Mülheim. Mithilfe eines Gehtrainers soll Fritzi aus Mülheim stehen und gehen lernen. Nur: Die Krankenkasse sträubt sich. Wie ihre Mütter nun kämpfen.

Beinahe ganz aufrecht hält sich das Mädchen in dem Gestell, das oben Gurte und unten Rollen hat. Die Füße der Dreijährigen, die in Orthesenschuhen stecken, suchen den Kontakt zum Boden, ganz allmählich kann sich das Kind so mithilfe des Geräts selbstständig fortbewegen. Für Fritzi, die einen seltenen Gendefekt hat und schwerbehindert ist, ein Meilenstein in ihrer Entwicklung - und ein Grund zur Freude für ihre Mütter. Allerdings ist der Weg zu einem Hilfsmittel wie dem Gehtrainer für die Mülheimer Familie ein steiniger.

Seit wenigen Wochen haben Lea und Silke Duckwitz einen Gehtrainer für ihre schwerbehinderte Tochter zu Hause, üben mit Fritzi, darin zu stehen und zu gehen, wann immer das Mädchen gut genug drauf ist dafür - wenn sie nicht gerade unter einem Infekt kränkelt oder von einem epileptischen Anfall geplagt wird. Die beiden Frauen waren mithilfe eines Kinderwunschzentrums Mütter geworden. Weil auch der Erzeuger des Kindes genau wie Lea Duckwitz Träger des seltenen Gendefekts SPATA 5 ist, ist Fritzi mehrfach schwerbehindert zur Welt gekommen.

Die dreijährige Fritzi aus Mülheim ist schwerbehindert und übt mit einem Gehtrainer

„Wenn sie eine gute Phase hat, klappt das mit dem Gehtrainer schon prima“, erzählt Lea Duckwitz und erklärt, aus welchen vielfältigen Gründen es für ihre Tochter wichtig ist, sich aufrecht halten und irgendwann möglichst eigenständig gehen zu können: „Die Aufrichtung ist für ganz viele Vorgänge im Körper entscheidend: Etwa für die Verdauung, fürs Schlucken, denn Fritzi hat auch eine Schluckstörung, und auch ihre Füße wachsen, seit sie aufrechter ist und anfängt zu gehen.“

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Aber auch für die Teilhabe sei es ein entscheidender Aspekt, findet die 41 Jahre alte Mutter, dass ihre Tochter, die einen Regel-Kindergarten besucht, ihren Freundinnen und Freunden in der Kita auf Augenhöhe begegnen kann. „Auch kognitiv im Kopf passiert einiges, wenn man buchstäblich eine andere Ebene erreicht.“

Mehr als klar erscheint es daher, dass die Dreijährige den Gehtrainer dringend braucht, um diese Fähigkeiten zu erlernen, zu trainieren und zu erhalten. Für die Krankenkasse allerdings scheint die Notwendigkeit des Hilfsmittels nicht so deutlich auf der Hand zu liegen, denn Duckwitz berichtet: „Wir müssen alles ganz genau dokumentieren und weiteres Video-Material einschicken, damit das Gerät bewilligt wird - zurzeit haben wir‘s nur zur Probe nach Hause bekommen.“ Ein langwieriges Procedere, das die Mütter bereits bei der Beantragung anderer Hilfsmittel leidvoll erfahren haben.

Training mit dem Geh-Gestell bedeutet für Fritzi anstrengende Arbeit - doch Erfolge sind sichtbar

Wenn‘s dem Mädchen gut geht, trainieren die Mütter mehrmals die Woche mit ihr in dem Gehtrainer, in dem Fritzi angeschnallt mit Gurten gehalten wird. Körperspannung aufzubauen, ihren Oberkörper und Kopf selbst halten zu müssen, ist anstrengend für das behinderte Mädchen. Doch die Mütter sehen bereits Erfolge: „Seit sie mehr steht und geht und öfter in der Aufrichtung ist - mit Hilfe des Gehtrainers oder auch mit unserer Hilfe - ist ihre Kopfhaltung schon viel besser geworden.“

Kleine Schritte, die für das schwerbehinderte Mädchen aber entscheidende sind, wie die Mütter betonen. Umso unverständlicher ist ihnen der Kampf mit der Krankenkasse, die weitere Begründungen braucht, um Fritzi den Gehtrainer zu bewilligen. „Das Gerät bleibt Eigentum der Krankenkasse, sie stellt es einem zur Verfügung, solange man es braucht“, macht Lea Duckwitz den Vorgang deutlich.

Mülheimer Verein Rolli Rockers Sprösslinge unterstützt Familie mit behindertem Kind

Der Verein Rolli Rockers Sprösslinge, der Fritzis Familie unterstützt, hatte in Aussicht gestellt, den Gehtrainer zu finanzieren, falls der Weg über die Krankenkasse versperrt bleiben sollte. Noch aber haben die Duckwitz Hoffnung, dass die Kasse das Hilfsmittel bewilligt.

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Für eine andere Einschränkung, die den Alltag von Fritzi und ihrer Familie immens beeinträchtigt, gibt es kein Gerät, kein Hilfsmittel, allenfalls Medikamente: die Epilepsie. Gerade, am 12. Februar, als Mülheim den Rosenmontag feierte, wurde weltweit der Tag der Epilepsie begangen. Alles andere als lustig stellt sich die Krankheit für Fritzi und ihre Familie dar. Die Mütter und Pflegekräfte überwachen rund um die Uhr ganz genau jede Reaktion des Kindes, dokumentieren Dauer, Häufigkeit und Art von Anfällen. Jede Zuckung der Dreijährigen versetzt sie in Alarmbereitschaft. Verschiedene Arzneien kommen tagtäglich zum Einsatz, um die Anfälle auszubremsen - manchmal aber hilft nur noch ein Notfallmedikament, das das Kind ruhig stellt. „Die Epilepsie ist unberechenbar und sie beeinflusst alles“, bedauern die Mülheimerinnen.

Behindertes Mädchen mit Gendefekt leidet auch unter Epilepsie

Wenn das „Epimonster“, wie Lea Duckwitz die Anfälle bezeichnet, Fritzi - und ihre Mütter - gerade in Ruhe lässt, sei ihre Tochter ein neugieriges, aufgewecktes Mädchen. Vor ein paar Tagen ist sie zum ersten Mal mit Hilfe ihrer Mutter zur Schublade gelaufen und hat einen Löffel geholt.

Mit dem Gehtrainer, den Fritzis Familie derzeit zur Probe zu Hause hat, übt das dreijährige Mädchen, sich aufrecht zu halten und selbstständig  zu gehen.
Mit dem Gehtrainer, den Fritzis Familie derzeit zur Probe zu Hause hat, übt das dreijährige Mädchen, sich aufrecht zu halten und selbstständig zu gehen. © Duckwitz | Duckwitz

Wie bei allen Eltern werden solche Erfolge bei den Duckwitz‘ gefeiert, auch wenn Lea Duckwitz sagt: „Die Entwicklung geht bei ihr langsam.“ Gute Phasen wie diese, kleine Fortschritte trügen sie durch die dunklen Nächte, in denen sie wegen der Atemaussetzer über Fritzis Schlaf wachen oder sie durch einen epileptischen Anfall begleiten müssen.

Umso mutmachender seien auch die aktuellen Rückmeldungen aus der Kita: „Fritzi möchte seit Kurzem unheimlich viel stehen - dann ist sie auf einer Augenhöhe mit den anderen“, freut sich Lea Duckwitz über die Teilhabe ihrer Tochter: „Gerade die Mädchen kommen und umarmen sie.“ Kein Wunder, dass Fritzi dann viel lacht. Deshalb hat sie jetzt in der Kita von ihrer Freundin einen neuen Spitznamen bekommen: Fritzi Fröhlich.

Benefiz-Aktion Jolanthe unterstützt Mülheimer Verein Rolli Rockers Sprösslinge

Unsere Zeitung unterstützt den Verein Rolli Rockers Sprösslinge in diesem Jahr im Rahmen der Aktion Jolanthe. Zum Auftakt wurde bei unserer Benefizveranstaltung „Neujährchen“ bereits eine Spendensumme von 1600 Euro eingespielt. Weitere 6800 Euro sind auf unserem Spendenkonto eingegangen. Wenn auch Sie die Arbeit des Vereins unterstützen möchten, können Sie an folgendes Konto spenden (Verwendungszweck „Rolli Rockers“): DE05 3625 0000 0175 0342 77, Sparkasse Mülheim.

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