Mülheim. Eine Mülheimerin (80) recherchiert die Geschichte ihrer Familie, die in Mülheim verwurzelt ist. Dabei macht sie einige unerwartete Entdeckungen.

Die in Speldorf aufgewachsene und heute in Saarn lebende Brigitte Lohmann schaut auf ein altes Foto. Es zeigt ihren 1874 geborenen und 1957 gestorbenen Großvater Emil Lohmann in einer Husarenuniform des kaiserlichen Garderegiments in Berlin. „Ein stattlicher Mann“, findet die 80-Jährige. Nachdem der Krieg und damit auch der Kaiser 1918 am Ende waren, wurde aus dem Husaren ein Gerbermeister. Er arbeitete in der Speldorfer Lederfabrik Hamann.

Dort, an der Hansastraße, lernten sich auch Brigitte Lohmanns Eltern kennen - der 1903 geborene und 1982 verstorbene Emil Lohmann und die 1906 geborene, 1975 gestorbene Johanna Maria van Hees. Das Elternhaus ihrer Mutter, ein unverwechselbares kleines Fachwerkhaus, steht bis heute an der Hansastraße vis-a-vis der ehemaligen Lederfabrik Hamann, die heute zur Seniorenresidenz Carpe Diem geworden ist.

Mülheimerin (80) arbeitet an ihrer Familienchronik

Nicht nur das Husaren-Foto aus dem Nachlass ihrer Eltern, sondern auch zahlreiche Gespräche mit alten Menschen und die intensive Beschäftigung mit dem Mölmsch Platt haben Brigitte Lohmann angetrieben, den historischen Spuren ihrer Familie nachzugehen. „Je mehr ich in die Geschichte meiner Familie einsteige, desto mehr begeistert es mich, etwas über meine Wurzeln zu erfahren“, sagt die 80-Jährige, während sie die auf ihrem Wohnzimmertisch ausgebreiteten Unterlagen betrachtet. Diese möchte sie zu einer kleinen Familienchronik zusammentragen und mithilfe des Geschichtsgesprächskreises Saarn auch veröffentlichen.

Die Mülheimerin Brigitte Lohmann (80) präsentiert das Familien-Stammbuch ihrer Eltern. Sie arbeitet an ihrer Familienchronik.
Die Mülheimerin Brigitte Lohmann (80) präsentiert das Familien-Stammbuch ihrer Eltern. Sie arbeitet an ihrer Familienchronik. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Fotos aus dem Familienalbum, ihr Familienstammbuch und Heiratsurkunden weisen ihr den Weg in das Leben ihrer Vorfahren. „Vor allem die Mitarbeitenden des Stadtarchivs und Friedrich Wilhelm von Gehlen vom Saarner Geschichtsgesprächskreis haben mir wichtige Hinweise für meine Spurensuche gegeben“, sagt Lohmann.

Straßennamen gab es 1861 in Speldorf noch nicht

Im örtlichen Buchhandel ist sie auf Bärbel Essers mehrbändige Dokumentation der Mülheimer Volkszählung von 1861 gestoßen. Unter den damals 2030 Speldorferinnen und Speldorfern finden sich dort in der „Sektion 141“ - Straßennamen gab es damals in Speldorf noch nicht - der 1820 geborene Schiffer Wilhelm Lohmann, seine 1816 geborene Frau Maria Berkhoff, sein 1844 geborener Sohn Emil, seine 1849 geborene Tochter Henriette, sein 1852 geborener Sohn Wilhelm, seine 1855 geborene Tochter Helene, sein 1857 geborener Sohn Hermann und seine 1859 geborene Tochter Maria.

Ein Jahr vor dem ersten Eisenbahnanschluss Mülheims verdienten noch viele Mülheimer ihren Lebensunterhalt als Schiffer, die bis 1890 auf ihren Ruhraaken vor allem Kohle transportierten. 1852 passierten mehr als 5000 Kohlenschiffe die Ruhr. 1884 waren es nur noch weniger als 90. Auch die alten Mölmschen wussten schon, was Strukturwandel bedeutet. Bild und Urkunden aus ihrem Familienarchiv zeigen Brigitte Lohmann, „dass meine Vorfahren 1890 von Ruhr- zu Rheinschiffern wurden, die zwischen Duisburg und Rotterdam mehr als nur Kohle transportierten“. Gerne erinnert sie sich an die Ausflüge mit ihrem Vater Emil Lohmann zum Duisburger Hafen. „Das brauchte er mindestens einmal pro Monat, um seinen Schifffahrtserinnerungen nachzuhängen“, erzählt Brigitte Lohmann.

Großvater mütterlicherseits war Fuhrmann

Nicht zu Wasser, sondern zu Lande beförderte ihr aus der niederländischen Provinz Gelderland stammender Großvater mütterlicherseits, Jan Johann van Hees, als Fuhrmann Güter aller Art. Er lebte mit seiner aus dem Elsass stammenden Frau Johanna Homberg und ihren sechs Kindern in der von 1878 bis 1903 selbstständigen Landbürgermeisterei Broich, zu der auch Speldorf und Saarn gehörten. „Ich bin viersprachig aufgewachsen“, sagt Brigitte Lohmann mit einem augenzwinkernden Rückblick auf ihre Eltern und Großeltern, bei denen Deutsch und Mölmsch Platt, aber auch Niederländisch und Französisch gesprochen wurde. „In meiner Familiengeschichte erkenne ich, dass es früher schon Migration gab, und dass sie bereichernd sein kann, wenn alle für ihren Lebensunterhalt arbeiten und dabei an einem Strang ziehen.“

Brigitte Lohmann als junges Tanzmariechen im Mülheimer Karneval: Auch dieses Bild findet sich in ihrem Familienalbum.
Brigitte Lohmann als junges Tanzmariechen im Mülheimer Karneval: Auch dieses Bild findet sich in ihrem Familienalbum. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Durch das Studium von Urkunden und Kirchenbüchern weiß die Mülheimerin auch, dass einer ihrer Vorfahren im Rahmen seines „Junggesellendienstes“ im frühen 18. Jahrhundert als Torwächter am Schloß Broich dienen musste. Brigitte Lohmann freut sich über alle Hinweise, die sie der Vollendung ihrer Familienchronik näherbringen. Außerdem sucht sie Freunde und Freundinnen der gesprochenen und gesungenen Mülheimer Mundart, die mit ihr einen neuen Mölmsch-Platt-Kreis gründen möchten. Das erste Treffen findet am 11. Januar 2024 um 18 Uhr in der Gaststätte Theatro an der Luxemburger Allee 27 statt. Wer Interesse hat, erreicht Brigitte Lohmann unter 0171-2056400.

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