Mülheim. Weniger Stunden, dafür das gleiche Geld: In einer Mülheimer Physiotherapie-Praxis naht eine große Umstellung. Wieso der Chef so entschieden hat.

Nachdem Andreas Wurzel (52) 22 Jahre lang in einer Mülheimer Physio-Praxis gearbeitet hat, wurde ihm klar: Er wollte eine Veränderung, den „Sprung wagen“ und Risiken eingehen. Also eröffnete er nach zahlreich absolvierten Fort- und Weiterbildungen eine eigene Anlaufstelle. Seine Frau Eva (55) stieß einige Zeit später dazu. „Es ist fast schon wie ein Familienbetrieb, meine Schwester und Schwägerin arbeiten auch in der Praxis“, so Andreas Wurzel. Aller Routine zum Trotz – den Hang zum Wagnis hat Wurzel sich erhalten: Schon bald will er seinen Betrieb vollständig auf die Vier-Tage-Woche umstellen.

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Während sich Eva Wurzel vorrangig um Organisatorisches kümmert und tagsüber an der Theke im Eingangsbereich steht, versorgt ihr Mann mit insgesamt elf anderen Festangestellten und Aushilfskräften rund 100 Patienten. Morgens stünden Hausbesuche bei Schlaganfall- und Parkinson-Patienten auf der Tagesordnung, im Mittagsbereich kämen vor allem jüngere Fußballer in die Praxis.

Mülheimer Physiotherapeut praktiziert schon lange die kurze Woche

Schon seit drei Jahren, so Andreas Wurzel, lasse er an Freitagen die Arbeit ruhen. Seine Frau hingegen arbeite immer noch fünf Tage die Woche – bislang. Das soll sich zu Anfang 2024 ändern. Nicht nur für die Chefin, sondern auch für alle anderen Mitarbeiter der Praxis. „Wir wollen etwas zurückgeben“, sagt das Paar zur Entscheidung, langfristig einen Tag weniger zu arbeiten. Das bedeute aber nicht gleichzeitig auch weniger Arbeit.

In erster Linie müsse man sich darum kümmern, die Termine eines ganzen Wochentages zu kompensieren und in einem kleineren Zeitraum alle Patienten versorgen zu können. „Wir haben viele Stammpatienten, die oft zweimal die Woche zu uns kommen oder wir fahren zu ihnen. Das müssen wir natürlich zeitlich trotzdem unterbringen“, erklärt Andreas Wurzel.

Mülheimer Arbeitgeber will individuelles Arbeiten fördern

Individuelles Arbeiten läge den Wurzels trotzdem besonders am Herzen, denn jeder Patient käme mit anderen Bedürfnissen und Problemen zu ihnen und diese müssten auch individuell angegangen werden — das nähme nicht nur viel Zeit in Anspruch, sondern fordere auch ausgebildete Fachkräfte. Dadurch würde die Organisation mit Beginn der Vier-Tage-Woche zwar wahrscheinlich schwieriger fallen, „aber wir haben keine Befürchtungen, dadurch negative Konsequenzen zu haben“.

Der Physiotherapeut Andreas Wurzel steht am Mittwoch, 22.11.2023, mit seiner Frau Eva im Kraft- und Geräteraum seiner Praxis in Mülheim an der Ruhr. Zukünftig bietet er seine Leistungen nur noch an vier Wochentagen an.Foto: Martin Möller /Funke Foto
Der Physiotherapeut Andreas Wurzel steht am Mittwoch, 22.11.2023, mit seiner Frau Eva im Kraft- und Geräteraum seiner Praxis in Mülheim an der Ruhr. Zukünftig bietet er seine Leistungen nur noch an vier Wochentagen an.Foto: Martin Möller /Funke Foto © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die anstehende, durchaus einschneidende Veränderung wurde von allen Mitarbeitern mit großer Freude und Zustimmung begrüßt: „Es gibt heutzutage sowieso nur noch sehr wenig gute Arbeitskräfte und da wollen wir uns revanchieren. Wir sind ein sehr gutes Team, jeder arbeitet mit und gibt alles. Deshalb wollen wir, dass alle zufrieden sind“, sagt Eva Wurzel. Während die Schichten zurzeit meist um 7.30 Uhr starten und oft erst um 18 Uhr enden, solle dann stattdessen um 7 Uhr gestartet und früher Feierabend sein. Der Freitag wird zusätzlich, ganz seinem Namen nach, zum freien Tag. Die Wochenstunden sinken dadurch von 40 auf 36 pro Person.

Weniger Wochenstunden, gleiches Gehalt

„Natürlich bleibt das Gehalt aber dasselbe wie vorher. Wir arbeiten weniger, zahlen aber nicht weniger“, erklärt Andreas Wurzel. Gerade für berufstätige Frauen mit Kindern und Familien sei die Änderung wichtig. So hätten diese wieder mehr Zeit, um die Doppelbelastung zu stemmen. „Keine Mutter arbeitet gerne bis spätabends. Da freut man sich, wenn man eher nach Hause gehen kann und mal einen Tag frei hat“, so Eva Wurzel.

Aus Sicht der beiden Geschäftsleute spricht für die Einführung der Vier-Tage-Woche in ihrem Betrieb auch, dass man sich so für Nachwuchskräfte beliebter macht. „Es geht auch darum, Kompromisse einzugehen“, so Andreas Wurzel. Sie wollen damit ihren Mitarbeitern entgegenkommen und zeigen: „Ihr tut das für uns, wir tun was für euch.“

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