Kreis Wesel. Im Streit um die Klage gegen die Kiespläne wirft der Kreis Wesel dem RVR eine einseitige Informationspolitik vor. Der RVR sieht sich im Recht.
Die Klage gegen den Regionalplan Ruhr ist vor eineinhalb Wochen rausgegangen, aber hinter den Kulissen tobt schon längst ein Krach über die Deutungshoheit. Die grundsätzlichen Fronten sind bereits geklärt. Im Zentrum des Streits steht jetzt aber vielmehr die Frage nach der gerechten Informationsverbreitung.
Der Kreis Wesel wirft dem Regionalverband Ruhr vor, die Verbandsversammlung einseitig und aus der eigenen Warte heraus über die potenziellen Folgen der Klage informiert zu haben. Anlass ist ein Rundschreiben, in dem der RVR-Referatsleiter der Regionalplanung, Michael Bongartz, seine Einschätzung über die Klage und ihre möglichen Folgen teilt. So ergäben sich aus dem Rechtsgutachten keine Argumente, „die die von uns vorgeschlagene Festlegung der Bereiche für die Rohstoffgewinnung in Frage stellen bzw. unsere Abwägung für rechtsfehlerhaft erscheinen ließen“.
Kiesstreit zwischen Kreis und RVR: „Im Hintergrund fliegen die Fetzen“
Dass er sich bei seinen Ausführungen lediglich auf das vorläufige und kürzere Rechtsgutachten bezieht, das Rechtsanwalt Professor Martin Beckmann im Auftrag des Kreises Wesel und der Kommunen vor rund einem Jahr erstellt hat, und nicht auf das endgültige, mehr als 160 Seiten lange Gutachten, das dem OVG Münster vorliegt, sorgte bei der Kreisverwaltung für Ärger. Kreis-Beigeordneter Helmut Czichy schickte ein Anschreiben nach Essen, das zwischen den Zeilen erkennen lässt, wie kritisch das Verhältnis zwischen Kreis und RVR mittlerweile ist.
Dem Anschreiben fügte Czichy eine Antwort von Rechtsanwalt Beckmann hinzu, die Bongartz‘ Ausführungen zerpflückt und dem obersten RVR-Regionalplaner unter anderem „defizitäre Kenntnisse vom Verwaltungsprozessrecht“ bescheinigt. Beckmann schließt mit den Worten, dass es vielleicht ratsam wäre, das mit 166 Seiten umfangreichere und vollständige Gutachten zu lesen, „bevor dessen rechtliche Irrelevanz in Rundschreiben bescheinigt wird“. Das Problem: Das gesamte Gutachten lag dem RVR bis vor Kurzem gar nicht vor.
Sie habe Landrat Ingo Brohl „unverzüglich um die Übersendung des Gutachtens gebeten“, dieser sei ihrer Bitte aber nicht nachgekommen, schreibt Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel in einer Mail an die Verbandsversammlung. Somit habe das vollständige Gutachten noch nicht vorgelegen, als Michael Bongartz die Mail mit den rechtlichen Einschätzungen verschickt habe. Mittlerweile liege das Gutachten vor, ändere aber nichts an der Rechtsauffassung des RVR.
Der Kreis Wesel bestätigt auf Anfrage, dass das Gutachten nicht umgehend zur Verfügung gestellt wurde. „Eine Eilbedürftigkeit war aus der Anfrage der Regionaldirektorin nicht erkennbar“, schreibt der Kreis, „vor allem nicht der Hintergrund, dass der RVR seine Verbandsversammlung bezüglich der zu erwartenden Klage des Kreises Wesel und der vom Kiesabbau betroffenen Kommunen beschwichtigen wollte.“ Zudem sei der RVR formalrechtlich „nicht mehr Herr des Regionalplan-Verfahrens“ gewesen. „Dies war die Landesplanungsbehörde als genehmigende Stelle“, so der Kreis weiter. Und dem Wirtschaftsministerium habe das gesamte Gutachten bereits im Dezember 2023 vorgelegen. Mit anderen Worten: Wenn das Ministerium gewollt hätte, hätte es das Gutachten an den RVR weiterleiten können. Der RVR selbst sieht sich allerdings durch das Ministerium in seiner Rechtsauffassung bestätigt. Schließlich habe der Regionalplan die Rechtsprüfung bestanden, obwohl das Gutachten vorgelegen habe.
Alle Seiten bemühen sich offiziell um einen möglichst sachlichen Ton, aber hinter den Kulissen nehmen die Spannungen zwischen Kreis und Kommunen auf der einen und dem RVR auf der anderen Seite weiter zu. Ein Eingeweihter formuliert das so: „Im Hintergrund fliegen die Fetzen!“