Mülheim. Die 49. Mülheimer Theatertage sind gestartet. Rainald Goetz‘ „Baracke“ eröffnete den Wettbewerb der besten neuen Theaterstücke – und kam gut an.

Mit einem starken Stück starteten am Samstagabend die 49. Mülheimer Theatertage. „Baracke“, das aktuelle Bühnenwerk des feinsinnigen Gegenwartsbeobachters Rainald Goetz, könnte zu den Favoriten des spannenden Autoren-Wettbewerbs werden, bei dem in jedem Jahr die besten neuen deutschsprachigen Theatertexte präsentiert werden.

Eines vorweg: Es gab Längen im zweieinhalbstündigen Eröffnungsstück. Doch der vielschichtige Text konnte in den meisten Momenten fesseln. Weil er so viele Gedankenstürme bietet, so viele Anknüpfungspunkte zur Reflexion, dass es im Kopf des Zuschauers und der Zuschauerin gewittert. Weil der Text scharfsinnig wie verwirrend ist und unterschiedlichste Emotionen weckt. Zum Fürchten, zum Weiterdenken, aber auch zum Lachen ist das, was Goetz in seiner unnachahmlichen Sprache mit verschiedenen Sprechweisen da abbildet und zur Diskussion stellt.

Der Autor des Eröffnungsstücks „Baracke“: Rainald Goetz.
 
Der Autor des Eröffnungsstücks „Baracke“: Rainald Goetz.   © Max Zerrahn

Autor Rainald Goetz war schon drei Mal Preisträger in Mülheim

Mal sind seine Dialoge aus dem Leben abgeschaut, dann führen assoziativ aneinandergereihte Worte auf eine ganz andere Ebene, die sich zur politischen, sozialen, psychologischen, philosophischen Analyse hin öffnet. Nicht selten erfreut man sich an den wunderbaren Wortschöpfungen des Autors oder an seinen schlagwortartig rhythmisierten Sätzen.

In der Geschichte geht es um die junge Ostdeutsche Bea, um ihre Beziehungen mit Ramin und Uwe, um das Verlieben und Verliebtsein (die „Du-Ich-Attraktion, intra-atomar“) und das, was später aus den beiden Verbindungen wird. Dass diese scheitern, liegt laut Autor an der unterschiedlichen Prägung, die ein jeder aus seiner Familie mitbringt. Und diese Familie ist für Goetz (schon immer) die Keimzelle von Konflikt und Hass. „Alle Gewalt geht von der Familie aus“ ist der zentrale Satz des Stückes. Der Autor geht so weit, dass er die Geschichte der drei jungen Leute und die Szenen einer Ehe voller Unterdrückung mit den Morden des rechtsterroristischen NSU verknüpft.

Eheleute in der Biedermeier-Zeit: Szene aus „Baracke“ von Rainald Goetz, dem Eröffnungsstück der Mülheimer Theatertage.
Eheleute in der Biedermeier-Zeit: Szene aus „Baracke“ von Rainald Goetz, dem Eröffnungsstück der Mülheimer Theatertage. © Thomas Aurin

Großartiges Ensemble aus Berlin ist zu Gast in Mülheim

Die Inszenierung der Schweizerin Claudia Bossard, die auf großartige Schauspieler des Deutschen Theaters Berlin bauen kann, ist unterhaltsam und weitet mit einem vielgestaltigen Bühnenbild, mit Schaukastentheater, dem Setting in einem Museum, mit Ölgemälden von Familien, Rückblenden in die Biedermeier-Zeit und Videoeinspielungen den Blick über die erzählte Geschichte hinaus. „Die Idee ist größer, als die Toxik in der konkreten Familie aufzuzeigen. Es geht auch darum: Wie befreie ich mich von meiner Vergangenheit?“, erklärte Bossard in der anschließenden Diskussion in der Mülheimer Stadthalle. Auch die deutsche Geschichte und die Vergiftungen in der heutigen Welt klingen immer wieder mit.

Weitere sechs Stücke werden in den kommenden drei Wochen in Mülheim zu erleben sein. Theatertexte von wichtigen Dramatikerinnen und Dramatikern der Gegenwart werden von Fachjury und Publikum bewertet. Der mit 15.000 Euro dotierte Mülheimer Dramatikpreis und der Publikumspreis werden am 25. Mai vergeben. Marc Buchholz, Mülheimer Oberbürgermeister, pries zu Beginn des Abends den Wert des Festivals für die Bürgerinnen und Bürger seiner Stadt: „Höchste kulturelle Qualität vor der Haustüre“.

Vorjahressieger Jeß, Schimmelpfennig und Popov in Mülheim geehrt

„Mülheim ist wieder das Epizentrum des zeitgenössischen Theaters“, erklärte Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, und zeigte sich erfreut darüber, wie viele neue Stücke 2023 entstanden sind. In einer Zeit, in der die Kunstfreiheit von vielen Seiten besorgniserregend in Frage gestellt werde, müsse man die Demokratie und die Kultur schützen. „Freiheit wird im Theater zelebriert, wir brauchen es in seiner Radikalität“, erklärte sie.

Mit Sekt stoßen zum Auftakt der 49. Mülheimer Theatertage in der Stadthalle in Mülheim die Vorjahressieger an: Roland Schimmelpfennig (Kinderstücke), Caren Jeß (Dramatiker- und Publikumspreis, Mitte) sowie Vidina Popov (SchauspielerInnenpreis des Theaters an der Ruhr).
Mit Sekt stoßen zum Auftakt der 49. Mülheimer Theatertage in der Stadthalle in Mülheim die Vorjahressieger an: Roland Schimmelpfennig (Kinderstücke), Caren Jeß (Dramatiker- und Publikumspreis, Mitte) sowie Vidina Popov (SchauspielerInnenpreis des Theaters an der Ruhr). © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Vor der ersten Aufführung wurden die Sieger des letzten Jahrgangs von einfallsreichen Laudatoren gewürdigt und ausgezeichnet. Karin Jeß nahm den Dramatikpreis und den Publikumspreis 2023 für „Die Katze Eleonore“ entgegen, Roland Schimmelpfennig den Kinderstückepreis für „Das Märchen von der kleinen Meerjungfrau“. Die junge Schauspielerin Vidina Popov bekam den Gordana-Kosanovic-SchauspielerInnenpreis des Theaters an der Ruhr (Mülheim). Autor Roland Schimmelpfennig hob in diesem Rahmen hervor, wie wichtig das Theater als „Austausch- und Begeisterungsort“ sei, das geförderte Theater sei um jeden Preis erhaltenswert.

Informationen zum Gesamtprogramm der Mülheimer Theatertage gibt es auf stuecke.de

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