Moers. Gegen einen wegen Missbrauchs verurteilten früheren Moerser Priester läuft ein Kirchenstrafverfahren. Gutachten fördern Einzelheiten zu Tage.
Gegen den Pfarrer, der mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen verurteilt worden ist und der zeitweise auch in St. Bonifatius in Asberg tätig war, läuft ein kirchliches Strafverfahren. Wie das Erzbistum Köln auf NRZ-Anfrage bestätigt, hatte es den Fall im Oktober vergangenen Jahres nach Rom gemeldet. Die Glaubenskongregation des Vatikan teilte am 3. März 2020 mit, dass von der Verjährung der Taten abgesehen und ein Strafprozess eingeleitet werden sollte. Geführt wurde es in Köln, seit kurzem ist es abgeschlossen. Über das Ergebnis werde man berichten, sobald Rom das Urteil bestätigt hat, erklärte ein Sprecher des Erzbistums. Das Verbot der Ausübung des Priesteramtes gehe damit einher. Die Wochenzeitung „Christ & Welt“ (C&W) hat jetzt Teile eines Gutachtens, das im Auftrag des Erzbistums Köln erstellt wurde und noch unter Verschluss gehalten wird, öffentlich gemacht.
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Pfarrer A. ist bis heute Priester des Erzbistums Köln, wo er 1960 zum Priester geweiht wurde. Im Laufe von Jahrzehnten war er in drei Bistümern tätig, unter anderem im Bistum Münster, das über den Fall im November 2019 erstmals berichtete. Schon damals war bekannt, dass A. trotz Verurteilungen zu einer Haft- und einer Bewährungsstrafe – unter anderem 1972 wegen „fortgesetzter Unzucht mit Kindern und Abhängigen“ – und pädophiler Neigungen Priester bleiben konnte und immer wieder in anderen Pfarreien eingesetzt worden war.
Kontakt zu Strichjungen und minderjährigen Prostituierten auf Sri-Lanka-Reise
Mittlerweile gibt es zwei Gutachten zu dem Fall. Eines des Erzbistums Köln, ein weiteres des Bistums Essen, das in dieser Woche veröffentlicht werden soll. Beiden Gutachten zufolge, so C&W, soll A. vor seiner Asberger Zeit Kontakt zu Strichjungen und minderjährigen Prostituierten während einer Reise nach Sri Lanka gehabt haben. 1974 wurde er erneut verhaftet wegen „des Verdachts von sexuellem Vergehen an Jugendlichen während seiner zweiten Kaplanstelle in Köln“, wie die Anwälte der Kanzlei Axis laut C&W im Essener Auftrag schreiben.
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A. kam nach Stationen in Köln, Essen, Bocholt, Westerkappeln und Recklinghausen 1986 als Aushilfspfarrer nach Moers-Asberg. Wie Gemeindemitglieder, die ihn kannten, der NRZ nach der Veröffentlichung der Vorfälle berichteten, genoss er hier zunächst hohes Ansehen und war sehr beliebt. Man sei „froh“ gewesen, einen Priester zu erleben, „der erstmals etwas für die Jugend tat“, hieß es seinerzeit. Manche erinnerten sich auch an die „beste und engagierteste Kommunionvorbereitung“, die es bis dahin in St. Bonifatius gegeben habe.
In einem Gebüsch am Güterbahnhof in Duisburg erwischt
Doch zwei Jahre nach seiner Versetzung nach Moers wurde A. erneut verhaftet. Die Polizei, so berichtet es C&W, soll A. damals am Güterbahnhof Duisburg mit einem minderjährigen Stricher im Gebüsch erwischt haben. Es folgten Untersuchungshaft und eine Anklage, die, wie Historiker der Universität Münster laut C&W bestätigen, dem Priester sieben Missbrauchstaten an vier Opfern zur Last legte. Drei Opfer seien Stricher gewesen, ein Opfer habe aus A.s Gemeinde gestammt, das jüngste sei zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt gewesen. Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigte A. eine „deviante, mithin abnorm triebhafte Persönlichkeit“ mit einer „fixierten homophilen Pädophilie“. Das Urteil fiel selbst für die damalige Zeit milde aus: zwei Jahre auf Bewährung.
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Ob es in Asberg weitere Opfer gegeben hat, ist ungewiss. Gemeldet habe sich niemand, sagt Peter Frings, der Interventionsbeauftragte des Bistums Münster, im Gespräch mit der NRZ. Er hält es aber für möglich, dass mancher, der Opfer von Übergriffen durch A. wurde, darüber heute nicht sprechen möchte. Frings hatte im Übrigen ein bemerkenswertes Erlebnis, als er im November 2019 mit Weihbischof Rolf Lohmann zu einem Informationsabend im Pfarrsaal von St. Bonifatius war. Nach der Veranstaltung seien zwei Gemeindemitglieder zu ihm gekommen: „Die haben mir tatsächlich gesagt: ‘Herr Frings, das haben wir doch gewusst, dass Pfarrer A. ein verurteilter Sexualstraftäter war’“, berichtet Frings. Das Verschweigen von A.s Geschichte, schließt der Interventionsbeauftragte daraus, sei offenbar nicht nur ein Problem der Kirchenleitung gewesen, „sondern auch von Laien“.
„...da sonst eine Rückfallgefahr bestehe.“
Auf seiner Internetseite berichtet das Erzbistum Köln von „Absichten“ im Jahre 1989, A. zu suspendieren oder außerhalb der Seelsorge einzusetzen. Ob dies die Folge der Vorkommnisse während der Zeit des Aushilfspfarrers in Asberg war, könne man nicht konkret beantworten, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage. Nach Aktenlage habe das Erzbistum 1989 Kontakt zu A. aufgenommen mit der Begründung, „das dieser eine enge Führung benötige, da sonst eine Rückfallgefahr bestehe.“ Ziel sei eine freiwillige Sicherheitsverwahrung gewesen. Soweit kam es offenbar nicht: A. wurde zum 1. September Altenheimseelsorger beim Clarenbachwerk Köln.
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A. ist mittlerweile 87 Jahre alt und lebt in einem Pflegeheim. In einem Interview vom 18. November stellt C&W dem Essener Bischof Franz-Josef Overbeck die Frage, ob er den Eindruck habe, dass A. seine Taten bereue und Verantwortung übernehme. Overbecks Antwort: „Ich habe in den Protokollen nichts gefunden, das darauf hindeutet.“