Mülheim. Erst haben sie ihn im Putsch vom Thron der Fraktion gestoßen, nun hat ein Rats-Trio der Mülheimer AfD von Wrese ganz verstoßen. Wie der reagiert.

Die AfD-Fraktion in Mülheims Stadtrat zeigt auch in ihrer zweiten Kommunalwahlperiode Auflösungserscheinungen. Im internen Zwist mit Ex-Fraktionschef Alexander von Wrese zog ein Fraktions-Trio nun einen Schlussstrich und verbannte ihren vor einem Jahr weggeputschten Vorturner endgültig aus ihren Reihen.

Es war eine bemerkenswerte „Pressemitteilung“, mit der der aktuelle Fraktionsvorsitzende Dominic Fiedler am vergangenen Donnerstag, nur wenige Minuten vor Mitternacht, und nur mit einem Adressaten, die Öffentlichkeit suchte. Mit einem Paukenschlag, der sonst nur Widerhall fand in einer gleichlautenden Mitteilung via Facebook: Die AfD-Ratsfraktion schmeißt von Wrese raus.

Begründung der Mülheimer AfD-Fraktion: „Etliche Missstände“

Als Begründung gab Fiedler „organisatorische Versäumnisse“ an, die er sowie die anderen zwei Fraktionsmitglieder Karin Fiene und Tobias Laue von Wrese für die Zeit vorwerfen, in der der Rechtsanwalt aus Selbeck selbst noch die Fraktion angeführt hat – bis vor fast genau einem Jahr eben jenes Trio von Wrese in dessen Abwesenheit den Fraktionsvorsitz nahm. Es hätten sich im Nachgang „etliche Missstände und Unregelmäßigkeiten, auch finanzieller Art“ herausgestellt, teilte Fiedler in der kurzen Mitteilung mit, ohne diese präzise zu benennen.

Wie diese Redaktion sicher weiß, haben Fiedler und Laue jene von ihnen beklagten, mutmaßlichen Missstände in einem Brief, der auf Ende Mai datiert ist, quasi per Selbstanzeige zur städtischen Rechnungsprüfung eingereicht. Laut Fiedler sollen sie nun dazu geführt haben, dass die AfD-Fraktion Geld an die Stadt zurücküberweisen muss. Wie viel? Unklar. Wofür? Ebenso.

Im September 2020 am Kommunalwahlabend noch in Eintracht und Feierlaune, heute tief zerstritten: (v.l.) die vier Mülheimer AfD-Ratsmitglieder Dominic Fiedler, Alexander von Wrese, Karin Fiene und Tobias Laue.
Im September 2020 am Kommunalwahlabend noch in Eintracht und Feierlaune, heute tief zerstritten: (v.l.) die vier Mülheimer AfD-Ratsmitglieder Dominic Fiedler, Alexander von Wrese, Karin Fiene und Tobias Laue. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Obwohl es um Steuergeld geht: Stadtverwaltung hüllt sich in Schweigen

Jener Brief liegt dieser Redaktion vor. Er beinhaltet auf drei Seiten insgesamt sieben Punkte, in denen AfD-Fraktionschef Dominic Fiedler anzeigt, womöglich zu Unrecht Steuermittel zur Finanzierung der Fraktionsarbeit kassiert zu haben. Da nichts davon nachweisbar belegt ist und die Vorwürfe gegenüber von Wrese, stimmen sie nicht, den Tatbestand der Verleumdung und/oder Rufschädigung gleichkommen könnten, können sie aus rechtlichen Gründen hier nicht wiedergegeben werden.

Auch deshalb, weil Rechtsdezernentin Anja Franke am Freitag noch nicht einmal bestätigen oder dementieren wollte, ob die AfD-Fraktion zur Rückzahlung verpflichtet worden ist. Franke sagte lediglich, dass in dieser Causa „der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern jedenfalls kein Vermögensschaden entstanden ist“.

Rechtslage in NRW lässt Prüfung gesetzmäßiger Mittelverwendung nicht zu

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Warum die Stadtverwaltung zur mutmaßlich irregulären Verwendung öffentlicher Gelder eine Stellungnahme verweigert, begründete Franke nur mit einem Verweis auf §56 der Gemeindeordnung und einem Erlass aus dem NRW-Kommunalministerium aus dem Jahr 2015. Laut Gemeindeordnung müssen Fraktionen den Nachweis über die Verwendung öffentlicher Mittel nur „in einfacher Form“ an den Oberbürgermeister zur Prüfung übermitteln. Im Erlass heißt es dazu, es reiche aus, wenn die Fraktionen wesentlichen Ausgabenarten (z. B. Personalausgaben, Bürokosten, Reisekosten, Fachliteratur, Öffentlichkeitsarbeit, Fortbildung) jeweils nur als Gesamtposition aufführen.

So ist eine Prüfung ordnungsgemäßer Steuermittelverwendung praktisch unmöglich, was Dezernentin Franke allerdings nicht öffentlich einräumen mag. Dabei verausgabt die Stadt für die Fraktionen, Gruppen und Fraktionslosen im Stadtrat eine Menge Geld. Fast 930.000 Euro sind dafür im aktuellen Etat verankert, knapp 77.500 Euro davon für die AfD.

Verwendung von Steuergeldern: Geringe Darlegungspflicht der Fraktionen

Zweifel können bei einer solch groben Aufstellung der Mittelverwendung kaum bei einem zur Prüfung verpflichteten OB aufkommen. Nur bei begründeten Zweifeln an der gesetzmäßigen Verwendung der Haushaltsmittel könnte der OB eine Fraktion auffordern, einzelne Belege vorzulegen, heißt es im Erlass des Landes. Letztlich gäbe es noch die Möglichkeit, dass Ungereimtheiten bei einer überörtlichen Prüfung durch die Gemeindeprüfungsanstalt auffallen. Aber auch diese steht vor den gleichen Hürden wie ein OB. Die Darlegungspflicht der Fraktionen ist wenig weitreichend. So musste im Fall der Mülheimer AfD-Fraktion schon eine Selbstanzeige her.

Die hat es in ihrer Wucht aber in sich, bietet im Mülheimer Kreisverband zusätzlichen Sprengstoff für die internen Grabenkämpfe, die mindestens bis zur kommenden Kommunalwahl zu erwarten sind. „Trotz intensiven Bemühens von Seiten der übrigen Ratsfraktionsmitglieder scheiterte nach einem Jahr leider eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Stadtverordneten, aufgrund unzureichender Kooperations- und Mitarbeitsbereitschaft in der Fraktion durch Herrn von Wrese“, schreibt Fiedler zur endgültigen Demission des Rechtsanwaltes aus der Fraktion.

Von Wrese weist die Anschuldigungen „aufs Schärfste“ zurück

Selbst ein Mediationsversuch durch den Landesvorstand sei gescheitert, deshalb sei der Fraktion keine andere Wahl geblieben, als von Wrese „aufgrund der fehlenden Vertrauensbasis“ auszuschließen. Der Landesvorstand selbst äußerte sich wortkarg zum Zoff in Mülheim: „Der Landesvorstand hat eine Mediation vermittelt, diese erbrachte nicht das gewünschte Ziel“, hieß es nur. Ob zu den mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten der Mülheimer AfD eine Prüfung auf Landesebene in Gang gesetzt ist, ließ ein Sprecher offen: „Sollte es eine solche geben, wird diese intern behandelt.“ Von Wrese sagte, dass eine Einladung zu einem Mediationstermin an eine Mailadresse gerichtet worden sei, die er nicht nutze. Als er über Dritte davon erfahren und um eine Terminverlegung gebeten habe, habe man darauf nicht reagiert.

Der Ex-Fraktionschef zeigte sich am Freitag empört über das Vorgehen seiner ehemaligen politischen Mitstreiter, sah sich während seiner Teilnahme an einer Sparkassen-Klausurtagung zeitlich nicht in der Lage, zu einzelnen Vorwürfen seines Nachfolgers an der Fraktionsspitze Stellung zu beziehen. Er reklamierte für sein seinerzeitiges Wirken als Fraktionschef „eine völlig untadlige Position“ und wies die Vorwürfe „aufs Schärfste“ als haltlos zurück.

Ein dummdreister Versuch, innerparteilich Kapital zu schlagen.
Alexander von Wrese, AfD

Ex-Chef der Mülheimer AfD-Fraktion sieht sich „Verleumdungskampagne“ ausgesetzt

Den Verantwortlichen warf er „eine widerwärtige Intrige“, eine „Verleumdungskampagne“ gegen seine Person und zum Schaden der Gesamtpartei vor. Es sei der „dummdreiste Versuch, innerparteilich Kapital zu schlagen“. Dabei hätten die drei verbliebenen Stadtverordneten bei den jüngsten Delegiertenwahlen schon die Quittung der Parteimitglieder erhalten und seien auf hinteren Plätzen gelandet. Sie hätten für ihr Handeln „keinerlei Rückendeckung“ der Kreispartei.

Die Fraktion führe fernab der Partei ein Eigenleben. Die Quittung dafür werde folgen: Wer nur in destruktiver Mission unterwegs sei, dem werde die Partei wohl nicht noch einmal in politische Ämter verhelfen.

Der Zoff in Mülheims AfD – die Episoden:

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