Wesel. Kleingärten sind so beliebt wie nie – auch wegen Corona. Der Stadtverband der Weseler Kleingärtner hatte jetzt für zwei Parzellen 140 Anfragen.

Raus an die frische Luft, das ist in diesen, vom Coronavirus geprägten Monaten, immer ein guter Gedanke. Ein Spaziergang im Park, eine Wanderung durch den Wald oder ein Aufenthalt auf dem Balkon beziehungsweise im Garten tun einfach gut. Wer eine kleine grüne Lunge sein Eigen nennt, kann sich freuen. Wer nicht, ist momentan vielfach auf der Suche danach.

Der Stadtverband Wesel der Kleingärtner bekommt das seit langem zu spüren. Kaum ist eine ihrer in der Regel zwischen 300 und 400 Quadratmeter großen Parzellen in einer der neun Weseler Anlagen frei, stehen die Interessenten quasi Schlange.

Eva Marschall, Schriftführerin beim Stadtverband und Vorsitzende des Kleingartenvereins Römerwardt, kann ein Lied davon singen. Kürzlich hatte sie zwei Parzellen online im Angebot und es gab sage und schreibe 140 Anfragen. Ein Großteil der Bewerber kam allerdings gar nicht erst in Frage, denn im Kleingartenverein gelten Regeln, die eingehalten werden müssen.

Bundeskleingartengesetz und Gartenordnung

„Man kann einen Kleingarten nicht mit einem Garten am Haus vergleichen,“ sagt Eva Marschall. Dafür sorgt schon allein das Bundeskleingartengesetz und vor Ort die Gartenordnung. Danach muss mindestens ein Drittel der gepachteten Fläche mit Obst und Gemüse bewirtschaftet werden, auf einem Drittel können Ziergehölze stehen und der Rest ist für den reinen Freizeitbereich mit Laube, Wegen und Kinderspielgeräten reserviert.

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Eva Marschall hat die Erfahrung gemacht, dass das so mancher nicht weiß. Solche Familien träumen nicht nur vom geselligen Grillen unter freiem Himmel, sondern auch vom Pool. „Doch da wird’s schon schwierig“, mahnt sie. Denn der Erholungswert in einer solchen Anlage steht ganz oben. Es soll ruhig zugehen und deshalb ist in Wesel lediglich ein Bassin mit maximal 2,60 Meter Durchmesser bei einer Höhe von 60 Zentimetern möglich.

Gesunde Ernährung

Eva und Robert Marschall – er ist erster Vorsitzender des Kleingärtner-Stadtverbands – verbringen jede freie Minute in ihrem grünen zweiten Zuhause in der Anlage Römerwardt. Beide schätzen die gesunde Ernährung, die daraus resultiert, das soziale Leben, die Ruhe und den Frieden vor Ort. „Ungespritztes Gemüse ist heute unbezahlbar“, sagt die begeisterte Kleingärtnerin und schildert, wie es oft bei den Marschalls zugeht: „Ich geh’ mit dem Topf durch den Garten und suche mir mein Mittagessen zusammen.“ Und nicht nur das. Das Angebot reicht fast fürs ganze Jahr.

Überhaupt seien die Weseler Kleingärten – im Gegensatz zu manch riesiger Anlage im benachbarten Ruhrgebiet – richtig idyllisch. „Wesel ist da supertoll aufgestellt.“ Immerhin verfügt die Kreisstadt über 258 Kleingärten in den neun Anlagen, die quer übers Stadtgebiet verteilt sind. Bis vor kurzem waren es noch sechs Parzellen mehr, doch für die im Bau befindliche Südumgehung musste ein Garten im Lippeblick weichen, fünf waren es bei Theodor Eickhoff.

Generationenwechsel vollzogen

Momentan können die Kleingartenanlagen nicht von Fremden besucht werden, was Corona geschuldet ist. Deshalb sollten sich Interessenten telefonisch melden (siehe Text unten). Dann kann alles besprochen werden, auch mögliche Wartezeiten. Denn der jüngste Generationenwechsel sei nun vollzogen, weiß Eva Marschall, was es nicht einfacher macht, zumal momentan das Dreifache der sonst üblichen Anfragen eingeht und in den letzten drei Jahren zehn Parzellen neue Pächter gefunden haben.

Dabei muss die Nachbarschaft auch stimmen. Darauf legt man Wert, um den Frieden zu bewahren. „Wer passt in welche Ecke“, sei dann immer die Frage. Dabei gibt es dennoch Probleme, wenn sie manchmal auch nur rein sprachlicher Natur sind. Die Hälfte der Kleingärtner haben mittlerweile ausländische Wurzeln, kommen aus Syrien, Polen, Russland oder der Türkei.

Aus allem ein Glas

Doch so schön diese Vielfalt sei, die meisten sprächen kein Deutsch, was mit dem Beginn der Corona-Pandemie besonders deutlich geworden sei. Die ausgehängten Schilder zur Abstandsregel und anderem wurden von ihnen schlichtweg nicht verstanden. Eine weitere Folge dessen sei, dass es mittlerweile Probleme gibt, Menschen für den Vorstand zu finden.

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Die Marschalls haben ihre Aufgaben an der Spitze der Kleingärtner vor sieben Jahren übernommen und sind mit Leib und Seele dabei. Sie werden weitermachen, werden Jahr für Jahr ihre Nutzflächen bepflanzen, pflegen und ernten. „Man macht irgendwie aus allem ein Glas“, freut sich Eva Marschall auf die Ernte ihrer Arbeit und kann sich ein Leben ohne Kleingarten gar nicht mehr vorstellen.

Das sind die neun Kleingartenanlagen in Wesel

Die älteste Kleingartenanlage ist nur einen Steinwurf vom Rhein entfernt: Römerwardt, Rheinpromenade. 1939 entstanden hier die ersten Kleingärten, wobei die Lauben während und nach dem Krieg zu Notunterkünften wurden. Heute sind auf dem Gelände 22 Parzellen. Nicht weit entfernt ist der Kleingartenverein Fischertor, Fischertorstraße. Seit über einem halben Jahrhundert wird hier in den Gärten gewerkelt, auf 34 Parzellen.

1967 gründete Theodor Eickhoff die Kleingartenanlage Oberndorfstraße - Süd. Mit 74 Parzellen auf 24.000 Quadratmetern ist dies die größte Anlage in Wesel.

Ein gepflegter Kleingarten in der Anlage Römerwardt in Wesel.
Ein gepflegter Kleingarten in der Anlage Römerwardt in Wesel. © FUNKE Foto Services | Markus Weissenfels

Neun Parzellen hat die Kleingartenanlage Lippeblick auf dem Fusternberg zu bieten. Gegründet wurde sie 1982.

Im selben Jahr wurde die Kleingartenanlage an der Nordstraße eingeweiht. Sie beherbergt 24 Kleingärtner auf zwei unterschiedlichen Arealen.

Der Kleingartenverein „Am Tannenhäuschen“ wurde vor über 50 Jahren gegründet. Hier sind 42 Gärten zu finden.

18 Parzellen gibt es in der Kleingartenanlage Gleisdreieck in der Feldmark – und das seit 1976.

Die Kleingartenanlage Am Fänger ist die jüngste in der Kreisstadt. Sie existiert seit 1994 und bietet Platz für 28 Kleingärtner.

Das kleinste Areal für Kleingärtner liegt mit sechs Parzellen zwar an der Oberndorfstraße, die Eingänge in die Gärten befinden sich aber an der Stralsunder Straße.

Wer sich für einen Kleingarten in eine der Anlagen interessiert, sollte über den Stadtverband Wesel der Kleingärtner Kontakt aufnehmen ( Telefon 0281/1644752 ). Dann wird die gewünschte Verbindung hergestellt.

Zurzeit besteht keine Besichtigungsmöglichkeit der Kleingartenanlagen wegen Corona.

Übrigens: Der Stadtverband möchte die so langsam in die Jahre gekommenen Anlagen auf Vordermann bringen. „Wir freuen uns sehr, dass die SPD und die Stadt Wesel uns dabei sehr hilfreich unterstützen und hoffen, dass wir bald loslegen können“, sagt Eva Marschall.