Wesel. Die großen Fraktionen im Stadtrat fürchten, der Klimanotstand könnte Projekte und Entwicklungen verhindern. Sie haben einen anderen Vorschlag.
Einige Städte wie Hamminkeln haben bereits den Klimanotstand erklärt – und auch in Wesel haben Aktivisten der „Friday-for-Future“-Bewegung einen solchen Antrag bei der Stadt eingereicht. Doch die Fraktionen von SPD und CDU haben sich darauf verständigt, dem nicht zuzustimmen. Nicht, weil sie den Ernst der Klimaproblematik anzweifeln, wie Jürgen Linz (CDU) und Norbert Meesters (SPD) betonen, sondern weil sie Diskussionen über das Verbot von Osterfeuern und Feuerwerken nicht führen wollen. „Der Begriff Notstand verunsichert und ängstigt die Menschen“, sagt Jürgen Linz. Beide Fraktionen haben einen eigenen Antrag formuliert, der das Ziel hat, durch diverse Maßnahmen eine „klimagerechte Stadtentwicklung“ voranzutreiben.
Linz und Meesters betonen, dass sie Respekt vor der Friday-For-Future-Bewegung und ihren Anliegen haben. „Sie haben das Thema in die Mitte der Gesellschaft getragen“, lobt Norbert Meesters. Die Erklärung des Notstandes könnte Projekte behindern, fürchten die beiden großen Fraktionen im Stadtrat. Im Entwurf für den Ratsbeschluss heißt es: „Die Sorge dafür, den Menschen in der Stadt bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, müsste beispielsweise ebenso hinten angestellt werden wie die Förderung des Wirtschaftsstandortes zur Sicherung der Arbeitsplätze in der Stadt“.
Entwicklungen in Wesel sollen nicht behindert werden
Linz erklärt die Denkweise der Fraktionen so: „Wir wollen nicht durch einen Klimanotstand alle Entwicklungen verhindern, sondern die Stadt klimafreundlich entwickeln“. Meesters verweist darauf, dass Deutschland in Sachen Klimaschutz schon einiges erreicht hätte, auch wenn das selbst gesteckte Ziel, bis 2020 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen, verfehlt werde.
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Der geplante Ratsbeschluss der großen Fraktionen ist somit die Antwort auf den Klimanotstands-Antrag, den CDU und SPD nicht einfach nur ablehnen wollen, wie sie erklären. Meesters: „Auch wenn die Stadt das Problem nicht alleine lösen kann, wollen wir unseren Teil tun“. So heißt es in dem Entwurf, dass die Veränderungen des Klimas „ernsthafte Maßnahmen“ erfordern, um die Klimaziele von Bund und EU zu erreichen. Umwelt- und Naturschutz, soziale Sicherung und das Funktionieren des Wirtschaftsstandortes müssten allerdings beachtet werden.
Vorschläge für klimafreundliche Maßnahmen
Was die beiden Fraktionen unter „wirksame und zielführende Maßnahmen“ verstehen, haben sie separat aufgelistet – zum Teil seien hierzu schon Anträge gestellt oder werden es noch. CDU und SPD wollen unter anderem den Rückbau von versiegelten Flächen (zum Beispiel an der alten B 58 in Büderich) oder den Ausbau des Ladesäulen-Angebots sowie alternative Energieversorgung allgemein forcieren, den öffentlichen Nahverkehr und Elektrobusse fördern und dabei auch über das Stadtbus-Konzept diskutieren, das Radwegenetz ausbauen, mehr Park- und Fahrradabstellplätze am Bahnhof installieren oder energiesparendes Bauen in städtischen Liegenschaften und deren Töchtern vorantreiben.
Klimafreundlicher Kombibad-Bau in Wesel
Im Ausbau des Rhein-Lippe-Hafens, dem der Rat bereits zugestimmt hat, sehen die Fraktionen die Möglichkeit, Gütertransport von der Straße aufs Wasser zu verlagern. Für das geplante Kombibad wollen CDU und SPD eine „maximale Selbstversorgung des Energiebedarfs“ erreichen.
Dieser Neubau wäre, so das Argument der Fraktionen, mit einem Klimanotstandbeschluss gar nicht mehr möglich.
Konkrete Zeiträume, wann und wie diese Maßnahmen angegangen werden sollen, nennen die Fraktionen nicht. Doch im Schrank verschwinden soll der Beschluss nach der Zustimmung im Rat auf keinen Fall, versprechen Linz und Meesters.
>> Politik diskutiert Anträge zu Klima und Klimanotstand
Über den Antrag „Klimagerechte Stadtentwicklung“ sollen die Fachausschüsse und der Rat Wesel in der nächsten Sitzungsfolge beraten und entscheiden. Die Ratssitzung ist am 17. September geplant. Mit dem Bürgerantrag zum Klimanotstand beschäftigt sich zunächst der Haupt- und Finanzausschuss am 3. September.