Neukirchen-Vluyn. Angelika von Speicher ist Ratsfrau in Neukirchen-Vluyn und möchte eine naturnahe Waldwirtschaft. Ohne schweres Gerät. Was sie als nächstes plant.
Für Angelika von Speicher ist klar: Sie kämpft weiter. Für den Wald. Für die Natur. Für den Fortbestand der grünen Lungen am Niederrhein. Und: für einen Paradigmenwechsel in der Forstwirtschaft. Hin zu schonenden Methoden. Im Frühjahr hatte sie kurz Anlass zur Hoffnung, weil eine vorgesehene Durchforstungsmaßnahme des Wäldchens am Klingerhuf ausgesetzt wurde.
Die Freude hielt nicht lange an. Die Arbeiten sollen noch in diesem Jahr durchgeführt werden. „Die im letzten Winter ausgesetzten Arbeiten sollten auch der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht dienen und sind vor diesem Hintergrund zeitnah auszuführen“, heißt es dazu in einer Verwaltungsvorlage für den Fachausschuss, der sich damit Ende August befasst hatte.
Die Neukirchen-Vluynerin möchte keinen Harvester-Einsatz
Für Angelika von Speicher, Ratsfrau der Fraktion ÖDP/BNV, ist das ein Unding. „Es gibt keine Verkehrssicherung im Wald“, sagt sie. Beim Gang durch das Wäldchen zeigt sie auf den Baumbestand. Etliche der Bäume sind mit einem orangefarbenen Strich markiert. „Die Anzeichnungen stammen noch aus dem Frühjahr“, erklärt die Ratsfrau.
Dass die Waldflächen nicht als Wirtschaftswald anzusehen sind, wie es in der Verwaltungsvorlage unter anderem als „Konsens“ heißt, mag sie nicht glauben. Man wolle hier ein Drittel der Schwarzkiefern entnehmen, sagt sie und zeigt auf einen offensichtlich kranken Baum, der im Gegensatz zum gesunden Baum daneben keine Markierung trägt. „Der Holzpreis ist hoch ...“, setzt von Speicher an. Thujen und ein paar Fichten sollen auch gefällt werden, führt sie weiter aus.
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Mit Blick auf die Sicherheit hat sie sich kürzlich an den Baubetriebshof gewandt und darum gebeten, einen Baum zu entfernen, von dem eine Gefahr ausgehe. Er steht an der Wegkreuzung zum Bahnübergang im Klingerhufwald. Wie die Ratsfrau ausführt, ist er schon vor längerem abgebrochen; der etwa fünf Meter lange Ast hänge nur noch auf einem Teil des Stammes und drohe, auf die darunter liegende Wegkreuzung zu fallen. Dieser tote Baum sei im Übrigen nicht zum Fällen markiert worden, gibt sie zu bedenken.
Die Ratsfrau hält nicht viel von herkömmlichen Methoden der Forstwirtschaft, schon gar nicht vom Einsatz schweren Geräts. „Hier ist es im Sommer schön kühl“, sagt sie. Wenn zu viele Bäume geschlagen werden, bekämen „die Bestandsbäume heiße Füße“ und die Kühlungsfunktion des Waldes wäre nicht mehr gegeben.
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Schon früher hatte die Neukirchen-Vluynerin zum Umdenken aufgerufen und dabei das sogenannte Lübecker Modell ins Gespräch gebracht, das eine besonders naturnahe Waldwirtschaft impliziert. Auf die NRZ-Anfrage bei der Stadt Lübeck, welche Erfahrungen man dort gemacht habe, heißt es Bezug nehmend auf die Online-Darstellung des Verfahrens: „Seit rund einem Vierteljahrhundert werden Lübecks Wälder nach dem Konzept der ,naturnahen Waldnutzung’ bewirtschaftet. In diesen 25 Jahren hat das auch Lübecker Konzept oder integrativer Prozessschutz genannte Waldmanagement nicht nur viel Anerkennung im In- und Ausland gefunden, es hat sich auch der Wald nachhaltig verändert.“
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Und weiter schreibt eine Sprecherin der Stadt: „Er ist naturnäher geworden und wirtschaftlich leistungsfähiger. Der Lübecker Stadtwald steht aufgrund seines Waldkonzeptes nicht nur im Fokus von Wissenschaftler:innen und Studierenden, sondern auch Waldexpert:innen aus dem In- und Ausland interessieren sich für die besondere Art der Waldbewirtschaftung.“
In Neukirchen-Vluyn bleibt ein Dissens
In Neukirchen-Vluyn bleibt es zunächst weiterhin beim Dissens zwischen der engagierten Bürgerin und den Behörden. „Die Stadtverwaltung Neukirchen-Vluyn schätzt die fachliche Beratung durch den Landesbetrieb Wald und Holz NRW und holt ihn regelmäßig und gerne ein“, heißt es hier auf Nachfrage aus dem Rathaus.
Und weiter: „Dringende verkehrssichernde Maßnahmen wie Astbeschnitt oder einzelne Baumentnahmen werden stets kurzfristig durchgeführt und sind auch hier bereits erfolgt. Es ist weiterhin geplant, die seinerzeit ausgesetzte, größere Maßnahme durchzuführen.“
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Wie die Stadt schreibt, gehöre dazu „ein Pflegehieb im Eichenbestand zu deren Erhalt“. Sobald die Abstimmungen dazu mit dem Landesbetrieb erfolgreich seien, solle in üblicher Weise ein entsprechender Auftrag vergeben werden. Es sei ebenfalls weiterhin geplant, ein Konzept für die Entwicklung des städtischen Waldbestandes zu verfassen. Im November wird sich der Fachausschuss damit beschäftigen.
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So lange möchte Angelika von Speicher nicht warten. Sie gründet jetzt eine Bürgerinitiative „Waldwende Niederrhein“. Am Montag, 9. Oktober, gibt es um 18 Uhr für Interessierte ein erstes Treffen im Kuca, Von-der-Leyen-Platz 1. Zu diesem Termin informiert die Ratsfrau über die Ziele und die Forderungen. Dazu gehören unter anderem ein „sofortiger umfassender Schutz aller FFH oder Natura2000-Gebiete am Niederrhein vor forstlichen Eingriffen“ und „kein Einsatz von Harvestern oder schwerem Gerät bei Fällarbeiten in anderen Waldgebieten“. Die Ratsfrau ist entschlossen und behält sich Strafanzeigen vor.