Neukirchen-Vluyn. . Zum vierten Mal innerhalb eines Jahres hat es in einem Hochhaus in Neukirchen-Vluyn gebrannt. Die Bewohner vermuten, dass Brandstifter am Werk waren.

Wer tut sowas, warum? Ist es einfach Gedankenlosigkeit? Oder gibt es tatsächlich jemanden, der die Menschen am Vluyner Nordring in Angst und Schrecken versetzen will? Schlüssige Antworten weiß bislang niemand, aber ebenso wenig glaubt irgend jemand an Zufall. Und sicher ist auch: Vor allem die Menschen in der Hausnummer 55 leben mit der puren Angst. Binnen Jahresfrist hat es am Samstag in ihrem Haus zum vierten Mal gebrannt. Ein Bewohner wurde schwer verletzt, ein weiterer leicht.

Samstag Nachmittag halb vier, Ulla Bauer hat es sich auf dem Sofa vor dem Fernseher in ihrer Wohnung in der zweiten Etage gemütlich gemacht. Plötzlich knallt es zweimal, ziemlich laut, „wie bei einer Explosion“, erzählt sie. Von draußen hört sie einen Schrei, sie reißt ihre Wohnungstür auf, im Treppenhaus riecht es nach Qualm. Ulla Bauer nimmt ihren Hund Ben, hämmert bei ihrer Nachbarin an die Tür und stürzt ins Freie. Aus der fünften Etage dringt Rauch, zwei Stockwerke darüber steht ein Mann am Fenster und ruft um Hilfe. Ulla Bauer alarmiert per Handy die Feuerwehr.

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Für die Neukirchen-Vluyner Wehrleute war es einmal mehr ein Großeinsatz an den Nau-Bauten. Beide Löschzüge und beide -gruppen waren vor Ort, ein Notarzt, dazu eine zusätzliche Drehleiter und drei Rettungswagen aus Moers. Während ein Trupp die brennende Wohnung in der fünften Etage löschte, durchsuchten drei weitere Treppenhaus und Wohnungen nach Menschen.

Zwei Verletzte werden ins Krankenhaus gebracht

In der siebten Etage retteten sie einen 35-Jährigen, der eine schwere Rauchgasvergiftung erlitten hatte. Einen weiteren Bewohner – mit leichter Vergiftung – trafen die Retter im fünften Obergeschoss an. Beide wurden ins Krankenhaus nach Moers gebracht. Alle anderen kamen rechtzeitig ins Freie und blieben unverletzt.

Kurz nach 16 Uhr waren die Flammen gelöscht. Das Gebäude wurde anschließend zwar gelüftet, doch der Schaden durch Rauch und Löschwasser ist erheblich: „Ab der vierten Etage aufwärts ist das Haus unbewohnbar“, berichtete Feuerwehrchef Lutz Reimann nach einer Inspektion des Hauses. Die Kripo schätzt den Sachschaden auf 70 000 Euro.

Tür der leeren Brandwohnung war eingetreten

Nur gut die Hälfte der 17 Wohnungen war belegt gewesen. In dem Haus habe „ein ständiges Kommen und Gehen“ geherrscht, berichten Bewohner. Mancher weiß nicht einmal, ob die Nachbarwohnung belegt ist oder nicht. Kein Wunder also, dass es selbst für Anneke van der Veen vom Treff 55, der seine Räume im Erdgeschoss hat, nicht einfach war, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, ob kurzfristig Ersatzwohnraum benötigt wurde. Schließlich musste das Ordnungsamt einen Bewohner unterbringen. Die anderen konnten zurück in ihre Wohnungen.

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Die Kripo begann sofort damit, nach der Ursache des Brandes zu suchen. Die Wohnung, in der das Feuer ausbrach, stand leer, die Tür war eingetreten. Noch dauern die Ermittlungen an, aber am Vluyner Nordring geht jeder davon aus, dass es sich – wie bei den ungeklärten Bränden zuvor – um Brandstiftung handelt, weshalb sich die Bewohner die bange Frage stellen, wann es wieder brennt und ob dann nicht viel Schlimmeres passiert: „Die Leute haben unglaubliche Angst“, weiß auch Anneke van der Veen. „Es ist zum Heulen“, bestätigt Ulla Bauer. „Wir müssen hier raus!“

Bürgermeister Harald Lenßen, der zum Einsatzort kam, sieht das genauso. „Wir bekommen hier keine Ruhe rein“, erklärte das Stadtoberhaupt. „Es muss hier weitergehen, und zwar zügig, nicht irgendwann. Ein solches Ereignis erhöht den Druck.“

Haus-Eigentümer ist geschockt

Schockiert reagierte auch Eigentümer Sebastian Olbrich: „Ich frage mich, was in jemandem vor sich geht, der Menschen so in Angst versetzt. Ich bin bloß froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist.“ Am Montag werde er mit der Stadtverwaltung über das weitere Vorgehen sprechen. Ob die oberen Etagen in dem Brandhaus nun endgültig gesperrt werden und er den Betroffenen kurzfristig Ersatzwohnraum zur Verfügung stellen kann, will Olbrich ebenfalls in den kommenden Tagen klären.