Oberhausen. Die monatelange Sperrung der Essener Kanalbrücke über die Autobahn A42 bringt Handwerksfirmen ins Schleudern. Die Geldverluste sind enorm.
Die seit Mitte Dezember gesperrte Essener Kanalbrücke auf der Autobahn A42 verursacht so hohe wirtschaftliche Schäden bei vielen Unternehmen, dass die Kreishandwerkerschaft Oberhausen/Mülheim den Druck auf die schwarz-grüne Landesregierung erhöht. „Das kann so nicht bleiben, da muss eine schnelle Lösung her“, fordert Kreishandwerksmeister Jörg Bischoff im Gespräch mit der Redaktion. „Das Ganze wirkt sich grausam aus, das ist skandalös. Denn an der Kanalbrücke passiert bisher gar nichts.“
Risse an einigen Hängern der Kanalbrücke bereits im Herbst 2023 festgestellt
Dass die 1970 erbaute, einteilige Stabbogenbrücke zwischen Bottrop und Essen über den Rhein-Herne-Kanal seit Jahren ziemlich angeschlagen ist, war den Fachleuten bekannt. Die Autobahn GmbH Westfalen hatte deshalb die Brückenbauteile in immer kürzeren Abständen kontrolliert. Bei der vorgezogenen Hauptprüfung im Oktober 2023 wurden bereits Risse an einigen Hängern festgestellt: Das ist die Verbindung zwischen Bogen und Fahrbahnplatte.
Mitte Dezember 2023, bei einem erneuten Blick der Experten auf die Risse, entschied die Bundesbehörde, die Kanalbrücke aus Sicherheitsgründen für viele Monate für den Verkehr komplett zu sperren. Nun soll die alte Brücke durch Schweißarbeiten bis April 2024 stabilisiert und auch danach per neuer Schrankenanlage dauerhaft keine Laster über 3,5 Tonnen mehr durchgelassen werden. Zugleich dauert der notwendige Bau einer Brücke mehrere Jahre, da auch noch viele Versorgungsleitungen verlegt werden müssen.
„Die Autobahn-Vollsperrung hat katastrophale Auswirkungen auf unsere Unternehmen“, sagt Barbara Yeboah, langjährige Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft. „Wir müssen schon seit Jahren die Kaiserberg-Baustelle ertragen, da herrscht immer Stau. Man kommt nun aber nach der Brückensperrung in dieser Region nirgendwo mehr durch. Es müssen Alternativlösungen geprüft werden.“ Dazu gehöre auch, dass sich die Landesregierung eine Zweitmeinung von Gutachtern einholt, ob das Risiko eines Brückeneinsturzes wirklich so hoch ist und ob die alte Brücke nicht schneller und besser stabilisiert werden kann.
Hört man sich um, so steht in Kreisen von Unternehmern und Wirtschaftsorganisationen ohnehin der Verdacht im Raum, dass die erst 2018 gegründete Autobahn GmbH als zentrale Bundesbehörde wenig Verständnis für die regionalen Mobilitätsbelange hat und hier bei der Brücken-Vollsperrung übervorsichtig handelt.
Yeboah befürchtet sogar, dass der wirtschaftliche Schaden für die Handwerksbetriebe durch die Staus so groß ist, dass sich die Pleite-Gefahr erhöht. „Die vielen Staus durch die Blockade der Autobahn kostet die Firmen unglaublich viel Geld, weil die Handwerker statt auf der Baustelle zu arbeiten, im Stau stehen. Die Preise für die tatsächliche Arbeitsstunde aber können nicht einfach zulasten der Kunden erhöht werden. Und die Rücklagen nach Pandemie und Energiekostenkrise sind in vielen Unternehmen aufgezehrt.“
Bauunternehmer Geese beziffert finanziellen Verlust auf 100.000 Euro – in einer Woche
Die Geldeinbußen durch seine Handwerker im Stau beziffert Diplom-Ingenieur und Geschäftsführer Peter Geese vom großen Oberhausener Bauunternehmen „Geese-Bau“ mit über 100.000 Euro innerhalb von nur einer Woche nach der Vollsperrung. Dabei sei noch nicht berücksichtigt, dass sich oftmals an den Baustellen die Anlieferung von Material, etwa Beton, massiv verspäte, sodass man nicht weiterarbeiten könne.
„Die A42 muss sofort freigegeben werden, zumindest einspurig in jede Fahrtrichtung inklusive Lkw – wenn dies nicht möglich ist, dann muss wenigstens die Freigabe für den Verkehr bis 7,5 Tonnen erfolgen. Eine Lösung muss in kompetente Hände gegeben werden, die den schon angerichteten volkswirtschaftlichen Schaden minimieren“, fordert Geese in einem öffentlichen Schreiben strikt. „Die Mittel für eine aufwendige Fahrzeug-Wiegeanlage können gespart werden, da für die gleiche Summe die Brücke notgesichert werden kann, bis die Planungen und Sanierungen abgeschlossen sind.“ Der Bauunternehmer schlägt eine Eingreiftruppe aus verschiedenen Experten vor, die sich um das Problem sofort und schnell kümmert. Zudem müsse die Politik die Vergabe- und Genehmigungsverfahren durch Sonderregelungen beschleunigen.
Kreishandwerksmeister Bischoff: Ausweichstrecken funktionieren nicht
Dass die von den Behörden vorgeschlagenen Ausweichstrecken über die Autobahnen A2 im Norden Oberhausens oder über die A40 im Süden in der Praxis wenig erfolgversprechend sind, hat Jörg Bischoff, Inhaber einer Traditionsfleischerei, immer wieder am eigenen Leib erfahren oder erlebt er mit seinen Angestellten. „Bei einer Lieferung nach Essen waren aus dem Oberhausener Norden zwei Leute von mir drei Stunden lang unterwegs; ich selbst bin nur zum Süden im Stadtgebiet zweieinhalb Stunden im Auto gewesen.“
Oberhausen ist nach Beobachtung des Kreishandwerksmeisters schon seit langem durch die vielen Autobahn-Baustellen beeinträchtigt. „Die quälen sich alle über die Mülheimer Straße von der A40 zur A42 oder A2 quer durch Oberhausen und verstopfen unsere Straßen. Die Brückensperrung hat nun das Fass zum Überlaufen gebracht.“ Die Lage sei durch die Stausituation für viele Betriebe ernst. „So kann man Aufträge nicht mehr wirtschaftlich abwickeln.“
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