Kamp-Lintfort/Moers. .

Es gibt Urteile, mit denen selbst die Richter mehr als unzufrieden sind. Im Prozess um den Tod eines Obdachlosen am Pappelsee in Kamp-Lintfort fiel am Montag ein solches Urteil: ein Jahr auf Bewährung für einen 17-Jährigen.

„In dubio pro reo gilt auch, wenn es der Kammer weh tut“, sprach der Vorsitzende Richter Johannes Huismann und damit einen 17-Jährigen aus Kamp-Lintfort vom Vorwurf des Mordes frei. Das Urteil lautete: ein Jahr auf Bewährung wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung.

In der Nacht zu Pfingstsonntag gegen drei Uhr wurde auf dem Parkplatz am Pappelsee in Kamp-Lintfort die Leiche eines 51-jährigen Mannes gefunden, den viele der An­wohner zumindest vom Se­hen kannten. Er lebte auf diesem Parkplatz, als Behausung diente ihm ein alter Opel Corsa, vollgestopft mit der ihm verbliebenen Habe. Auf diesem Parkplatz starb er auch in dieser Nacht, erstickte an seinem eigenen Blut, Sekunden bevor er an einer schweren Kopfverletzung erlegen wäre. Eine Mordkommission unter Leitung von Arndt Rother verhaftete nur wenige Tage später einen damals noch 16-Jährigen – die Beamten waren sich sicher, einen Mörder gefasst zu haben.

Staatsanwalt forderte neun Jahre Gefängnis

Dieser Auffassung war auch die Staatsanwaltschaft. Staatsanwalt Stefan Müller hatte für den mittlerweile 17-jährigen, des Mordes Angeklagten neun Jahre Gefängnis gefordert. Die Große Jugendkammer des Landgerichts Kleve unter Vorsitz von Richter Johannes Huismann sah sich jedoch außer stande, dem Jugendlichen den Mord nachzuweisen.

„Keiner der Angeklagten wurde wegen eines Tötungsdelikts verurteilt“, erklärte nach der Urteilsverkündung Jürgen Ruby, Pressesprecher des Landgerichts. Die Kammer ha­be allerdings auch klar gestellt, dass nicht etwa ein Unfall, sondern Schläge gegen den Kopf zum Tod des 51-jährigen Ob­dachlosen führten, so Ruby weiter. Nach dem Ausschöpfen aller Beweismittel habe die Kammer nicht sagen können, ob der Hauptangeklagte, ein gleichaltriger, wegen Körperverletzung Angeklagter oder auch die beiden „Mitläufer“ die tödlichen Schläge führten.

Der Hauptangeklagte, so Ru­­by weiter, habe in der Verhandlung erklärt, er sei mit dem Auto des Opfers weggefahren, nachdem sich der 51-Jährige nicht mehr an das Fahrzeug habe klammern können. Zum Parkplatz sei er nicht zurückgekehrt. Tatortspuren, die diese Aussage hätten widerlegen können, wurden nicht gefunden. Für die Kammer galt daher: in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten.

Kein mediengerechtes Urteil

Stephan Küppers, Verteidiger des 17-Jährigen, der den Obdachlosen getreten und es auch gestanden hatte, zu dem Urteil: „Mein Mandant wurde ebenfalls zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Wichtig ist, dass mit Sicherheit festgestellt wurde, dass die beiden Tritte nicht zum Tod des Opfers geführt haben.“ Es sei kein mediengerechtes Urteil gewesen: „Eher dagegen.“ Ob die Anklagevertretung Revision einlegen wird, steht noch nicht fest. Staatsanwalt Stefan Müller: „Die Einlegung eines Rechtsmittels wird geprüft.“