Mülheim. Zwei Polizisten schießen dreimal auf einen Randalierer (28). Der hatte sie zuvor massiv bedroht. Die Bodycam eines Beamten war in diesem Fall an.

Nach den Schüssen von zwei Polizisten auf einen 28-jährigen Randalierer vor einem Flüchtlingsheim in Mülheim werden weitere Details bekannt. Die zuständige Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt wegen des Verdachts des versuchten Totschlags - sowohl gegen die beiden Beamten als auch gegen das Opfer der Schüsse. Das geht aus einem Bericht für die kommende Sitzung des Innenausschusses im NRW-Landtag hervor.

In dem Bericht äußert sich die Staatsanwaltschaft außerdem konkreter als bislang zu den genauen Tatumständen. Demnach habe der 28-jährige syrische Staatsbürger in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni gegen Mitternacht die Feuerwehr über den Notruf kontaktiert und von einer Messerstecherei am Hauptbahnhof berichtet - offenbar war das erfunden. Die Feuerwehr alarmierte die Polizei und die schickte eine Streifenwagenbesatzung.

Beamte in Mülheim mit Cuttermesser und Flaschenhals bedroht

Die 24-jährige Polizistin und ihr 22-jähriger Kollege seien statt auf eine Messerstecherei auf den Syrer getroffen, der sie mit einem Cuttermesser und einem abgeschlagenen Flaschenhals bedroht haben soll. Der 28-Jährige sei erst auf die Beamten zugegangen, dann aber geflohen. Die Polizisten setzten nach. An der Flüchtlingsunterkunft am Klöttschen hätten sie ihn eingeholt. Erneut soll der Randalierer die Beamten dann bedroht haben. Die hätten ihre Pistolen gezogen und den Mann aufgefordert, die Stichwaffen fallen zu lassen. Als der Syrer den Polizisten immer näher gekommen sei, habe die 24-Jährige einen ersten Schuss abgegeben. Der 28-Jährige soll hingefallen und wieder aufgestanden sein, das Messer dabei weiter in seiner Hand. „Allahu Akbar“ soll er dabei geschrien haben. Dann habe jeder der beiden Polizisten nahezu zeitgleich jeweils ein Mal geschossen.

Laut dem Bericht wird der Syrer am Oberkörper, am rechten Oberschenkel und am linken Schienbein getroffen. Selbst dann noch sei er nicht außer Gefecht gesetzt gewesen, auch das Messer habe er da noch festgehalten. Erst durch Hilfe weiterer Beamter, die inzwischen am Tatort eingetroffen seien, habe der Mann entwaffnet und überwältigt werden können. Auch ein Taser sei dabei noch zum Einsatz gekommen.

Opfer schwebte nach Schüssen in Lebensgefahr

Die Verletzungen des Syrers seien so schwer gewesen, dass Lebensgefahr bestanden habe, heißt es in dem Bericht. Der Mann sei notoperiert worden. Der Zustand des 28-Jährigen habe sich in den Wochen danach stabilisiert.

Die Polizei sucht am Montag nach den Schüssen die abgefeuerten Projektile.
Die Polizei sucht am Montag nach den Schüssen die abgefeuerten Projektile. © WAZ | Nikolina Miscevic

Die Ermittlungen zu dem Fall dauern an. Im Gegensatz zu ähnlich gelagerten Fällen sei die Bodycam des 22-Jährigen eingeschaltet gewesen, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage. Die Aufnahmen seien bereits ausgewertet. Die Staatsanwaltschaft Duisburg, die aus Neutralitätsgründen zusammen mit der Polizei in Bochum ermittelt, hat nach eigenen Angaben bereits Zeugen vernommen, das Messer, die Schusswaffen der Beamten und den Taser sichergestellt und untersucht.

Randalierer aus Mülheim war der Polizei bereits bekannt

In welcher Reihenfolge die Schüsse fielen und wessen Kugel wo traf, sei noch Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Laut Staatsanwaltschaft hätten sich die beiden Polizisten vernehmen lassen, ausführliche Stellungnahmen zum Geschehen über ihre Verteidiger stünden aber noch aus. Im Kern gehe es um die Frage, ob der Schusswaffeneinsatz rechtmäßig gewesen sei.

Dem Syrer waren Blutproben abgenommen worden. Nach dem Vorfall hat die Polizei auch seine Wohnung durchsucht. Offen ist, was der Mann an dem Flüchtlingsheim am Klöttschen wollte. Gemeldet war er laut Staatsanwaltschaft eigentlich an einer anderen Adresse. Der 28-Jährige ist bereits polizeibekannt. Wegen welcher Delikte, verrät die Staatsanwaltschaft zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Es soll Hinweise geben, dass der Mann schon vor den Schüssen suizidgefährdet war und bereits versucht haben soll, sich das Leben zu nehmen. Der Syrer könnte die Polizisten demnach absichtlich provoziert haben. Anzeichen für einen islamistischen Hintergrund gibt es nach jetzigem Erkenntnisstand nicht. Der Innenausschuss des Landtags befasst sich am Donnerstag mit dem Fall.

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.