Mülheim. Schwester und Bruder, inzwischen Teenager, müssen sich wegen der Enge in der Wohnung ihrer Eltern ein Bett teilen. Hier will Jolanthe helfen.

57 Quadratmeter – mehr Platz hat die Familie Khan nicht zum Leben. Gul Wali und seine Frau Kalsoom Bibi wissen sich keinen Rat mehr, wie sie für sich und vor allem für ihre beiden Kinder Aymma und Haris eine größere Wohnung in Mülheim finden sollen. Denn es sind vor allem die Geschwister, die unter der beengten Situation leiden. „Wir teilen uns ein Zimmer, was ja gar nicht schlimm ist, aber wir müssen auch in einem Bett schlafen, weil kein Platz für ein zweites ist“, erzählt die 14-jährige Aymma.

Seit sie auf die Welt gekommen ist, teilt sie sich mit ihrem ein Jahr jüngeren Bruder ein Bett – jetzt als Jugendliche, beschreibt sie, „will ich das nicht mehr“. Die 14-Jährige ist so etwas wie das Sprachrohr ihrer Familie. Gemeinsam mit ihrem Vater, der seit den 70er Jahren in Mülheim lebt, erzählt sie, warum die Familie es wirtschaftlich schwer hat, auf kleiner Fläche wohnen muss, nicht im Restaurant essen kann, die Kinder kein Taschengeld bekommen.

Mülheimer Geschwister wollen in Ruhe für die Schule lernen können

„Das ist nicht schlimm“, schiebt Aymma schnell hinter her – oft sagt die 14-Jährige diesen Halbsatz und man merkt, dass sie ihn nicht als Entschuldigung nutzt, sondern das Gesagte wirklich ernst meint. Ihr ist es nicht wichtig, auswärts zu essen und wenn sie mal etwas Geld braucht – „für Klamotten oder Schminke“ –, dann bekomme sie das von ihrer Mutter, betont die Jugendliche. Was sie aber nicht mehr will, ist so eng mit ihrem Bruder zusammenleben zu müssen. „Wir haben auch nur einen Schreibtisch“, sagt der 13-jährige Haris. Dabei müssen, wollen sie für die Schule lernen, ordentlich ihre Hausaufgaben machen – „auf dem Bett sitzen und schreiben, das geht nicht gut“, sagt Aymma.

Beide besuchen die Realschule Stadtmitte. Haris weiß noch nicht so recht, was er später einmal werden möchte, Aymma hat da schon konkretere Vorstellungen: „Ich würde gerne was im Büro machen, ich rede gerne mit Menschen, vielleicht auch Anwältin.“ Sätze wie diese machen ihre Mutter Kalsoom Bibi sichtbar stolz. Sie deutet auf ihr Kopftuch und sagt: „In Pakistan gehen Mädchen nicht auf die Straße, dort arbeiten Frauen nicht.“ Die 43-Jährige kam erst vor wenigen Jahren nach Deutschland, auch Aymma und Haris haben ihre ersten Lebensjahre noch in Pakistan verbracht. „Es war eine lange Anstrengung, um sie nach Deutschland zu holen“, sagt Vater Gul Wali Khan, der längst einen deutschen Pass hat.

Mülheimer hat sich kaputt gearbeitet, jetzt lebt seine Familie am Existenzminimum

Der 68-Jährige hat mit Kalsoom Bibi und den beiden Kindern sein spätes Glück gefunden, seine dunklen Augen leuchten, er strahlt, wenn seine Tochter redet, wenn sein Sohn von der Schule erzählt. In den 80er Jahren war der Mülheimer mit einer Deutschen verheiratet, hat mit ihr gemeinsame Kinder, die inzwischen erwachsen sind. „Nachdem die Beziehung in die Brüche ging, war ich lange alleine, habe in einem Ein-Raum-Apartment gewohnt und viele verschiedene Jobs gemacht“, berichtet der gebürtige Pakistaner. Zuletzt ist er rund zehn Jahre lang Taxi gefahren. Doch als das Herz nicht mehr mitspielte und er seinen Kunden Koffer oder Einkäufe nicht mehr die Treppen hochtragen konnte, musste er aufhören. Kürzlich ist er wieder operiert worden, diesmal am Knie, sein Rollstuhl parkt vorm Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz), das Gul Wali Khan seit Jahrzehnten betreut.

Gabi Spitmann, Beraterin im Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz), unterstützt Menschen, die arbeitslos sind oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Viele ihrer Klienten sind sogenannte Aufstocker – Geringverdiener, die ohne zusätzliche Sozialleistungen nicht über die Runden kommen.
Gabi Spitmann, Beraterin im Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz), unterstützt Menschen, die arbeitslos sind oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Viele ihrer Klienten sind sogenannte Aufstocker – Geringverdiener, die ohne zusätzliche Sozialleistungen nicht über die Runden kommen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wie bei so vielen ihrer Klientinnen und Klienten, die sich ihr Erwerbsleben lang mit Jobs – häufig nicht mal auf Mindestlohn-Basis – durchgeschlagen haben, ist auch die Rente von Gul Wali Khan mehr als knapp, weiß Malz-Beraterin Gabi Spitmann und ordnet ein: „Hier muss allerdings noch eine Familie mit schulpflichtigen Kindern davon leben.“ Die Eltern erhalten eine kleine Aufstockung übers Jobcenter – aber auch davon können sie keine großen Sprünge machen. Das wollen die Khans auch gar nicht, sie strahlen Zufriedenheit mit ihrem Familienleben aus. Bloß die Sache mit der Wohnung, die müsste sich ändern, da sind sich alle einig.

Gul Wali Khan will alles daran setzen, dass seine Kinder es besser haben als er. Seine Frau fügt hinzu: „Dafür brauchen sie Bildung.“ Ihr selber sei diese verwehrt geblieben, dort wo sie aufgewachsen ist, nahe der Grenze zu Afghanistan, die Bedrohung durch die Taliban zum Greifen nah war. Mühsam hat sie Deutsch gelernt. „Sie war zuvor nicht alphabetisiert“, kennt Gabi Spitmann die Bemühungen des Ehepaares, in Deutschland ein gemeinsames Leben zu führen.

Jüngere Frau pflegt ihren kranken Mann, die Rente reicht kaum zum Leben

Dass sie überhaupt zusammengefunden haben, verdanke er seiner Familie in Pakistan, erzählt Gul Wali Khan aus seiner traditionsreichen Heimat: „Sie haben nach der Scheidung gesehen, dass ich alleine war, ohne jemanden, der für mich sorgt – da haben sie mir sie vorgestellt.“ Heute lebt die Familie in der Mülheimer Innenstadt, die 43 Jahre alte Kalsoom Bibi pflegt ihren kranken Mann, geht einkaufen, weil der 68-Jährige zur Zeit nicht laufen kann und ohnehin nicht mehr schwer tragen darf.

„Ich hab Krankheiten, die man eigentlich erst mit über 80 hat“, bedauert der Familienvater und räumt ein: „Ich habe früher auch nicht immer gesund gelebt, zwar nie Alkohol getrunken, aber geraucht und nicht gut gegessen – und viel gearbeitet.“ Wäre er noch fitter, ist Gabi Spitmann vom Malz sicher, würde Gul Wali Khan auch mit seinen 68 Jahren noch unermüdlich arbeiten gehen, damit seine Familie ein gutes Auskommen hat. Seine körperlichen Einschränkungen aber hindern ihn daran.

Wer hat eine größere Wohnung zu passenden Konditionen für die Mülheimer Familie?

Damit seine Kinder aber mehr Ruhe zum Lernen haben, sucht er händeringend eine größere Wohnung. Gabi Spitmann verdeutlicht: „Als vierköpfiger Familie würden ihnen 95 Quadratmeter zu stehen, die inklusive Betriebskosten höchstens 782 Euro kalt kosten dürften.“ Nicht nur bei Familie Khan erlebe sie derzeit, wie schwer es Geringverdiener haben, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln eine Wohnung zu finden, sagt die Malz-Beraterin.

Hier soll Jolanthe einspringen, unsere Benefiz-Aktion, für die zahlreiche Mülheimerinnen und Mülheimer großzügig gespendet haben. Zwar hilft der Familie Khan eine finanzielle Unterstützung kurzfristig, was Jolanthe allerdings nicht in petto hat, ist eine größere Wohnung für die vier. Wer dazu einen Tipp hat, meldet sich bitte beim Mülheimer Arbeitslosenzentrum: 0208/32 521.

Betroffene erzählen – weitere Berichte über das Malz: