Mülheim. Sieben Spitzenreiter gehen bei den 49. Mülheimer Theatertagen an den Start. Folgende Autorinnen und Autoren präsentieren ihre aktuellen Stücke.

Das Stücke-Auswahlgremium der 49. Mülheimer Theatertage hatte es schwer: „Es gab weit mehr einladenswerte Stücke als die sieben, die nominiert werden konnten“, so Sprecher Franz Wille. Vom 4. bis 25. Mai sind also die besten Werke aus einem starken Jahrgang zu sehen. Die Autorinnen und Autoren konkurrieren um den mit 15.000 Euro dotierten Mülheimer Dramatikerpreis, einen der wichtigsten Preise der deutschen Theaterlandschaft. Mit den sieben Uraufführungen aus 2023 sind renommierte Theater und große Schauspielerinnen und Schauspieler zu Gast, zum Beispiel Lina Beckmann oder Dimitrij Schaad.

„Baracke“ von Rainald Goetz

„Baracke“ von Rainald Goetz in der Uraufführung des Deutschen Theater Berlin eröffnet das Festival. Scharfsinnig, mit sensiblem Sprachgefühl und großer Menschenkenntnis porträtiert Rainald Goetz, der zum sechsten Mal in Mülheim nominiert ist, eine Familie. Sein Stück erzählt dabei die Geschichte der Liebe über gut dreißig Jahre, also eine Generation, hinweg. Es berichtet von Geheimnissen, Gewalt im Verborgenen – dem Schweigen der Väter und der Erstarrung der Mütter. Jüngere Vergangenheit und Gegenwart verdichten sich, es entstehen Analogien bis hin zum rechtsterroristischen NSU. „Goetz’ Sätze flitzen herum wie die Kugeln in einem Spielautomaten. Manche schießen knallend ins Hirn, manche treffen ins Herz“, beschreibt es Christine Dössel aus dem Auswahlgremium. „Baracke“ sei eine inszenierte Revolte des Sprechens gegen das Schweigen.
Samstag, 4. Mai, 19.30 Uhr, Stadthalle

Autor Rainald Goetz nimmt mit „Baracke“ an den Mülheimer Theatertagen 2024 teil. Die Iszenierung des Deutschen Theaters Berlin eröffnet die Mülheimer Theatertage.
Autor Rainald Goetz nimmt mit „Baracke“ an den Mülheimer Theatertagen 2024 teil. Die Iszenierung des Deutschen Theaters Berlin eröffnet die Mülheimer Theatertage. © Thomas Aurin

„Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt“ von Felicia Zeller

„Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt“ ist Felicia Zellers Annäherung an ein oft tabuisiertes Thema: die Gewalt gegen Frauen in allen gesellschaftlichen Schichten. Die Suche nach Auswegen, nach Rettung. Ausgangspunkt waren dabei Interviews mit ehemaligen und aktuellen Bewohnerinnen eines Frauenhauses, der Leiterin, Opferschützerinnen und einer Rechtsanwältin. Felicia Zeller, bereits zum siebten Mal in Mülheim nominiert, entwickelt auf dieser Grundlage eine ganz eigene Kunstsprache, Vokabular und Sprachmelodie entstehen aus den Biografien. Sie nähert sich dem Thema damit „ungemein vielschichtig“, wie Christina Wahl (Auswahljury) betont. „Antrag“ ist mehr als ein Recherche-Projekt, nämlich „ein drängendes, poetisches, selbstermächtigendes Stück, das Strukturen und Schicksale eines unsäglichen Phänomens beleuchtet“. (Inszenierung: Theater Oberhausen).
Sonntag, 5. Mai, 19.30 Uhr, und Montag, 6. Mai, 19.30 Uhr, Theater an der Ruhr

Autorin Felicia Zeller stellt einen „Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt“. Mit ihrem neuen Stück ist sie für die Mülheimer Theatertagen 2024 nominiert. Das Theater Oberhausen hat es insziniert. 
Autorin Felicia Zeller stellt einen „Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt“. Mit ihrem neuen Stück ist sie für die Mülheimer Theatertagen 2024 nominiert. Das Theater Oberhausen hat es insziniert.  © Axel J. Scherer

„Laios“ von Roland Schimmelpfennig

„Laios“ ist ein rasantes Solo der Schauspielerin Lina Beckmann – entstanden am Deutschen Schauspielhaus Hamburg als Teil der Mythen-Serie „Anthropolis“. Der Autor ist in Mülheim bestens bekannt: Roland Schimmelpfennig ist zum neunten Mal nominiert. Voriges Jahr gewann er den KinderStückePreis. Geschaffen hat er einen multiperspektivischen Monolog, der den verschiedenen Mythenvarianten über Laios, den Vater von Ödipus, nachgeht. Wie viel Schuld wird vererbt, wie viel Freiheit bleibt dem Einzelnen? „In der kongenialen Solo-Performance der Ausnahme-Schauspielerin Lina Beckmann wird aus ‚Laios‘ ein furioser Abend über das Erzählen selbst, der auch zum diesjährigen Theatertreffen nach Berlin eingeladen wurde. Denn wie Beckmann hier die hellste Freude an konkurrierenden Plots entfacht und auf offener Bühne die immense Verführungskraft einer guten Story zeigt, das (....) spielt schlichtweg in einer ganz eigenen Liga“, so Christina Wahl (Auswahlgremium).
Dienstag, 7. Mai, 19.30 Uhr, Stadthalle

 „Laios“ lautet der titel von Rolad Schimmelpfennigs euem Stück. Das Deutsche SchauSpielHaus Hamburg gastiert damit bei den Mülheimer Theatertagen 2024.
 „Laios“ lautet der titel von Rolad Schimmelpfennigs euem Stück. Das Deutsche SchauSpielHaus Hamburg gastiert damit bei den Mülheimer Theatertagen 2024. © Monika Rittershaus

„Juices“ von Ewe Benbenek

„Juices“ ist das zweite Stück von Ewe Benbenek – und wieder ist sie eingeladen. Mit ihrem Debüt „Tragödienbastard“ gewann sie 2021 direkt den Mülheimer Dramatikpreis. „Juices“ erzählt vom Leben ohne sicheren Anker, vom Ankommen und Nicht-Ankommen als Gastarbeiter(kind) – und von Erfolgsgeschichten, die ohne ein bisschen Ausbeutung unmöglich gewesen wären… Benbenek berichtet vom Putzen und Spargelstechen, (Angst)Schweiß und (Existenz)Tränen, „Juices“ eben, die oft im Verborgenen fließen. „Wie davon erzählen, wenn man keinen Leidenskitsch verbreiten will, nicht in die Klassismusklischees rutschen will, keinen ‚Working-Class-Erinnerungsporn‘ schreiben will?“ hat sich Benbenek laut Franz Wille (Auswahjury) gefragt. Und eine furiose Antwort gefunden! Inszenierung: Nationaltheater Mannheim.
Donnerstag, 9. Mai, 19.30 Uhr, und Freitag, 10. Mai, 19.30 Uhr, Theater an der Ruhr

 „Juices“ von Ewe Benbenek ist für die Mülheimer Theatertage 2024 nominiert. Zu sehen ist die Inszenierung des Nationaltheaters Mannheim.
 „Juices“ von Ewe Benbenek ist für die Mülheimer Theatertage 2024 nominiert. Zu sehen ist die Inszenierung des Nationaltheaters Mannheim. © Maximilian Borchardt
 Falk Richters Beitrag zu den Mülheimer Theatertagen 2024 heißt „The silence“. Die Berliner Schaubühne hat es inszeniert und kommt an die Ruhr.
 Falk Richters Beitrag zu den Mülheimer Theatertagen 2024 heißt „The silence“. Die Berliner Schaubühne hat es inszeniert und kommt an die Ruhr. © Gianmarco Bresadola

„The silence“ von Falk Richter

„The Silence“ von Falk Richter ist ein sehr persönliches Stück: Der Autor (zum 3. Mal nominiert) entwickelt es nicht nur aus seiner Biografie, sondern schreibt sich und seine Eltern auch in den Text, führt bei der Uraufführung (mit dem vielfach preisgekrönten Schauspieler Dimitrij Schaad) an der Berliner Schaubühne selbst Regie und ist gemeinsam mit seiner Mutter in Video-Einspielungen zu sehen. Dabei nimmt Falk Richter jahrzehntelang unausgesprochene Wahrheiten und Traumata in den Blick. Wie haben sich die Gräuel, die sein Vater im Krieg erlebte, in die Familiengeschichte eingeschrieben, wie das Trauma der Vertreibung? Wie wurde die schon im Teenager­alter sich abzeichnende schwule Identität des Autors von den Eltern unterdrückt? Wie setzt sich die erlebte Unterdrückung in den eigenen Beziehungen des Autors fort? „Ein großartiges Zeugnis deutscher Familiengeschichte“, so Stephan Reuter vom Auswahlgremium.
Samstag, 18. Mai, 19.30 Uhr, Stadthalle

Tickets und Abos

Mehr Informationen und die Tickets gibt es unter stuecke.de sowie bei der Touristinfo Mülheim, Schollenstraße 1, 0208-960 960, und in der vier.zentrale, Leineweberstraße 15-17.

Zudem bietet gibt es zwei Abonnements zu vergünstigten Preisen: 7 von 7: 20 % Rabatt auf den Gesamtpreis beim Kartenkauf für alle Stücke. 4 von 7: 10 % Rabatt beim Kauf von Karten für mindestens vier Stücke.

Die Abos sind bei Claudia Link vom Theater- und Konzertbüro erhältlich: link@stuecke.de oder 0208 – 455 4114.

„forecast:ödipus“ von Thomas Köck

„forecast:ödipus“ bringt den zweifachen Dramatikpreis-Gewinner Thomas Köck, der auch schon den Publikumspreis des Festivals gewann, wieder nach Mülheim. Sein Stück ist ein „süffisant satirischer, durch und durch sprachmusikalischer Sophokles-Remix“, erklärt Auswahlgremiums-Mitglied Wolfgang Kralicek. Dabei geht es um die Frage, was oder wer eigentlich die Seuche ist, die alle bedroht. Kralicek: „Für Thomas Köck liegt die Tragik des Stoffs darin, dass insgeheim alle wissen, was gespielt wird – und trotzdem alle weiter mitspielen.“ Sehenden Auges in den Untergang also, während in Theben das Wasser knapp wird, die Temperaturen steigen. Regisseur Stefan Pucher hat aus der Uraufführung am Schauspiel Stuttgart eine witzige, bitterböse, vom Publikum gefeierte Bühnen-Show gemacht, bei der einem das Lachen immer wieder im Halse stecken bleibt.
Mittwoch, 22. Mai, 19.30 Uhr, Stadthalle

Thomas Köck nimmt mit „forecast:ödipus“ an den Mülheimer Theatertagen 2024 teil. Das Schauspiel Stuttgart zeigt das Stück.
Thomas Köck nimmt mit „forecast:ödipus“ an den Mülheimer Theatertagen 2024 teil. Das Schauspiel Stuttgart zeigt das Stück. © Katrin Ribbe

„Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert“

„Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert“ sorgt für die dritte Nominierung von Sivan Ben Yishai in Folge. 2022 hat sie den Dramatikpreis gewonnen, von den großen Bühnen ist sie mit ihren vielschichtigen Stücken, in denen sie pointiert Machtstrukturen und den Kulturbetrieb zerlegt, nicht mehr wegzudenken. Diesmal widmet sie sich einem modernen Klassiker – und beschreibt Henrik Ibsens „Nora“ als längst oben angekommene Solo-Show. Nora ist nicht mehr Opfer der Strukturen, jetzt hat sie mit ihrer erfolgreichen Bühnenshow selbst Strukturen geschaffen, in denen mancher, trotz bester Ausbildung, kaum ein Wort sagen darf… Ben Yishai kehrt die Verhältnisse um. „Es treten Dienstmädchen ins Rampenlicht, die im Personenverzeichnis nicht einmal einen Namen haben, Köche, die man im Original niemals zu Gesicht bekommt, und ein Paketbote, dessen ganzer Text aus dem Satz ‚50 Öre‘ besteht“, so Wolfgang Kralicek.
Inszenierung: Schauspiel Hannover.
Samstag, 25. Mai, 18 Uhr, Stadthalle

 „Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert“ bezieht sich auf Ibsens „Nora“. Das Theater Hannover zeigt bei den Mülheimer Theatertagen 2024 das neue Stück von Sivan Ben Yishai.
 „Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert“ bezieht sich auf Ibsens „Nora“. Das Theater Hannover zeigt bei den Mülheimer Theatertagen 2024 das neue Stück von Sivan Ben Yishai. © Kerstin Schomburg

Im Anschluss entscheidet am 25. Mai ab etwa 21 Uhr die Jury in öffentlicher Diskussion, wer den Mülheimer Dramatikpreis 2024 erhält. Zu Tickets und Abos - lesen Sie die Infobox.

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