Oberhausen. Die Städte müssen bis 2027 eine Fernwärmeplanung für ihr Stadtgebiet vorlegen, erst dann greift die Heizungspflicht. Oberhausen hinkt hinterher.
Wer sich entscheiden muss, mit welcher Energiequelle er in Zukunft sein Haus, sein Bürogebäude heizt, muss Kenntnis über alle Möglichkeiten haben – vor allem über Vorteile wie Nachteile klimafreundlicher Alternativen von Gas und Öl. Deshalb verschaffen die zahlreichen Änderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) den Immobilieneigentümern eine Atempause.
Denn erst müssen die Kommunen eine verbindliche Planung vorlegen, in welchen Straßen künftig Fern- und Nahwärmeleitungen verfügbar sein werden. Danach tritt die Pflicht für Hauseigentümer ein, nach einer Havarie der alten Öl- und Gasanlage eine Heizung einbauen zu müssen, die mindestens 65 Prozent regenerativ Wärme erzeugt. Die so geänderte Novelle des GEG, also des Heizungsgesetzes, ist Anfang Juli vom Bundeskabinett durchgewinkt worden und soll im September vom Bundestag beschlossen werden.
Einbau neuer Öl- und Gasheizungen im Altbau bleibt noch erlaubt
Demgemäß bleibt bis zur fixen Wärmeplanung der Städte sogar noch der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen nach Experten-Beratung erlaubt – ob das allerdings, finanziell betrachtet, so klug ist? Denn der beabsichtigte starke Aufschlag eines CO2-Preises für fossile Brennstoffe wird Heizöl und Gas spätestens ab 2027 mit Beginn des Börsenhandels der Preiszertifikate extrem verteuern. Fachleute haben errechnet, dass sich der Preis für eine Tonne Kohlendioxid von 25 Euro auf 200 bis 300 Euro mindestens verachtfachen könnte. Eine Untersuchung des Klima- und Wirtschaftsforschungsinstituts MCC Berlin ermittelte dadurch für Familien im städtischen Mehrfamilienhaus innerhalb eines Zeitraumes von 20 Jahren bei einer Ölheizung eine Mehrbelastung von über 18.500 Euro, bei Gasheizungen über 15.000 Euro.
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Die Stadt Oberhausen jedenfalls steht mit ihrer kommunalen Wärmeplanung noch ganz am Anfang. Durch das neue Gebäudeenergiegesetz wird die Großstadt allerdings verpflichtet, spätestens 2027 ein klares Konzept vorzulegen, wo und wie Wärmenetze gebaut werden. Bei der Fernwärme wird im Prinzip durch ohnehin vorhandene Abwärme von Industrieanlagen und Müllöfen Wasser zum Kochen gebracht und sehr heiß in dick eingehüllten unterirdisch verlegten Rohren in die Haushalte geliefert.
Die Rathaus-Spitze hat nun über ihre Pressestelle ankündigen lassen, dass sie die kommunale Wärmeplanung 2022 zwar schon ein wenig begonnen hat, aber erst im nächsten Jahr so richtig loslegt, indem sie die Zusammenarbeit mit der zuständigen Energieversorgung Oberhausen (EVO) intensiviert. Auf die Frage, ob es Stadt oder EVO versäumt haben, rechtzeitig die Fernwärme auszubauen, antwortet der neue EVO-Manager Timm Dolezych im ausführlichen Interview mit dieser Redaktion sehr diplomatisch. „Ich schaue lieber nach vorn.“
Wärmeplanung bedeutet für die Kommunen einen großen finanziellen und personellen Aufwand
Nach Darstellung des Deutschen Städtetages geht es vielen Kommunen in Deutschland so: In einer Umfrage haben zwar die meisten der beteiligten 119 Mitgliedsstädte angegeben, an einer Wärmeplanung zu arbeiten, doch die Hälfte von ihnen hat erst einmal begonnen, sich und andere zu koordinieren. Denn viele Beteiligte müssen an einen Tisch gebracht werden: Eigentümerverbände, Wohnungsgenossenschaften, Unternehmensvertreter, die Energieversorger, Städteplaner und Baufachleute. Schließlich müssen eine Menge Straßen aufgerissen werden – ein Kraftakt für die Tiefbaubranche und für die Anwohner. Nur jede fünfte Stadt hat bereits Phase 4 einer Wärmeplanung erreicht, und setzt diese nun um.
Die Kommunen klagen darüber, dass der Aufwand, so viele Akteure unter einen Hut zu bringen, sehr groß ist – und dass ihnen für eine Wärmeplanung Geld und Personal fehlen. Aber was muss, das muss: Die Mehrheit der Städte will für die Wärmeplanung fünf Stellen einrichten, zwei Drittel rechnen mit Kosten für die Planerstellung von bis zu 200.000 Euro. Der gesamte Prozess der Wärmeplanung soll zwei bis drei Jahre dauern.
Heizung und Strom: Wichtige Artikel zu vielen Energiefragen
In diesen Zeiten zunehmender Klimakrise, hoher Energiepreise und rätselhafter Gesetzesreformen haben wir für Oberhausener Bürgerinnen und Bürger zahlreiche Artikel zum Energie-Thema recherchiert und geschrieben, die Hintergründe, Analysen und orientierende Basis-Informationen bieten. Hier ein Überblick:
Berichte zu Heizungen, Warmwasser und privater Stromerzeugung:
Heizungsgesetz: Die zehn wertvollsten Energieberater-Tipps
Energieversorger: Zu wenig Zeit für Ausbau der Fernwärme
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Oberhausen: Das sagen Schornsteinfeger zum Heizungsgesetz
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Für welches Haus sich eine Photovoltaik-Anlage lohnt
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Strompreise steigen für Nachtspeicher-Heizung überaus stark
Energie sparen – Verbraucherzentrale Oberhausen gibt Tipps
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Berichte zur Energieversorgung Oberhausen (EVO):
Börsenpreise sinken: Doch EVO verbilligt Gas und Strom nicht
Energiemanager: Gas und Strom kosten auch künftig viel Geld
Energieversorger Oberhausen: Gewinn bricht massiv ein
Neuer Energie-Manager löst EVO-Urgestein Hartmut Gieske ab
Doch ob Fernwärme oder Nahwärme – in vielen Städten wird das Wasser noch nicht komplett mit regenerativen Quellen erhitzt, sondern auch durch Gas oder Öl. Das Gebäudeenergiegesetz verpflichtet die Energieunternehmen, das Wasser in den Fernwärmeleitungen ab 2030 zur Hälfte, und ab 2045 komplett aus erneuerbaren Energien oder/und unvermeidbarer Abwärme heißzumachen. Bis dahin wird auf den Anteil der fossil erzeugten Wärme der Fernwärmenetze beim Endverbraucher ein CO2-Zuschlag erhoben – eben in dem Maße, wie noch fossile Energie verwendet wird.
EVO-Fernwärme stuft das Unternehmen als besonders umweltfreundlich ein
Die EVO-Fernwärme steht nach Angaben des Unternehmens schon heute sehr gut da: Nur 13 Prozent an Primärenergie (also fossile Stoffe wie Kohle, Gas oder Öl) setzt der Versorger für jede Kilowattstunde Fernwärme ein. Der Rest wird umweltfreundlich erzeugt durch die bei der Stromproduktion ohnehin anfallende Abwärme, durch die Abwärme von Chemiewerk OQ Chemicals (vormals Oxea) und der Müllverbrennungsanlage GMVA sowie durch das Biomasse-Kraftwerk in Sterkrade.
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Trotzdem ist der anfängliche Aufpreis für den Kohlendioxid-Ausstoß nicht zu unterschätzen. So hat das größte Oberhausener Fernwärmenetz einen CO2-Faktor von 73g/kWh. Pro 1000 Kilowattstunden gelieferter Fernwärmeenergie muss der EVO-Kunde 9,30 Euro extra zahlen, das macht bei einem Jahresverbrauch von 30.000 Kilowattstunden 278 Euro im Jahr aus. Wenn die EVO es schafft, das Fernwärmewasser komplett regenerativ zu erhitzen, würde der CO2-Zuschlag ab diesem Zeitpunkt auf 0 Euro fallen.
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Für EVO-Manager Timm Dolezych ist die Ertüchtigung der Fernwärme jedenfalls ein Schlüsselprojekt: „Wir müssen jetzt erst einmal sehen, woher wir die Wärme beschaffen. Wenn das Wasser für die Fernwärme mit einem Kohlekraftwerk erhitzt wird, dann kommen wir bei der Dekarbonisierung nicht viel weiter. Deshalb muss die Ausbauplanung der Fernwärme Hand in Hand gehen mit der Frage, woher die Wärme kommt.“ Deshalb lässt die EVO jetzt Geothermie-Projekte im Stadtgebiet erforschen: Aus mehreren Hundert Metern Tiefe soll die Erdhitze nach oben geholt werden.
>>>>INFO: Infos zur Heizung der Zukunft einholen
Wie dem auch sei: Schon heute sollten sich also Hauseigentümer aus finanziellen und klimatechnischen Gründen mit ihrer Heizungsvariante der Zukunft beschäftigen. Wer an einer Straße mit einer Wärmeleitung der EVO liegt, kann bei dem Unternehmen schon einmal einen Kostenvoranschlag für einen Anschluss hereinholen. Eine aktualisierte EVO-Karte auf der Internetseite „evo-energie.de“ zeigt an, wo überall im Stadtgebiet Fernwärmeleitungen liegen: https://www.evo-energie.de/fileadmin/user_upload/Contentseiten-Bilder_evo/Fernwaerme/FW_UEbersicht_Schema_Gesamt2021_Web_Anzeige.pdf.
Weitere Informationen erteilt auch das Team des Klimaschutzmanagements der Stadt Oberhausen unter der Rufnummer 0208-825-3569 oder per E-Mail an klimaschutz@oberhausen.de.
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- Teil 7: Neue Regeln für 2023: Die wichtigsten Steuertipps
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