Mülheim. Mehrere tausend Mülheimerinnen und Mülheimer zeigten am Sonntag in der Innenstadt Gesicht für Vielfalt und gegen Rechts.
Auf dem Platz, auf der Straße, auf dem Radschnellweg stehen sie. Denn der Mülheimer Rathausmarkt reicht nicht mehr für die etwa 7000 Demonstrierenden, die am Sonntagnachmittag aufgestanden sind und gemeinsam deutlich machen: „Es reicht.“
Mit gut 600 hatte Veranstalterin Nadia Khalaf im Vorfeld gerechnet, als sie SPD-Co-Vorsitzende die Demo privat anmeldete. Doch bereits eine halbe Stunde vor dem für 15 Uhr angesetzten Beginn strömen die Menschen schon aus allen Richtungen gen Rathausmarkt. Die Parkplätze an der Stadthalle und am Ringlokschuppen sind bald überfüllt, eine lange Menschenschlange geht von dort aus über den Radschnellweg zur Innenstadt.
So lang ist der Protest-Zug, dass er fast wieder an sein Ende anschließt
Rund 7000 Mülheimer Demokraten demonstrieren gegen Rechts
Noch bevor sich dort der Protest-Zug formiert und in Bewegung setzt, wird vorne, auf den Stufen des Rathauses gesprochen. Doch bei dieser Menge versagt die Technik, es kommt nur wenig an. Gegen 15.20 Uhr setzt sich der Zug in Bewegung - über Bahnstraße, Kurt-Schumacher-Platz oder durch den Eppinghofer Tunnel, über Leinweber-, Ruhr- und Schollenstraße zurück zum Rathausmarkt.
So lang ist der Zug, dass sich die zurückkehrende Spitze dem Ende wieder hätte anschließen können. Er hat den Platz nur wenige Sekunden zuvor verlassen. Vier der Vielen, die sich bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und eisigen Temperaturen auf den Weg gemacht haben, sind Familie Paschke. Auf ihren Plakaten steht „Menschenrechte statt rechter Menschen!“, „Nazis hatten wir schon – war kacke!“ und „Rechts ist da, wo Hirne fehlen!“.
Deutliche Worte gegen Nazis und AfD
„Die AfD schadet uns nur“, sagt Vater Paschke. „Das ist keine Protest-Partei. Das sind Nazis.“ Gabriele und Franz Rauhut, dem Arbeitsleben bereits entwachsen, formulieren ähnlich klar. „Wir beide hassen Nazis.“ Die Leute hätten vergessen, was in Deutschland schon einmal passiert ist. „Damals ist der braune Mob durch die Städte gezogen“, erinnert Franz Rauhut. „Wir wollen ein Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung setzen.“ Auch ihre Plakate sprechen eine deutliche Sprache. „Rechts führt ins Verderben!“ und „Die braune Pest muss weg!“ ist dort zu lesen.
Plakat: Mülheim ist bunt
Doch die Plakate sind vielfältig, mal bunt („Lieber kunterbunt statt kackbraun“), deutlich („EkelhAfD“ oder „Remigriert Euch ins Knie“) und manchmal augenzwinkernd: „Wir könnten uns um schöne Dinge kümmern“, „Keine Böcke auf Bernd Höcke“ oder „Nazis? Hatten wir schon. War kacke.“ Doch offenkundig ist es vielen Menschen ein Bedürfnis, zu zeigen, dass sie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht dulden wollen.
„Ich bin glücklich“, lächelt eine dunkelhäutige Frau, die den langen Zug der Demonstrierenden stolz mit ihrem Handy filmt - Mülheimerin, Deutsche, Afrikanerin? Für die Demonstrierenden spielt das keine Rolle.
Deutliche Worte für Demokratie auf dem Rathausmarkt
Deutliche Worte finden auch die Redner auf dem Rathausmarkt. Rodion Bakum, der Vorsitzende der Mülheimer SPD, trat als Erster ans Mikrofon. Er sei „stolz und berührt“, dass seine „Heimatstadt heute aufgestanden“ sei und dankt allen Anwesenden dafür, dass sie mit ihrem Erscheinen ein deutliches Zeichen setzen.
Die AfD, das seien keine „Spinner irgendwo in Ostdeutschland“. „Nein, es sind viele. Es sind gebildete und gerissene Vertreibungsverschwörer. Sie haben Namen und Gesichter und sie sind mitten unter uns.“ Bakums Appell geht an alle. „Wir passen aufeinander auf! Wir stehen zusammen! Dies ist unser Mülheim! Wir verteidigen unsere Demokratie!“
Hasan Tuncer, der Vorsitzende des Mülheimer Integrationsrats, eröffnet seine Rede mit einem Zitat des Philosophen Karl Popper. „Die Freiheit hat viele Feinde, aber der gefährlichste Feind ist derjenige, der sie im Namen der Freiheit vernichten will.“ Das vom Recherche-Verbund Correctiv öffentlich gemachte Treffen hochrangiger AfD-Funktionäre, Identitärer und Mitgliedern der Werte-Union habe eine Ideologie offenbart, die an düstere Zeiten erinnere, so Tuncer. „Als Demokratinnen und Demokraten müssen wir entschieden gegen solche Ideologien vorgehen. Allen Faschisten und Rechtsextremisten sage ich: Dieses Land ist unsere Heimat und wir werden Teil dieses Landes bleiben. Ihr könnt machen, was ihr wollt – wir stehen für Demokratie und Vielfalt!“
OB Marc Buchholz: „Es ist unerträglich, Menschen mit Migrationshintergrund massenhaft ausweisen zu wollen“
Oberbürgermeister Marc Buchholz richtete als letzter der offiziellen Redner das Wort an die Demonstrierenden. Es sei wichtig, rechtem Gedankengut rechtzeitig entgegenzutreten. „Wir stehen hier, weil wir uns für Vielfalt, für Toleranz und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft verantwortlich zeigen.“ Es sei unerträglich, wenn eine Partei darüber nachdenkt, Menschen mit Migrationshintergrund massenhaft ausweisen zu wollen.
„Wir stehen hier: Weil es offensichtlich Freunde, Nachbarn, Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen gibt, die mit solchen Gedanken sympathisieren.“ Die Politik habe Teile der Menschen verloren. Es sei wichtig, diese Menschen aktiv zurückzugewinnen und politisch auf sie einzugehen.
„Alles ruhig und friedlich“, zeigt sich auch Mülheims Polizeisprecher Thomas Weise mit dem Verlauf der Demonstration aus Polizei-Sicht rundum zufrieden. „Wir haben in der Spitze 7000 Teilnehmende gezählt und es gab keinerlei Vorfälle.“
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