants vor der Weihnachtszeit das Personal. Für Azubis ist die Branche unattraktiv geworden. Kaum Besserung in Sicht.
„Die Stelle für einen Koch oder einen Köchin habe ich seit über einem Jahr ausgeschrieben, da meldet sich niemand und ich rechne auch nicht damit“, sagt Felix Neu. Genauso sehe es mit einem Auszubildenden aus, den er gerne einstellen würde.
Dem Filialleiter des Restaurants Burger Nerds auf der Brückstraße in der Weseler Innenstadt geht es wie vielen seiner Kollegen: Er findet nach den langen, Corona-bedingten Schließungen kaum genügend Personal, um den Laden am Laufen zu halten. „Wir haben jetzt einige Aushilfen und Werkstudenten, darunter einen Koch, das klappt ganz gut, aber das sind ja keine langfristigen Beschäftigungsformen“, so Neu. „Wenn er sich morgen entscheidet zu gehen, kann ich nichts machen.“ Und natürlich müsse er sehr viel mehr zahlen als üblich.
Ohne eine höhe Bezahlung, das bestätigt auch Ullrich Langhoff, gehe es sowieso nicht. „Wir bezahlen schon lange übertariflich, sonst bekommst du niemanden“, sagt der Kreisvorsitzende des Gaststättenverbands Dehoga und Inhaber des Restaurants Lippeschlösschen. „Alle, die während der Coronazeit abgewandert sind, kommen auch nicht mehr zurück, sie sind längst in anderen Sparten fest angestellt.“
Gastronomie in Wesel: Not vor dem Weihnachtsgeschäft ist groß
Deswegen sei die Not gerade jetzt vor dem so wichtigen Weihnachtsgeschäft besonders groß. „Jetzt ist eigentlich die Zeit, die Umsätze zu generieren, die vorher ausgefallen sind“, so Langhoff. Das sei aber schwierig, wenn die Erwartungen der Gäste teils nicht erfüllt werden könnten und diese nicht zufrieden seien. „Das kennt jeder, wenn das Essen lange auf sich warten lässt oder der Service schlecht ist, kommt man nicht wieder“, sagt der Gastwirt.
Die Situation gerade sei daher ein Teufelskreis. Aber: „Ich bin seit 35 Jahren im Geschäft und in dieser Zeit konnten wir noch nie alle ausgeschriebenen Stellen besetzen“, so Langhoff. Sorge mache ihm dennoch, dass es so wenige Azubis wie nie gebe. „Vor Corona galt die Gastronomie als krisensicher, jetzt ist die Branche vielen jungen Menschen zu unsicher geworden“, schildert er. Das gelte insbesondere für den Servicebereich.
Dehoga-Vorsitzender: Image der Gastronomie ist schlecht
Fürs Lippeschlösschen sucht er bereits seit zwei Jahren Azubis im Service. „Dabei ist die Vergütung nahe an der in der Industrie, wir haben zwei Ruhetage, planbare Arbeitszeiten ohne viele Überstunden und auch ansonsten gute Rahmenbedingungen“, meint Langhoff. Und die Aussichten für Azubis seien super. „Sie können kreativ arbeiten, ins Ausland gehen, in der Hotellerie, Gastronomie und im Catering gibt es viele interessante Möglichkeiten und die Aufstiegschancen sind sehr gut.“
Doch das Image sei einfach zu schlecht. „Eine Ausbildung im Restaurant will gerade keiner machen. Jungen Menschen ist eine sichere Freizeitgestaltung wichtig und die glauben sie in der Gastronomie nicht zu bekommen.“ Von der Arbeitsagentur erhalte er derzeit nur Angebote von Interessierten, die aus Marokko oder Tunesien hierher gekommen sind. „Aber der Aufwand sich um Sprachunterricht, eine Unterkunft und vieles mehr zu kümmern, ist wahnsinnig hoch“, so Langhoff. So bleibe es erst einmal beim Personalmangel und er arbeite deswegen mehr als je zuvor.
Freie Wochenenden oder Urlaube gibt’s gerade nicht
Auch Jörg Bluhm, der die Szenekneipe „Kornmarkt by Blühmi“ betreibt, arbeitet gemeinsam mit seiner Frau und den zwei erwachsenen Töchtern mehr denn je. „Wir haben nun zwar junge Aushilfen gefunden, aber die können wir ja nicht alleine in der Gaststätte lassen“, so Bluhm. Das heiße, freie Wochenenden oder Urlaube seien derzeit nicht möglich. „Das ist schon anstrengend.“ Und im kommenden Jahr sei keine Besserung zu erwarten. „Dann sind die Aushilfen mit der Schule fertig und ziehen zum Studieren weg oder beginnen eine Ausbildung und ich muss wieder neue Hilfe suchen“, erklärt er.
Über die Arbeitsagentur findet er keine neue Angestellten. „Das klappt nur über die soziale Medien“, sagt Bluhm. Doch auch wenn er die Löhne anhebe, bleibe das Problem der Arbeitszeiten. „Wir schenken um 1 Uhr das letzte Getränk aus, doch vielen Angestellten ist das zu spät – und den Gästen zu früh“, so der Wirt. „Die werden dann schon mal unfreundlich und wollen wissen, ob wir keine Lust mehr zum Arbeiten haben.“