Moers. Immer mehr Minderjährige nehmen Lachgas. Eine Expertin der Moerser Drogenhilfe ist alarmiert – und warnt Eltern vor weiteren Gefahren für Kinder.

  • Immer mehr Kinder und Jugendliche in Moers konsumieren Lachgas als Droge.
  • Die Leiterin der Moerser Drogenhilfe berichtet von einem enormen Anstieg im Jahr 2023.
  • Auch der zunehmende Missbrauch opiathaltiger Schmerzmittel bereitet der Moerser Expertin Sorge.

In der Moerser Jugend herrscht ein zunehmendes Drogenproblem. Zu dieser bitteren Erkenntnis kommt die Drogenhilfe der Grafschafter Diakone. Und ein Stoff ist unter Minderjährigen besonders gefragt: Lachgas. Der fachlich korrekte Name des nach Angaben der Landesfachstelle Prävention der Suchtkooperation NRW leicht süßlich schmeckenden Gases lautet Distickstoffmonoxid (N2O). Der eigentliche Anwendungszweck für Lachgas liegt zum einen in der Medizin als leichtes Narkosemittel etwa bei der Zahnbehandlung. Zum anderen ist das Gas ein beliebtes Treibmittel in der Lebensmitteltechnik. Es wird unter anderem zum Aufschäumen von Sahne in Sprühdosen oder Kapseln eingesetzt – und ist als technisches Lachgas zu eben diesem Zweck frei verkäuflich.

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Zahlreiche Expertinnen und Experten, darunter auch die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen (kurz: EMCDDA), warnen vor einem missbräuchlichen Konsum des an vielen Kiosks und in Supermärkten erhältlichen Stoffs. Offenbar mit überschaubarer Wirkung: Auch auf Moerser Schulhöfen ist der Lachgas-Hype längst angekommen. Das bestätigt Britta Dietrich-Aust, Fachbereichsleiterin für Drogenhilfe bei der Grafschafter Diakonie, auf Nachfrage unserer Redaktion: „Im Bereich der Suchtprävention ist dieses Phänomen schon länger zu beobachten, da Fachkräfte aus der Kinder- und Jugendarbeit oder auch Lehrende davon berichten, dass Kinder und Jugendliche sich sehr mit dem Thema beschäftigen und auch Lachgas konsumieren.“

Gefährlicher TikTok-Trend Lachgas: Erhebliche gesundheitliche Schäden möglich

Die Sozialpädagogin berichtet, dass die Zahl der Anfragen nach Informationen zum Konsum, Risiken und Wirkung insbesondere innerhalb des vergangenen Jahres deutlich gestiegen seien. Das deckt sich mit dem Zeitrahmen der Veröffentlichung viraler TikTok-Videos, die Anleitungen zum Konsum des legalen Rauschmittels geben. Es sei fatal, dessen Anwendung als spaßigen Kick zu unterschätzen. Schließlich könne der Lachgaskonsum erhebliche gesundheitliche Schäden mit sich bringen, warnt Dietrich-Aust. Sie fordert: „Zum Schutz der Kinder und Jugendlichen sollten wir über die Verfügbarkeit von Lachgas für Kinder und Jugendliche nachdenken.“

Neben dem Konsum von Lachgas wird der Trend sichtbar, dass Kinder und Jugendliche zunehmend opiathaltige Medikamente und Beruhigungsmittel konsumieren
Britta Dietrich-Aust, Leiterin der Moerser Drogenhilfe

Eine Kontrolle oder Messbarkeit der Verbreitung der Trenddroge ist nahezu unmöglich. Das beschäftigt auch die Polizei. „In Deutschland fällt der Konsum von Lachgas nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, wird also nicht als klassischer Drogenkonsum dokumentiert. Dementsprechend liegen keine offiziellen Deliktszahlen vor“, sagt Polizeihauptkommissar Peter Reuters. Das Moerser Bethanien Krankenhaus sowie das St. Bernhard Hospital in Kamp-Lintfort können auf Anfrage ebenfalls keine Auskunft zum Thema erteilen.

Expertin aus Moers: Kind nimmt Drogen – was Eltern tun können

Dass die Datenlage hinterherhinkt, sei nicht unüblich, sagt Britta Dietrich-Aust: „Was Trends angeht, werden uns konsumierende Kinder und Jugendliche leider immer einen Schritt voraus sein. Von daher sind wir froh, wenn diese deutlich werden, um entsprechend aufklären zu können.“ Die Leiterin der Moerser Drogenhilfe empfiehlt Eltern, sich etwa mithilfe der Suchtpräventionsangebote von Trägern wie der Diakonie mit dem Thema auseinandersetzen und Informationen präventiv an ihre Kinder weiterzugeben. Erst zu handeln, wenn ein Fall von Lachgaskonsum im direkten Umfeld bekannt wird, sei zu spät. Zudem regt die Sozialpädagogin an, Suchtprävention verbindlich an Schulen bringen.

Schließlich gebe es noch weitere Stoffe, die unter Minderjährigen in Moers mit alarmierender Geschwindigkeit auf dem Vormarsch seien: „Neben dem Konsum von Lachgas wird der Trend sichtbar, dass Kinder und Jugendliche zunehmend opiathaltige Medikamente und Beruhigungsmittel konsumieren.“ Dieses Phänomen sei bereits in der Beratung angekommen, betont Dietrich-Aust. „Das bedeutet, dass wir hier schon ins Suchthilfesystem vermitteln, da nicht nur präventiver Handlungs-, sondern bereits Behandlungsbedarf entstanden ist.“ Deutschlandweit kritisieren Jugendschützer, dass einige Rapmusiker den missbräuchlichen Konsum von Opioiden wie Tilidin oder Codein als Rauschmittel in ihren Songs verherrlichen und deren meist jugendliche Fans so zur Nachahmung ermutigen könnten.

So wirkt Lachgas als Droge

Laut einem Informationsblatt der Landesfachstelle Prävention der Suchtkooperation NRW wirkt Lachgas auf die Psyche ein. Höhere (missbräuchliche) Dosierungen würden einen kurz anhaltenden euphorisierenden Effekt auslösen. Sekunden nach dem Einatmen, oftmals durch befüllte Luftballons, trete ein leichter Rausch ein. Dieser könne mit schwachen Halluzinationen, Wärme- und Glücksgefühlen einhergehen. „Dieser Zustand hält maximal nur eine Minute an, weshalb eine häufige Wiederholung erforderlich wird. Die motorischen und kognitiven Fähigkeiten können jedoch nach dem Konsum über einen längeren Zeitraum eingeschränkt bleiben, so kann z.B. die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigt sein“, schreibt die Landesfachstelle.