Mülheim. Weniger Kundschaft, teils leere Regale: Der junge Supermarkt-Chef Jan Schroers ist verzweifelt. Was sich aus seiner Sicht dringend ändern muss.
Bis zu 20 Prozent weniger Kunden und Kundinnen als im Vorjahr und rund ein Fünftel weniger Umsatz: Für Jan Schroers, der sich im März 2022 mit der Übernahme des Edeka-Marktes an der Mülheimer Zeppelinstraße den Traum von der Selbstständigkeit erfüllt hat, sind die Geschäftszahlen alarmierend.
Es gibt eine generelle Unzufriedenheit, weiß er, so ärgern sich die Menschen etwa über Lücken im Sortiment. Das sei verständlich. „Die Ursachen aber sind vielschichtig“, betont er, „und sie liegen selten in unserer Hand.“ Als Einzelhändler könne man grundsätzliche wirtschaftliche Entwicklungen kaum beeinflussen.
Allen voran sei da die Inflation als Folge des Ukraine-Krieges: „Wir leben in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten, das ist ein Riesenthema“, so der 28-Jährige. Zum Glück habe sich die Situation jüngst wieder leicht entspannt. Manche Preise, die zuvor in die Höhe geschossen waren, hätten sich wieder auf niedrigerem Niveau eingependelt: „Das Päckchen Butter hat zwischenzeitlich 3,60 Euro gekostet, jetzt liegt es bei 2,30 Euro. Das Kilo Paprika, vorübergehend bei knapp 10 Euro, ist nun wieder für 4 Euro zu haben.“
Mülheimer Einzelhändler kennt viele Gründe für die schwierige Situation des Geschäfts
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Nicht nur das Weltgeschehen wirkt sich auf den Einzelhandel aus. Auch Auseinandersetzungen im eigenen Land erschweren die Situation, erklärt Schroers: „Wenn Verdi wieder zum Streik aufruft und Lagermitarbeiter und Lkw-Fahrer nicht arbeiten wie sonst, kommen die Waren später an.“ Leider habe man nur ein begrenztes Lager, da der einstige Tengelmann-Laden mit 900 Quadratmetern eher klein ist.
Auch die zum Teil langwierigen Verhandlungen der Edeka-Zentrale mit einzelnen Herstellern, die für ihre Produkte plötzlich deutlich mehr Geld verlangen, führten manchmal zu leeren Regalen. „Kellogg’s sollten mit einem Mal rund 50 Prozent mehr kosten.“ Edeka habe sich deshalb entschieden, die Produkte zunächst nicht mehr anzubieten. Schroers hält die Strategie für richtig: „Das Unternehmen kämpft für den Verbraucher, will Ergebnisse erzielen, die für alle akzeptabel sind.“ Snickers, Mars und Co. sind bei Edeka schon lang nicht mehr zu haben. „Günstige Alternativen“, die es durchaus gebe, so der Chef, fänden keinen Absatz. Er erlebe immer wieder: „Die Kunden möchten ihre vertrauten Marken haben.“
Geschäftsmann hadert mit „bitterbösen E-Mails“ und grotesken Beschuldigungen
„Dass die Produkte fehlen oder deutlich teurer sind als früher, wird uns oft persönlich vorgeworfen“, bedauert Astrid Schroers, die Mutter des Inhabers, die sich im Laden um kaufmännische Belange und Personalfragen kümmert. „So nach dem Motto: Die wollen sich die Taschen vollmachen.“ Man versuche immer wieder, darüber mit den Kunden ins Gespräch zu kommen, Hintergründe zu erklären. Doch das Verständnis fehle manchmal, sagt die 56-Jährige. Es gebe sogar bitterböse E-Mails und zum Teil groteske Beschuldigungen: „Einer hat mir kürzlich vorgeworfen, ich würde die Nutellagläser heimlich umfüllen, weil sie jetzt weniger Inhalt haben“, erzählt der Chef.
Personalmangel ist ein weiteres Problem, Diebstahl sowieso: „Zwischen Januar und Oktober wurde uns Ware im Wert von 10.000 Euro geklaut.“ Klagen gibt’s am Standort auch über die Parkplatzsituation. Die rund 50 Stellplätze nutzen auch Patienten der umliegenden Praxen sowie Kunden der Apotheke und anderer Läden. „Das größte Problem sind die Dauerparker, die rund ein Drittel der Plätze in Beschlag nehmen und sich auch nicht an Knöllchen stören, weil man ja eigentlich nur zwei Stunden dort stehen darf.“ Man suche dringend nach einer Lösung, so Schroers.
„Wir sind ein klassischer Nahversorger, wir setzen auf den persönlichen Kontakt“
Der Traum von der Selbstständigkeit nämlich besteht fort: „Ich will hier bleiben“, sagt der Chef, „den Laden voranbringen, die Kunden glücklich machen.“ Dass das aktuell nicht immer gelinge, mache ihn traurig, „ich frage mich durchaus, was ich falsch mache“. Astrid Schroers glaubt indes fest daran, dass der eingeschlagene Weg richtig ist: „Wir sind ein klassischer Nahversorger, sind nah dran am Kunden und helfen auch mal, den schweren Einkauf zum Auto zu bringen.“
Ein wenig Hoffnung machen den beiden seit Neustem die Botschaften, die sie Tag für Tag aus der jüngst im Kassenbereich aufgestellten Zettelbox fischen. Dort hinterlassen Kunden Wünsche und Nachrichten. „Da gibt es auch viel Lob.“ Vielleicht kommen bald wieder mehr Menschen ins Geschäft: „Anders wird es hier auf lange Sicht nämlich nicht weitergehen können“, so Astrid Schroers.