Moers/Niederrhein. Die Niag in Moers sucht Busfahrer. Quereinsteiger wie Astrid Lüke (50) sind willkommen. Ausbildung und Beruf sind für sie eine Herausforderung.

Es wird eine Herausforderung, da ist sie sicher. „Für mich persönlich als Busfahrerin zu arbeiten, aber auch für meine Familie – mit den ganzen Wechselschichten und so. Das wird erst einmal eine große Umstellung werden“, meint Astrid Lüke.

Die 50-jährige gelernte Zahnarzthelferin aus der Nähe von Raesfeld im Kreis Borken ist Mutter von drei Kindern und absolviert seit August die Quereinsteiger-Ausbildung als Berufskraftfahrerin bei der Niag in Moers. Zusammen mit neun weiteren Auszubildenden lernt sie täglich von 8 bis 16 Uhr alles fachliche, technische und praktische Wissen, um künftig Fahrgäste mit dem Bus im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sicher – und bestenfalls pünktlich – zu befördern.

Die Frau ist ein Glücksfall für die Niag

„Für unser Unternehmen ist sie ein echter Glücksfall“, sagt Hans-Rudolf Röhling, Leiter des Niag-Bildungszentrums. Nicht nur, weil das Unternehmen derzeit händeringend nach neuen Busfahrern und Auszubildenden – auch Quereinsteigern – sucht. „Astrid Lüke hat vor allem bereits Fahrpraxis im Bereich der Personenbeförderung“, so Röhling. Eine Voraussetzung sei dies nicht, um aus einem anderen Beruf zum Busfahrer ausgebildet zu werden. „Aber es ist natürlich ein großer Vorteil“, so der Leiter des Niag-Bildungszentrums.

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Nach dem Schülerbus fuhr die künftige Busfahrerin in ihrer Freizeit einmal in der Woche ehrenamtlich den Bürgerbus in ihrem Ort. „Von einem Niag-Fahrer erhielten wir dazu eine Einweisung. Und er machte uns dabei auf die Ausbildungsmöglichkeiten in Moers aufmerksam“, so Astrid Lüke.

Den Entschluss, das Hobby zum Beruf zu machen, fasste sie dann schnell. „Meine Kinder sind groß genug, so dass sie mich nicht mehr die ganze Zeit brauchen. Und ich bin 50 Jahre alt und muss noch ein paar Jahre arbeiten. Ich dachte mir: Wenn nicht jetzt, wann dann? Und das Busfahren hat mich schon immer fasziniert.“

Auch Juristen oder Agrarwissenschaftler kommen auf den Bock

Die Berufe, aus denen die aktuellen Busfahrer-Anwärter und -Anwärterinnen als Quereinsteiger kommen, sind sehr verschieden. „Wir bilden zum Beispiel auch einen Flüchtling aus, der eigentlich Jurist ist und früher eine eigene Kanzlei in Syrien hatte“, erzählt Hans-Rudolf Röhling. Auch ein Agrarwissenschaftler sei darunter. „Doch von beiden werden die Berufsabschlüsse hier nicht anerkannt. Sie wollen aber ihre Familien mit ihrem eigenen Geld ernähren. Und wir suchen eben dringend Menschen, die bereit sind, sich als Busfahrer ausbilden zu lassen und die natürlich auch die persönlichen Voraussetzungen dazu mitbringen. So kamen sie zu uns.“

Die Auszubildende Astrid Lüke freut sich auf den Start.
Die Auszubildende Astrid Lüke freut sich auf den Start. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Viele Quereinsteiger hätten zuvor auch im Handwerk oder in der Industrie gearbeitet, aber es seien auch Auszubildende aus kaufmännischen Berufen unter den Fahrer-Schülern, so Röhling. „Und einmal haben wir sogar einen Diplom-Artisten ausgebildet, der heute noch bei uns als Busfahrer arbeitet.“

Leider sei der Beruf aber gesellschaftlich nicht sehr hoch angesehen, bedauert der Leiter des Bildungszentrums. Allerdings zu Unrecht, wie er findet, da es sich nicht nur um eine herausfordernde, verantwortungsvolle und anspruchsvolle, sondern auch um eine sehr vielseitige und spannende Aufgabe handele.

„Die Auszubildenden lernen Technik und erwerben Fahrpraxis im Straßenverkehr, aber es werden auch Sozialwissen, Arbeitsrecht, grenzüberschreitender Verkehr, Linien- und Gelegenheitsverkehr, Umgang mit Fahrgästen und mit sich selbst (Stichworte: Gesundheitsprävention und Stressbewältigung), Notfallmanagement, Kommunikation und noch weiteres Wissen vermittelt.“

Dennoch sei es immer schwieriger, neue Auszubildende zu finden, sagt Hans-Rudolf Röhling. Grund hierfür sei auch, dass es aktuell eine Situation auf dem Arbeitsmarkt nahe der Vollbeschäftigung gebe. „Früher mussten wir unsere Auszubildenden noch an ein Unternehmen vermitteln und beide zusammenbringen.

Es wird immer schwieriger, Auszubildende zu finden

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Heute rufen die Unternehmen bei uns an und fragen, ob sie einen Auszubildenden von uns übernehmen können, wenn er fertig ist.“ Zudem sei auch das Busfahrergehalt, „so wie es leider in allen Dienstleistungsbereichen nahezu üblich ist“, so der Bildungszentrums-Leiter, nicht üppig, „aber man kann eine Familie schon davon ernähren“.

Die Busfahrer der Niag verdienten aber alle nach dem geltenden Tarifvertrag. „Danach (TV N NRW 5a 1) erhält ein Busfahrer im ersten Berufsjahr als monatliches Einstiegsgehalt 2495,41 Euro brutto. Hinzu kommen die Schicht- und sonstigen Zulagen sowie bei uns auch eine Weihnachtsgratifikation, Vermögenswirksame Leistungen und eine Rentenzusatzvorsorge.“ Außerdem stünden den Mitarbeitern der Niag zusätzliche Sportangebote sowie begleitende Physiotherapie und Massagen zur Verfügung, wirbt Röhling für eine Tätigkeit im Unternehmen.

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Für Astrid Lüke jedenfalls ist dieses Gesamtpaket genau das Richtige. Sie freut sich jetzt schon auf ihren neuen Beruf. „Am 23. Januar bin ich fertig. Im Anschluss folgen 30 Tage Praktikum, also Busfahren auf der Linie mit einem Fahrbegleiter“, sagt sie. Was dann allerdings auf sie zukommt, „das wird meine eigenen Erwartungen sicher übertreffen“, ahnt sie.

Besonders in der aktuellen Situation, in der immer wieder ganze Fahrten aufgrund von Busfahrermangel bei der Niag ausfallen und viele Fahrer den Frust der Fahrgäste darüber abbekommen. „Das bekomme ich natürlich auch mit“, sagt Astrid Lüke. „Aber vielleicht kann ich als eine weitere Busfahrerin für die Niag dann auch dazu beitragen, dass die Situation besser wird.“

>> Ausbildung zum Busfahrer <<

Bei der Niag sind aktuell rund 350 Busfahrer beschäftigt sowie rund 350 weitere Fahrer, die für Auftragsunternehmen im gesamten Verkehrsgebiet (Kreise Wesel, Kleve, Viersen und Borken sowie die Städte Duisburg, Oberhausen und Krefeld bis in die niederländische Grenzregion nach Venlo, Nimwegen oder s’ Heerenberg) tätig sind.

In zehn Jahren wurden bis Mitte 2018 insgesamt 310 Busfahrer in Moers ausgebildet. Von Mitte 2018 bis heute seien etwa noch einmal 50 weitere Busfahrer hinzu gekommen. „Doch nicht alle bleiben hier in unserem Gebiet“, sagt Hans-Rudolf Röhling, Leiter des Niag-Bildungszentrums. Vor allem aus Gründen der Wohnortnähe arbeiteten einige Busfahrer nach ihrer Ausbildung für Auftragsunternehmen. Die meisten Fahrer blieben aber bei der Niag.

Die nächsten Ausbildungen für Busfahrer-Quereinsteiger bei der Niag beginnen am 25. November 2019 sowie am 23. März 2020, an der jeweils maximal 15 Auszubildende teilnehmen können. Weitere Infos hierzu gibt es auch im Internet unter: www.niag-bildung.de