Mülheim. Mülheimer AZ-Mitarbeiter wurden verurteilt. Doch Anzeigen gegen drei Polizisten und einen Arzt ruhen seit Jahren. Die Verjährung rückt näher.

Nach dem gewaltsamen Polizeieinsatz am 8. Juni 2019 am Autonomen Zentrum gab es nicht nur Strafanzeigen gegen Mitarbeitende des AZ, sondern im Oktober 2020 auch gegen drei beteiligte Polizeibeamte und einen Arzt des Mülheimer St. Marien-Hospitals. Dieser hatte einem AZ-Mitarbeiter gegen dessen Willen und ohne richterlichen Beschluss eine Blutprobe entnommen. Während aber die Anzeigen gegen die AZ-Leute langwierige Gerichtsverfahren nach sich zogen und das Duisburger Landgericht mittlerweile gegen zwei Personen Geldstrafen verhängt hat, liegen die Anzeigen gegen die drei Beamten und den Mediziner auf Eis.

Er sei „fassungslos“, dass die Staatsanwaltschaft seit Jahren nicht ermittle, erklärte Daniel Werner, der Verteidiger des AZ-Mitarbeiters, kürzlich vor dem Landgericht. Dort schwangen die unbearbeiteten Strafanzeigen gegen die Polizisten permanent mit, denn die drei jungen Männer sagten gegen den AZ-Mitarbeiter als Zeugen teilweise belastend aus. Die Verteidigung fragte immer wieder: Wie glaubwürdig sind sie, wenn sie im parallelen Verfahren als Beschuldigte gelten? Zudem verjährt Körperverletzung, die hier im Raume steht, nach fünf Jahren. Dies wäre im Juni 2024.

Polizei war schneller mit Strafanzeigen gegen Mülheimer AZ-Leute

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Die Polizei war mit ihren Anzeigen gegen die AZ-Mitarbeitenden deutlich schneller. Schon im Juli 2019, wenige Wochen nach dem Vorfall, bestätigten sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft Duisburg, dass mehrere Anzeigen vorlagen. Die Strafanzeigen gegen die Polizeibeamten und den Arzt wurden dagegen erst am 22. Oktober 2020 erstattet. Gegenstand ist mutmaßliche gefährliche Körperverletzung (im Amt). Dies erklärt Anwalt Daniel Werner, der im Auftrag des AZ-Mitarbeiters O. tätig wurde. Dieser erlitt bei dem Einsatz erhebliche Verletzungen.

Die betroffenen Polizeibeamten erfuhren offiziell erst im November 2022 von den Anzeigen gegen sie, als sie im Mülheimer Amtsgericht als Zeugen auftraten. Die Staatsanwaltschaft hat offensichtlich noch keinerlei Ermittlungen gestartet. Der Anwalt drängt. Er habe am 4. November 2022 und am 12. Juli 2023 Verzögerungsrügen erhoben, berichtet Werner auf Anfrage dieser Redaktion. Die Staatsanwaltschaft habe ihm mitgeteilt, man wolle den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gegen O. abwarten. Eine Verjährung der Vorwürfe drohe nicht.

Staatsanwaltschaft: „Wir haben die Verjährung im Blick“

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Das ist die Frage. Der AZ-Mitarbeiter (44) wurde in der vergangenen Woche, am 10. August, vom Landgericht zu einer Geldstrafe wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt, vom Vorwurf tätlicher Angriffe jedoch freigesprochen. Er und sein Anwalt wollen Revision einlegen. Das Verfahren zieht sich also weiter. Bei der Staatsanwaltschaft Duisburg heißt es auf Anfrage, die Verfahren gegen die Polizeibeamten seien keinesfalls eingestellt worden. Sprecherin Marieluise Hepe stellt klar: „Uns ist bewusst, dass die Verjährung im Juni 2024 eintritt. Das haben wir im Blick, und es gibt auch Möglichkeiten, diese Frist zu verlängern.“

Grundsätzlich sei es nicht ungewöhnlich, dass Anzeige gegen Anzeige steht, so die Staatsanwältin. „Auch bei Auseinandersetzungen zwischen Privatpersonen kommt es oft vor, dass sich alle gegenseitig anklagen. Wir betrachten stets den gesamten Sachverhalt.“ Im konkreten Fall werde die Staatsanwaltschaft Duisburg die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, mit der etwa in einem Monat zu rechnen sei, sowie die Rückgabe der Akten und dann den Sachverhalt umfassend prüfen, sagt Marieluise Hepe. Gegebenenfalls würden die beteiligten Beamten erneut vernommen oder auch „Zeugen aus dem nachgelagerten Geschehen“.

Faustschlag eines Polizisten: Zweifel an Rechtmäßigkeit bleiben

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Der 44-jährige AZ-Mitarbeiter, der damals stark betrunken war, wurde gewaltsam zu Boden gebracht, um seine Personalien zu kontrollieren, mit extrem eng angelegten Handschellen gefesselt, später schlug ihm ein junger Polizist mit der Faust ins Gesicht. All das ist erwiesen und dokumentiert. Ob aber speziell der Faustschlag auch rechtmäßig und verhältnismäßig war oder ob überzogene Polizeigewalt angewendet wurde, ließ das Landgericht offen. Zweifel klangen an.

Hier könnten weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ansetzen. Es gebe „eine sehr große Bereitschaft“, die Strafanzeigen zu verfolgen, sofern es hinreichende Anhaltspunkte gibt, erklärt die Sprecherin.

Der damals zuständige Dienstgruppenleiter sei seit dem Einsatz krankgeschrieben und nicht mehr im Dienst, berichtete ein Polizeizeuge Ende Juli vor dem Duisburger Landgericht. Ob dies mit dem Vorfall am 8. Juni 2019 zusammenhängt, bleibt im Dunklen. Ein Polizeisprecher erklärt auf Anfrage: „Zu Krankheitsverläufen und zum Verbleib einzelner Mitarbeiter erteilen wir grundsätzlich keine Auskunft.“

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