An Rhein und Ruhr. Wegen der hohen Corona-Zahlen werden Diskotheken in NRW wieder geschlossen. Das Unverständnis dafür seitens Inhabern und der Dehoga NRW ist groß.

„Absolut wütend“ ist Martin Mettlach schon bei dem Gedanken daran, sein Lokal Hinz und Kunz in Dinslaken wieder schließen zu müssen. Denn die 17 Monate ohne Gäste während der Pandemie haben dem Dinslakener Oldieclub bereits schwer zugesetzt. Hätte er im September nicht wieder öffnen dürfen, wäre es finanziell bereits jetzt eng geworden, schildert der Betreiber. „Eine erneute Schließung würde uns sehr stark treffen.“ Doch genau das plant die Landesregierung umzusetzen, um das hohe Infektionsgeschehen in NRW zu stoppen. Über die Luca-Warn-App sei in den Clubs und Bars ein signifikantes Infektionsgeschehen messbar gewesen, begründet die Landesregierung diesen Schritt.

Dank einer Gaststättenlizenz hätte das Hinz und Kunz eigentlich auch im vergangenen Lockdown geöffnet bleiben dürfen. Damals verzichtete Mettlach noch – aus Solidarität und, weil es noch keinen Impfstoff gab. Das ist jetzt anders: „Ich werde darauf pochen, meinen Laden offen zu lassen. Wenn nötig auch mit meinem Rechtsanwalt.“

In Bars und Club in NRW galt bisher die 2G plus-Regel

Im Vergleich zum vergangenen Jahr sei der größte Unterschied die Sicherheit beim Feiern. Noch gilt in Bars und Diskotheken nämlich die 2G plus-Regel. Gäste müssen nicht nur eine Impfung, sondern gleichzeitig auch einen negativen Corona-Schnelltest vorweisen. Die gibt es im Testbus direkt vor der Kneipe Hinz und Kunz. Zusätzlich werde alle fünf Minuten die Luft im Raum ausgetauscht, wie Mettlach erklärt: „Das ist der sicherste Ort zum Feiern.“ Sein Lokal würde dazu beitragen, dass sich Leute testen lassen und so Infektionen bemerken und so „nicht zur Verbreitung“ beitragen. Bars und Clubs zu schließen, treibe Feierwillige wieder in private Räume. Dorthin, wo keine Impf- oder Testnachweise kontrolliert werden. Ebenfalls Sorgen macht sich Martin Mettlach um die Zukunft seiner Mitarbeiter. Gerade erst habe er „für viel Zeit und Geld“ 15 neue Kräfte eingearbeitet. Die bekäme er nach einem Lockdown aller Voraussicht nach nicht wieder.

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Von Tobias Blasius, Katrin Figge, Tatjana Tempel

Ein Problem, das auch Thomas Kolaric umtreibt. „Die Betriebe stehen bei Wiedereröffnung vor einem Scherbenhaufen“, kritisiert der Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Nordrhein (Dehoga). Das Kurzarbeitergeld reiche für viele Beschäftigte schlicht nicht aus, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Daher suchen sich viele Arbeitskräfte eine neue Stelle in einer anderen Branche. Auch Unternehmer würden während der Schließung auf Hartz IV-Niveau verwiesen. „Das ist unwürdig“, meint Kolaric.

Dehoga NRW macht großes Unverständnis für die Maßnahme deutlich

Dass die Clubs und Diskotheken womöglich bald wieder schließen müssen, hält der Dehoga-Chef für „massiv ungerecht“. Dieser Schritt würde die Branche zum „Sündenbock für verfehlte Politik“ machen. Wäre die Impfquote bereits deutlich höher, würden solch drastische Maßnahmen schließlich nicht diskutiert werden. Die Argumente, die Ministerpräsident Hendrik Wüst in dieser Diskussion nenne, stießen bei Kolaric auf großes Unverständnis. Jener hatte nämlich angemerkt, dass in Clubs und Diskotheken über die Luca-Warn-App ein signifikantes Infektionsgeschehen messbar gewesen sei.

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Im vergangenen Oktober haben die Gesundheitsämter bundesweit rund 130.000 Warnungen über die App an Besucher von Clubs und Bars gesendet. „Das entspricht einem Anteil von rund 72 Prozent aller via Luca ausgespielter Warnungen in diesem Zeitraum“, schreibt das Unternehmen in einer Pressemitteilung. Zum Vergleich: Bei Einzelhandel, Kino-, Theater-, Museums- und Cafébesuchen waren es lediglich 8.058 Warnungen, die bundesweit rausgingen. „Wenn man aber weiß, dass die App fast ausnahmslos in diesen Betrieben eingesetzt wird, muss man sich nicht wundern, dass daher die meisten Nachrichten kommen“, gibt Koralic zu bedenken.

Land NRW verlängert finanzielle Hilfen

Das Land versucht derweil die bereits angeschlagene Branche mit der Verlängerung der finanziellen Hilfsmitteln, bis Ende 2021, zu unterstützen. Dies komme auch vielen Clubbetreibern zugute, denn Unternehmen mit coronabedingten Umsatzeinbußen von mindestens 30 Prozent könnten auch in der aktuellen vierten Welle Fixkostenerstattungen erhalten, teilt das NRW-Wirtschaftsministerium auf NRZ-Anfrage mit.

Zudem seien die Fristen für die Schlussabrechnung bei den bisherigen Überbrückungshilfen auf den 31. Dezember 2022 verlängert worden. Bei der NRW-Soforthilfe bleibt für mögliche Teilrückzahlung bis Ende Oktober 2022 Zeit. Die Empfänger der Soforthilfe könnten darüber hinaus bis zum Abschluss des Förderverfahrens eine mögliche Rückzahlung auch in Teilen oder mehreren Einzelüberweisungen vornehmen, ohne sich dazu mit dem Land abstimmen zu müssen, heißt es.