Mülheim. Das „Rausch 2-Festival“ startet am 3. November im Theater an der Ruhr in Mülheim. Vier Premieren stehen an drei Wochenenden an – und vieles mehr.

Mit „Rausch 1“ startete das Theater an der Ruhr (TaR) im August in eine neue Ära, verabschiedete sich vom üblichen Spielplan und wagt den Neuanfang als Festivalstätte. Nach der Sommer-Edition draußen im Raffelbergpark folgt nun die Herbst-Winter-Variante (3. bis 19. November) im Theatergebäude. Das ganze Haus wird bespielt – vom Heizungskeller bis zum Dachgeschoss. Zu sehen und zu erleben sind hochinteressante und teils ungewöhnliche Veranstaltungen aus den Bereichen Theater, Performance, Tanz und Film, aber auch Lesungen, Diskussionen, Partys und Kunstinstallationen. Sie alle erkunden „diesen vielschichtigen Zustand jenseits unseres Normalbewusstseins“ – kurz: den Rausch.

Das Theaterfoyer wird jetzt schon hergerichtet. Das Bühnenbild für „State of Euphoria“, das am Freitag, 3. November, um 21 Uhr uraufgeführt wird, entsteht. Eine Art griechischer Tempel wurde errichtet, rosa-rote Palmen schmücken den Raum, ebenso aufblasbare Sitzmöbel und schrill leuchtende Schilder. „Ich versuche griechische Mythologie mit Las Vegas-Style, einer Neon-Ästhetik, zu verknüpfen“, erklärt Louisa Robin, freischaffende Bühnenbildnerin, die zuvor am Schauspiel Dortmund beschäftigt war.

Mülheimer Uraufführung kreist um Clubs als moderne Tempel

Um moderne Tempel geht es nämlich im Stück des Regisseurs Gordon Kämmerer, der u.a. viel in Leipzig und Dortmund inszeniert hat. Zusammen mit schillernden Gestalten der Nacht sollen sich die Zuschauerinnen und Zuschauer „auf einem theatralen Rave durch einen Party-Tempel bewegen. Denn in der Welt des Techno geben sich Menschen selbstverloren treibenden Rhythmen hin – bis zur Euphorie oder Ekstase und Erschöpfung. „Das kultige Treiben entfaltet sich zu Texten und Beats im Theaterraum und im Foyer“, kündigt Dr. Constanze Fröhlich, Dramaturgin und Sprecherin des TaR, an. Der Abend sei mehr als ein konventionelles Theaterstück, biete eine Verstrickung von Club-Abend und performativen Elementen.

Musiker Sascha Schreibvogel, Bühnenbildnerin Louisa Robin und Regisseur Gordon Kämmerer (v.l.) posieren in Requisiten für das Stück „State of Euphoria
Musiker Sascha Schreibvogel, Bühnenbildnerin Louisa Robin und Regisseur Gordon Kämmerer (v.l.) posieren in Requisiten für das Stück „State of Euphoria", das im Rahmen von „Rausch 2“ im Theater an der Ruhr in Mülheim uraufgeführt wird. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Zuschauerinnen und Zuschauer sind selbst Teil der Inszenierung – das Stück ist interaktiv angelegt. „Zu Beginn werden die Gäste initiiert, sie lernen Tanzschritte, bekommen ein Rave-Manifest mit auf den Weg. Wer nicht clubtauglich gekleidet ist, kann sich verkleiden oder auch schminken“, erläutert Gordon Kämmerer. Dann bewegt sich jeder Gast individuell durch das Geschehen – im ersten Teil der Performance zumindest. Der zweite Teil bietet dann szenisches Spiel. Im Zentrum steht ein Text von Rainald Goetz, dem Autor, „der untrennbar mit der Techno-Bewegung verbunden ist“. „Es ist dennoch ein zeitloses Stück, das zu jeder Zeit funktioniert“, so Gordon Kämmerer.

DJ Hundefriedhof legt im Theatersaal in Mülheim auf

Das Spiel paart sich mit Musik und choreographierten Elementen. Sascha Schreibvogel alias DJ Hundefriedhof (aus dem Hamburger Raum) wird einen Live-Set liefern, aus verschiedenen Sounds und Beats ergibt sich „eine Gesamtkomposition, die bei jeder Aufführung anders ist“, berichtet er. Er begebe sich „in eine Symbiose mit der Musik“ – verfalle also in einen Rauschzustand. „State of Euphoria“ endet in einer Party, bei der im Foyer immer freitags bekannte DJs aus Ruhrgebietsclubs auflegen. An den Samstagen schwärmen Theaterleute und Zuschauer gemeinsam aus und besuchen einen angesagten Club - etwa das Hotel Shanghai in Essen oder das Stapeltor in Duisburg.

„Wir wollen Hochkultur und Subkultur verbinden. Der Abend richtet sich ausdrücklich nicht nur an jüngere Leute, sondern auch an unser Stamm-Publikum, an ältere Zuschauer:innen, die das Clubleben bisher nicht kennen und so vielleicht zum ersten Mal erleben können“, sagt Constanze Fröhlich.

Mülheimer können Ritual der Sufi nachempfinden

Am 3. November (19.30 Uhr) hat aber auch noch ein weiteres außergewöhnliches Stück Uraufführung: „Shagaf/Singing Hearts“ ist ein „Versuch über die rituelle Tranceerfahrung der Liebe“. Die syrische Regisseurin Amal Omran und Ossama Mohammed widmen sich einem Ritual der Sufi-Gläubigen, die in der sogenannten Hadra gemeinsam atmend, singend und tanzend in Trance geraten und dabei ein entgrenztes Ich und die universelle Liebe erfahren. Das Regieteam wird eine moderne Hadra kreieren und das Publikum dabei mitnehmen.

Zwei weitere Premieren sind Koproduktionen. Das KGI - Büro für nicht übertragbare Angelegenheiten (9.11., 20 Uhr, Studiobühne im TaR) widmet sich einem Thema, das gerade erschreckende und traurige Aktualität erlangt hat: dem Antisemitismus. Ihre Produktion geht aber von einem bestimmten Ereignis und Stück („Heldenplatz“) aus. Thomas Bernhard untersuchte anhand der Geschichte einer jüdischen Familie in Wien das Ausmaß des Antisemitismus in 1988. Die Premiere am Burgtheater geriet bereits im Vorfeld zum großen Theaterskandal, sie konnte nur unter Polizeischutz stattfinden.

Dominik Meder (l.) und Simon Kubisch proben im Theater an der Ruhr Mülheim für das Stück „Escaping Heldenplatz
Dominik Meder (l.) und Simon Kubisch proben im Theater an der Ruhr Mülheim für das Stück „Escaping Heldenplatz", das im Rahmen von „Rausch 2“ aufgeführt wird. Die Zuschauer tragen bei der Aufführung zum Teil VR-Brillen, tauchen in einen „Alptraum des Unbewussten“ ein. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

KGI und Volxbühne kooperieren mit Mülheimer Theater an der Ruhr

In „Escaping Heldenplatz“, der Interpretation von KGI, begibt sich das Publikum nach dem szenischen Spiel auf eine Spurensuche des Skandals, aber auch des Antisemitismus von heute. Genutzt werden dabei VR-Brillen (Virtual Reality), deshalb können jeweils nur wenige Zuschauer eine Aufführung sehen. „Zum Stück gehört auch eine kleine Ausstellung mit Interviews und Artikeln, die damals in den Zeitungen erschienen sind. Sie sind im Büro des Geschäftsführers zu sehen ist“, kündigt die Performertruppe an.

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Die Volxbühne rückt in „Subcutis“ (16.11., 19.30 Uhr, Adolfstraße 89a) den „anhaltenden Rausch der Selbstoptimierung“ in den Fokus. „Neue technische Entwicklungen forcieren den Trend, dass sich immer mehr Menschen künftig Hightech-Gadgets unter die Haut werden einpflanzen lassen – und so die Membran (Haut), die die natürliche Grenze zwischen ihrem Körper und der Außenwelt darstellt, immer durchlässiger wird, heißt es in der Ankündigung. Das Zeitalter des Transhumanismus sei angebrochen.

Im Rahmen des Festivals wird „Ich, Antonin Artaud - Le Momo“ von Theatergründer Roberto Ciulli wiederaufgenommen. Außerdem gibt es Open-House-Sonntage und viele andere Kultur-Happen. Wir berichten darüber in Kürze.

Alle Theaterstücke werden mehrfach gezeigt, man kann auch zwei Produktionen an einem Abend zum ermäßigten Preis anschauen. Alle Termine finden Sie auf www.theater-an-der-ruhr.de. Dort, bei Reservix und unter 0208 5990188 können auch Tickets (20, 15, 9 Euro) erworben werden.