Neukirchen-Vluyn. Die Arbeiterwohlfahrt im Kreis Wesel hat in Neukirchen-Vluyn einen besonderen Friseursalon eröffnet. Hair-lich bietet einen speziellen Service.

Ein Friseurbesuch ist mehr als nur ein neuer Haarschnitt. Das zeigt sich immer wieder. Am Grafschafter Platz hat das jetzt sogar zu einer Geschäftsübergabe geführt. Da hatte sich nämlich der Vorstandsvorsitzende der Awo im Kreis Wesel, Jochen Gottke, als Stammkunde in die flinken Hände von Hans-Theo Sander begeben, als dieser vor der altersbedingten Geschäftsaufgabe stand. Beim Haareschneiden haben sich die beiden Männer über die Zukunft des Ladens unterhalten. Die Folge: hair-lich. So heißt der sozialfreundliche Friseursalon, den die Awo am Mittwochmorgen in eben diesem Salon feierlich eröffnet hat.

Es ist ein besonderes Angebot; eines, das es in dieser Form im Kreis Wesel noch nicht geben dürfte. Selbstverständlich erhalten Menschen, die es sich leisten können, einen Haarschnitt zu ortsüblichen Preisen. Wer aber Sozialleistungen bezieht, bekommt die Haare etwas günstiger frisiert. Manche Menschen müssen jeden Euro fünfmal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben.

Der Zulauf bei den Tafeln und die Existenz ähnlicher Angebote belege, dass die Regelsätze nicht ausreichen, unterstrich Awo-Chef Gottke bei der Eröffnung. Trotzdem hat an diese Form der körpernahen Dienstleistung bisher offenkundig noch niemand gedacht. Wer ein geringes Einkommen hat und über die Stadt nach Vorlage entsprechender Dokumente einen NV-Pass, wird im Salon „hair-lich“ begünstigt behandelt. Das Angebot richtet sich an Frauen, Männer und Kinder.

Friseur HAIR-lich .
Friseur HAIR-lich . © FFS | Volker Herold

Das Schöne für Sanders frühere Stammkundinnen und -kunden: Anni arbeitet jetzt für die Awo. Annela Zahirovic ist neben der Friseurmeisterin Judith Backhaus weiterhin im Salon tätig. Die Friseurleistungen stehen bei „hair-lich“ selbstredend im Vordergrund.

Daneben werden aber auch Beratungen zum Bürgergeld, zur Rentenversicherung, Wohngeld und dergleichen mehr angeboten. Zu festen Terminen stehen Expertinnen und Experten in einem Büroraum zur Verfügung. In diesem Zuge können die Hilfesuchenden mit den Fachleuten zusammen bei Behörden anrufen oder am PC Antwortschreiben verfassen.

Im Laufe des Jahres wird noch einiges im Laden umgebaut. Im linken Teil des Ladens wird eine sogenannte nette Toilette eingebaut. Die ersetzt die ursprünglichen Planungen, auf dem Grafschafter Platz eine WC-Anlage zu installieren. Wie der Technische Beigeordnete Ulrich Geilmann am Mittwoch sagte, sei es gelungen, Fördermittel vom Umbau des Platzes an dieses Projekt zu übertragen. Das zeige, wie bedeutsam und besonders der Friseursalon offenkundig auch für das Ministerium und die Bezirksregierung ist.

Damit sind die Umbaupläne aber noch nicht am Ende. Im Vorraum des WC möchte die Awo eine Waschmaschine und einen Trockner zur Verfügung stellen, die gegen eine kleine Spende genutzt werden können. Vor dem Gebäude wird das Niveau barrierefrei gestaltet.

An der rechten Seite wird eine weitere Eingangstür gesetzt. Die Anzahl der Arbeitsplätze wird auf vier reduziert, dafür wird es einen kleinen Wartebereich geben. Was aus den Trockenhauben wird, ist offenbar noch unklar. Klar ist dagegen, dass die Awo weitere Ideen hat. Langzeitarbeitslose sollen eine Arbeitsgelegenheit bekommen, die Friseurdienstleistungen könnten auf Besitzer des Moers-Passes ausgeweitet werden.

Für Bürgermeister Ralf Köpke, der sich ebenfalls einen Eindruck vom Salon gemacht hat, steht fest: „Das ist eine Win-Win-Situation für uns alle.“