Kreis Wesel. Der Crackkonsum nimmt zu, die Folgen für Konsumenten sind erheblich. Was Drogenberatungsstellen aus Moers, Dinslaken und Wesel berichten.

Der Rausch hält nur kurz an, das Abhängigkeitspotenzial ist groß, die Folgen für Konsumenten sind erheblich: Die Droge Crack ist in Deutschland auf dem Vormarsch. Konsum und Abhängigkeit haben zugenommen, auffällig war das zuletzt vor allem in großen Städten wie Düsseldorf und Dortmund. Doch auch im Kreis Wesel ist das Problem angekommen, berichten Mitarbeitende der Drogenhilfe in Moers, Dinslaken und Wesel.

In den vergangenen Jahrzehnten habe es Kokainwellen für wenige Monate je nach Verfügbarkeit gegeben, sobald es nach polizeilichen Ermittlungen Festnahmen gab, sei wieder Ruhe eingekehrt, sagt Ralf Heyden von der Drogenberatung der Diakonie in Dinslaken. Das hat sich nun gewandelt: Hier sei das Thema Crack um den Jahreswechsel 2021/22 aufgekommen, die Stadt sei in der Region zunächst der Hotspot gewesen. Die Verfügbarkeit habe eine enorme Sogwirkung. Die Befürchtung, dass junge Erwachsene angesprochen werden, habe sich immerhin nicht bewahrheitet. Bei Crack handelt es sich um Kokain, das unter der Zugabe von Backpulver oder Natron rauchbar gemacht wird.

Weseler Drogenberater: „Die Drogenlabore sind jetzt nicht mehr so weit weg.“

Seit Mitte letztes Jahres beobachtet Jörg Kons, Geschäftsführender Leiter der Drogenberatung Wesel, auch in der Kreisstadt einzelne Crack-Fälle, vorher habe es keine gegeben. Er führt das auf die allgemeine Entwicklung und Gemengelage zurück: „Der Großteil der Drogen wird billig, insbesondere chemische Drogen kommen über unterschiedliche Kanäle zu uns“, das Darknet und die Nähe zu den Niederlanden spielten eine Rolle. „Die Drogenlabore sind jetzt nicht mehr so weit weg.“ Kons nennt auch das Bewusstsein für die Qualität, inzwischen werde das genommen, was verfügbar und günstig ist, macht er ein weiteres Problem deutlich.

Auch in Moers habe sich inzwischen herausgestellt, dass Crack hier mehr konsumiert wird, berichtet Britta Dietrich-Aust, Fachbereichsleiterin der Grafschafter Diakonie Moers und Kamp-Lintfort. „Die Verelendung haben wir schon seit Längerem gesehen, aber zunächst nicht damit in Zusammenhang gebracht.“ So verheerend wie in Düsseldorf sei das in Moers nicht zu beobachten. Doch Dietrich-Aust nennt die Auswirkungen der Droge: auf das soziale Gefüge, die optische Vernachlässigung. Crack sorge „für den schnellen Kick“, habe eine hohe psychische Abhängigkeit zur Folge, mache in der Regel sehr aggressiv.

Welche Erfahrungen der Zoll mit Kokain am Niederrhein macht

Crack beschleunige die körperliche Verelendung, in der Regel treffe es Menschen, die Jahrzehnte lang bereits Drogen konsumierten, sagt Ralf Heyden. Crack mache gierig, der Druck, schnell etwas zu besorgen, sei stark. Früher habe es bei Kokain eine Mindestabgabe von einem Gramm gegeben, inzwischen sei der Preis für das Gramm zwar gesunken, aber Crack werde auch als zehntel Gramm abgegeben. „Für das Klientel natürlich attraktiv, zehn Euro sind schon mal eher verfügbar“, sagt Heyden.

Wie könnte dem zunehmenden Konsum entgegengewirkt werden? Ordnungsrechtlich müsse das reguliert, die Verfügbarkeit reduziert werden, so Heyden. Zum anderen seien mehr Entgiftungsplätze wünschenswert, die Nachfrage sei wesentlich höher als die Verfügbarkeit. Bei Crack gebe es nicht die heftigen Entzugssymptome wie bei Heroin, was mit Methadon substituiert werde. Dafür ermögliche ein Klinikaufenthalt aber die medizinische Begleitung mit Medikamenten gegen Unruhe und Schlafstörungen – und den wichtigen „Tapetenwechsel“.

Das Hauptzollamt Duisburg ist in dieser Region dafür zuständig, den Schmuggel von verbotener Ware – dazu gehören auch Betäubungsmittel – zu verhindern. Der Zoll kontrolliere verdachtsunabhängig, jedoch stark risikoorientiert und beobachte die Entwicklung des Schmuggels. Insgesamt 6 Kilogramm Kokain wurden 2021 sichergestellt, im vergangenen Jahr waren es 670, die Menge resultiere unter anderem aus einem besonders großen Aufgriff mit 635 Kilogramm in Duisburg, heißt es auf Nachfrage. Auch in diesem Jahr kommt es immer wieder zu Meldungen: So fanden Einsatzkräfte im Mai 30 Pakete Kokain auf der A3 im Kreis Kleve, im April wurden mindestens 7 Kilogramm gefunden.

Weitere Herausforderungen für die Drogenberatungsstellen im Kreis Wesel

  • Den Drogenberatungen fehlen Substitutionsärzte im Kreis Wesel, also Mediziner, welche Ersatzstoffe wie beispielsweise Methadon herausgeben. Gebe es mehr Ärzte, würden sich die Substitutionsfenster anders verteilen, erläutert Britta Dietrich-Aust. Sonst sei kaum Distanz zur Szene möglich. Außerdem eine Herausforderung: Aufgrund der erfolgreichen Angebote und Behandlungen würden Klienten älter, seien aber stark vorgealtert und pflegebedürftig, gingen nicht zum Arzt, sie müssten ins System integriert werden.
  • Auch Psychiater und Therapieplätze seien rar, so Jörg Kons. Er verweist zudem auf die Kinder der Suchtkranken, „die brauchen den Schutz der Gesellschaft“.