Mülheim. Über den gewaltsamen Polizeieinsatz am Mülheimer AZ wird am Landgericht Duisburg hart verhandelt. Wie glaubwürdig sind die Polizeizeugen?

Für zunächst zwei Verhandlungstage war das Berufungsverfahren gegen einen Mitarbeiter des Autonomen Zentrums (AZ) am Landgericht Duisburg angesetzt. Nach dem zweiten Termin am Donnerstag ist klar: Es wird länger dauern bis zum Urteilsspruch. Es gestaltet sich mühsam und zäh: Vergleichbar mit der mehrteiligen Vorgeschichte am Mülheimer Amtsgericht, das den 43-jährigen O. Anfang Januar zu einer Geldstrafe verurteilte wegen Widerstands und tätlicher Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte.

Vor der 12. Strafkammer des Landgerichtes treffen sich nun dieselben Kontrahenten eines politisch aufgeladenen Verfahrens, auf der Anklagebank wie im Zeugenstand. Wer den Prozess beobachtet, spürt: Man begegnet sich misstrauisch, abwehrend und im schlimmsten Fall - wie beim Polizeieinsatz am 8. Juni 2019 - mit Gewalt. Das „Schneckentempo“, das der Vorsitzende Richter Ulrich Metzler am Donnerstag monierte, resultiert aus der Strategie des Strafverteidigers Daniel Werner. Er ist hier seit Langem intensiv am Ball, er arbeitet hart und mit teils quälender Akribie daran, die Glaubwürdigkeit der Polizeizeugen auszuhebeln.

Zähes Berufungsverfahren um Polizeieinsatz im AZ Mülheim

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Vor dem Landgericht beantragte der Verteidiger erneut, einen aussagepsychologischen Gutachter hinzuzuziehen, um die Aussagen der „Berufszeugen“, gegen die zum Teil ihrerseits Strafanzeigen laufen, einordnen zu können. Die Kammer lehnte dies ab, wie bereits andere zuvor. Vier junge Polizeibeamtinnen und -beamte wurden in insgesamt fast siebenstündiger Verhandlung vernommen. Nur zwei konnten zu den entscheidenden Punkten aus eigener Beobachtung etwas beitragen. Es gab etliche Sitzungsunterbrechungen, immer wieder Anträge der Verteidigung, Dispute über die Zulässigkeit wiederholter Detailfragen.

Im Fokus der Vernehmung steht erneut Polizeikommissar W.: Er war es, der den AZ-Mitarbeiter nach verweigerter Personenkontrolle am Tor zum AZ-Gelände zu Boden riss, so dass dieser mit dem Gesicht auf den Asphalt schlug. Später versetzte er ihm einen Faustschlag ins Gesicht - voraus ging nach seiner Schilderung ein versuchter Kopfstoß des bereits gefesselten Mannes, den außer W. bislang niemand bezeugen kann. Im Gegensatz zu früheren Aussagen ist W.’s Erinnerung an einige Details offenbar wiedergekehrt. Er ist sich jetzt sicher, O. vorschriftsmäßig über die Strafbarkeit einer verweigerten Personenkontrolle belehrt zu haben. „Warum sind Ihnen die Ereignisse jetzt präsenter als früher?“, bohrt der Verteidiger nach. „Keine Ahnung“ kommt zur Antwort, eine häufige Äußerung des Polizeibeamten während der langen Befragung.

Polizistin hat nach eigener Aussage „sehr konkrete Erinnerungen“

Belastet wird O. aber auch durch die Polizeibeamtin W. (27), die aussagt, teilweise noch „sehr konkrete Erinnerungen“ an den vier Jahre zurückliegenden Einsatz zu haben. Auch daran, wie O. ihren Kollegen W. mit beiden Händen weggeschubst habe, um sich einer Personenkontrolle zu entziehen. Ob die Überprüfung überhaupt rechtmäßig war, ist eine zentrale Frage in diesem Verfahren. Jedenfalls wurde O. zu Boden gebracht.

Ebenfalls erinnert sich die Polizistin an ihr „Entsetzen“ über die Entwicklung des Einsatzes, morgens gegen 6 Uhr, am Ende einer Kneipennacht. „Wir sind deeskalierend vorgegangen“, so die Sicht der Beamtin, die eine „Grundeinstellung“ der AZ-Leute für ursächlich hält. Zitat: „Egal, wie nett man ist, sie würden sich der Polizei gegenüber immer so verhalten.“

Das Verfahren wird am 10. August fortgesetzt. Vorsorglich wurden bereits zwei weitere Verhandlungstermine für September festgelegt.

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