Mülheim. Im Duett mit Peter Alexander wurde „Leila Negra“ 1954 berühmt. In Mülheim kam sie zur Welt und sofort ins Kinderheim. Das ist ihre Geschichte.
Der Mülheimer Heimatforscher Dirk von Eicken, früher Mitbetreiber eines Kultur- und Geschichtsladens an der Oberstraße, liebt Mülheimer Geschichte(n) abseits des historischen Mainstreams. Eine davon hat er als Autor für den Geschichtsverein und dessen Internetseite recherchiert und aufgeschrieben. Im Interview erzählt er sie, die abenteuerliche und schillernde Story der 1930 in Mülheim geborenen Schwarzen Schauspielerin und Sängerin Leila Negra, alias Marie Nejar. Sie lebt heute hochbetagt in Hamburg.
Wie stießen Sie auf die Geschichte der Marie Nejar?
Mein Großvater Hermann Brückermann kannte den aus Kamerun stammenden Schwarzen Mülheimer Max Bissong, der Marie Nejar mit seiner Frau adoptieren wollte. Doch dazu kam es nicht, weil Maries Großmutter, die Artistin Marie Wüstenfeld, intervenierte und ihre Enkelin zu sich nach Hamburg holte. Dort ist sie dann auch aufgewachsen, zumal ihre Mutter schon 1940 an den Folgen einer Operation starb.
Wer war Maries Mutter? Warum wurde sie in Mülheim geboren? Und was hatte es mit ihrem verhinderten Adoptivvater auf sich?
Maries Mutter Cecile war Musikerin und Marie die uneheliche Tochter eines aus Ghana stammenden und in England lebenden Seemanns. Ihre Mutter wollte die Schwangerschaft geheim halten und hat ihre Tochter nach der Geburt am 20. März 1930 in einem Mülheimer Krankenhaus in einem Kinderheim an der Gracht abgegeben. Warum Marie in Mülheim zur Welt kam, ob zufällig oder am Rande eines Gastspiels, habe ich bisher nicht herausgefunden. Nach ihren ersten Lebensmonaten im Kinderheim wurde Marie dem Ehepaar Bissong übergeben, das seit 1927 am Hingberg lebte. Max Bissong war 1927 als Zirkusartist nach Mülheim gekommen. Später hat er auf Mülheimer Jahrmärkten Kokosnüsse verkauft. Seinen Lebensunterhalt verdiente er auch als Nachtwächter bei den Röhrenwerken. 1950 ist er in Mülheim gestorben.
Wie ging es mit Marie weiter?
Sie zog 1933 zu ihrer Großmutter nach Hamburg, wo sie auch die Schule besuchte. In ihrer Autobiografie („Mach nicht so traurige Augen, weil du ein Negerlein bist - Meine Jugend im Dritten Reich“) und in einem Interview mit dem WDR hat sie später berichtet, dass ihre Großmutter für sie Mutter, Vater und Oma in einer Person war, und dass sie im Hamburg der NS-Zeit unbehelligt die Schule besuchen konnte.
Das überrascht.
Als Schwarzes Kind hatte sie auch rassistische Anfeindungen zu erleiden und wurde vom Bund Deutscher Mädel (BDM) wegen ihrer Hautfarbe nicht aufgenommen. Aber sie hatte eben auch den Status der Exotin und wurde mit Zustimmung des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels als Statistin in Ufa-Filmen wie „Quax, der Bruchpilot“ mit Heinz Rühmann und „Baron Münchhausen“ mit Hans Albers eingesetzt.
Keine Empfehlung für eine Nachkriegskarriere im Showbusiness.
Nein. Marie arbeitete seit Kriegsende 1945 als Garderobiere in Hamburg. Nach dem Tod ihrer Großmutter hat sie sich ab 1949 als Zigarettenverkäuferin durchgeschlagen. In Timmendorfer Strand wurde ihre schöne Stimme 1950 bei einer Mikrofonprobe vom Musiker Horst Winter und dem Komponisten Michael Jary entdeckt, die sie als „Leila Negra“ unter Vertrag nahmen. Maries singende Stimme war bei der Mikrofonprobe nicht im Saal, aber auf der Terrasse der Strandbar zu hören. So glaubte man drinnen an einen Defekt, doch draußen war man begeistert und sagte: „Wir wollen dieses Mädchen heute Abend singen hören.“
Ein Karrierestart von Null auf Hundert...
Ja. Doch weil es damals das Massenmedium Fernsehen noch nicht gab - das erste Mülheimer Fernsehgerät wurde erst 1953 ausgeliefert -, musste sie zum Beispiel mit dem ebenfalls noch wenig bekannten Peter Alexander durch die Lande tingeln. Doch zwischen 1952 und 1957, damals trat sie auch im Löwenhof und im Handelshof auf, wurde sie als Leila Negra durch 30 Schlager und als Schauspielerin Marie Nejar in fünf Kinofilmen landesweit bekannt. Ihr bekanntester Schlager war sicher „Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere“, den sie unter anderem im Duett mit Peter Alexander 1954 auf der Leinwand gesungen hat.
Warum hat Marie Nejar ihre Showkarriere 1957 zugunsten eines bürgerlichen Berufslebens als Krankenschwester beendet?
Weil sie von ihren Produzenten auch mit Mitte 20 noch immer auf die Rolle des Kinderstars festgelegt wurde und mit einem Teddybären auftreten musste. Darauf hatte sie mit 27 Jahren keine Lust mehr, zumal sie damals keine Chance sah, sich künstlerisch weiterzuentwickeln. Und aus ihren späteren Interviews habe ich den Eindruck gewonnen, dass sie auch mit dem weiteren Verlauf ihres Lebens zufrieden ist.
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