Mülheim. Lange gab’s vor allem in Mülheims Norden wenige Hausärzte. Wie sich in Styrum die Situation ändert und wie das restliche Stadtgebiet besetzt ist.
Droht in Mülheim ein Hausärzte-Mangel bei steigendem Behandlungsbedarf? In Styrum zumindest ist inzwischen eine Lücke geschlossen, nachdem das MVZ Hausärzte Ruhr seine neuen, größeren Räume bezogen und eine zusätzliche Ärztin angestellt hat. Wie ist die Lage in den übrigen Stadtteilen Mülheims? Gibt es ein Gefälle in der Versorgung?
Die gute Nachricht vorab: Alle 114 Hausarztsitze in Mülheim sind im Moment besetzt, keine Praxis ist vakant, meldet Dr. Stephan von Lackum, niedergelassener Hausarzt in Speldorf und Vorsitzender der Mülheimer Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO). „Wir hätten noch 6,5 Hausarztstellen, die zur Entlastung besetzt werden könnten.“
In Mülheim kommen 1600 bis 1700 Patienten auf einen Arzt
Grund für die freien Stellen sei auch, dass die Niederlassungsquote fürs Ruhrgebiet in den vergangenen Jahren erhöht worden ist und zusätzliche Hausarztsitze hinzugekommen sind. „Das ist auch schon in Anspruch genommen worden – eine Kollegin hat etwa in Heißen einen Sitz genommen.“ Dass in Mülheim Hausarztsitze, die frei wurden, zuletzt immer neu besetzt werden konnten, anders als in mancher anderen Stadt, bestätigt auch Uwe Brock, niedergelassener Internist und Vorsitzender der Mülheimer Kreisstelle der Ärztekammer Nordrhein: „Mülheim ist da wohl beliebt.“
1600 bis 1700 Patienten kommen in Mülheim auf einen Hausarzt, schildert von Lackum. In manchen Städten seien es locker über 2000 Patienten pro Arzt, im ländlichen Bereich liege diese Zahl noch höher. „Dort herrscht Ärztemangel – davon können wir in Mülheim derzeit nicht sprechen“, so der Mülheimer KVNO-Vorsitzende. Die Abdeckung mit Hausärzten sei derzeit übers gesamte Stadtgebiet zufriedenstellend. „Die Verteilung ist ausgeglichen, wir haben einen ganz leichten Überhang im Bereich Speldorf, Broich, Saarn – das ist aber rein statistisch und hat für die Patienten keine Auswirkungen.“
Inzwischen sei also auch der über Jahre schwere Fall des Mülheimer Nordens hausärztlich gut abgedeckt, ordnet von Lackum ein. Gerade in Styrum gab es über viele Jahre eine hausärztliche Unterversorgung. Dort hatten im Jahr 2011 zwei von fünf Hausarztpraxen dichtgemacht, was zur Folge hatte, dass die verbliebenen vier Hausärzte mit einer Sondergenehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung mehr Patienten zu betreuen hatten. Jetzt sieht die Lage dort anders aus, schildert von Lackum: „Styrum hat echt gewonnen: Früher gab es dort drei Praxen mit vier Ärzten und jetzt eine Praxis mit sieben Ärzten – eine Steigerung fast um das Doppelte.“
Medizinisches Versorgungszentrum mit Hausärzten in Mülheim-Styrum vergrößert sich
Gemeint ist das Medizinische Versorgungszentrum MVZ Hausärzte Ruhr, das kürzlich an der Oberhausener Straße 190 neue, größere Praxisräume bezogen hat. „Jetzt haben wir rund 450 Quadratmeter“, schildert Dr. Udo Pfannkuch, Geschäftsführender Gesellschafter des MVZ Hausärzte Ruhr. Der Platz für die Praxis, die zuvor in der Alvenslebenstraße beheimatet war, habe sich damit mehr als verdoppelt, zudem sei eine Ärztin zusätzlich angestellt worden, um dem Bedarf gerecht zu werden, so Pfannkuch.
Am alten Standort habe es schlicht an Kapazitäten gefehlt, um die an Mitarbeitenden und an Patienten gewachsene Praxis betreiben zu können, sagt der Leiter des MVZ, das neben Styrum auch hausärztliche Versorgung in Heißen und Broich sowie in Oberhausen anbietet.
Am neuen Standort in der Nähe des Sültenfußes hat die SWB als Vermieterin nun eigenen Angaben zufolge rund 1,2 Millionen Euro in den Umbau des Gebäudeteils investiert, der einst einen SB-Markt und zuletzt eine Spielhalle beherbergte. Hinzu kommen die Kosten des Innenausbaus – „die werden vom Mieter getragen“, schildert SWB. Nicht nur wegen der Größe schwärmt Dr. Udo Pfannkuch über die neuen Räume: „Hier ist alles barrierefrei und wir haben ein modernes Praxisleitsystem.“ Ähnlich wie etwa im Bürgeramt werde jedem Patienten eine Nummer zugeteilt, mit der er dann über Monitore und mit Hilfe von Pfeilen und verschiedenen Farben in die einzelnen Praxisbereiche geleitet werde.
Organisationsform des Medizinischen Versorgungszentrums bringt Ärzten Flexibilität
In Styrum mit seinen rund 16.000 Einwohnern ist das MVZ Hausärzte Ruhr inzwischen nach Auskunft von Dr. Udo Pfannkuch der hausärztliche Alleinanbieter. Betrieben wird die Groß-Praxis als Medizinisches Versorgungszentrum in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), Pfannkuch fungiert als Geschäftsführender Gesellschafter, sein Sohn Stefan ist seit April Ärztlicher Leiter des Zentrums.
Praxen, nicht nur Facharztpraxen, die oft an Krankenhäuser angegliedert sind, sondern auch solche von Hausärzten als MVZ zu organisieren, sei durchaus „Wunsch des Gesetzgebers“, sagt KV-Vorsitzender Dr. Stephan von Lackum. Vorteile eines MVZ sieht von Lackum darin, dass dort angestellte Ärztinnen und Ärzte flexibler in Teilzeit arbeiten können und die Versorgung der Patientenschaft kontinuierlich sichergestellt ist, auch wenn ein Mediziner in den Ruhestand geht.
Mülheimer Ärztesprecher: „Die Work-Life-Balance hat auch den Arztberuf erreicht“
„Für die Kassenärztliche Vereinigung kann das Modell dagegen schwierig werden, weil der Geschäftsführende Arzt manchmal gar nicht am Ort ist.“ Teils seien Praxen aufgekauft und zu Zentren zusammengefasst worden. Für den Patienten oder die Patientin sollte die Organisationsform indes keinen Unterschied machen, betont von Lackum.
Auch der Sprecher der Mülheimer Ärztekammer, Uwe Brock, der in seiner eigenen Praxis im Ruhrquartier drei angestellte Ärzte beschäftigt („das Maximum, was ich anstellen darf“), sagt: „Die Work-Life-Balance hat auch den Arztberuf erreicht. Der Trend geht dahin, sich als Arzt oder Ärztin anstellen zu lassen und nicht als niedergelassener zu arbeiten.“
Inzwischen sind nach Aussage von Brock 17 Prozent der niedergelassenen Ärzte angestellt. Der Sprecher der Ärztekammer mahnt aber: „Alleine dadurch, dass wir die Medizin ökonomisieren, bekommen wir noch nicht mehr neue Mediziner zum Patienten.“ Welche Wirtschaftsstruktur auch immer hinter der Praxisorganisation stecke: Sichergestellt sein müsse stets dass im Sinne des Patienten gehandelt werde, betont Brock.