Kreis Wesel. Der Kreis Wesel möchte ein Fahrradverleihsystem etablieren. Nicht alle Kommunen sind davon überzeugt. Auch Teile der Politik sind skeptisch.

Irgendwo und irgendwie muss die Verkehrswende beginnen. Das hat sich auch der Kreis Wesel gedacht, der als Baustein ein kreisweites Fahrradverleihsystem für den alltäglichen Einsatz etablieren möchte, als Verkehrsmittel für die sogenannte letzte Meile, die Verkehrsteilnehmer zu ihrem Ziel zurücklegen müssen, wenn sie aus der Bahn oder dem Bus steigen.

Seit vergangenem Jahr ist der Kreis Weseler Mobilitätsmanager René Augustin in den 13 Kommunen unterwegs, um für das Projekt zu werben, das für die Dauer von drei Jahren vom Land gefördert wird. Geld fällt für die Städte und Gemeinden trotzdem an, die den Nutzen eines solchen Systems für ihre Bereiche höchst unterschiedlich bewerten. Und viele sind skeptisch. Sonsbeck hat bereits abgewunken, weil man sich dort unter anderem nicht vorstellen kann, wer dieses Angebot nutzen soll. Auch die Umsetzung sowie Zahl der Mobilstationen im Kreis sind noch nicht klar.

Wer würde ein Fahrradverleihsystem im Kreis Wesel tatsächlich nutzen?

Laut Kreis haben zehn von 13 Kommunen immerhin ihr Interesse für solch ein Fahrradverleihsystem bekundet, in Hamminkeln wird das Konzept erst noch vorgestellt, als elfte Kommune ist zuletzt Hünxe hinzugekommen, obwohl man auch dort nicht genau weiß, an welche Bevölkerungsgruppe genau sich dieses Angebot richten sollte. Die meisten Menschen im Kreis Wesel hätten schließlich bereits ein Fahrrad.

Ähnlich sieht das Hubert Kück, Chef der Grünen-Fraktion im Kreistag, die bereits von Beginn an skeptisch war. „Der Niederrheiner hat ein Fahrrad“, sagt Kück. Das sei so ähnlich, als würde die Gemeindeverwaltung in Sölden einen Skiverleih für die Einheimischen vorhalten. Mit diesem Projekt lege der Kreis Wesel einen falschen Schwerpunkt und binde Arbeitskraft, die man anders einsetzen könne, so Kück. Zum Beispiel in den Ausbau vernünftiger Radwege. Diese seien in erster Linie und viel dringender notwendig.

Nichtsdestotrotz strickt der Kreis auf Grundlage dieser Interessenbekundung an einem Projektvorschlag, der auch als Grundlage für den Förderantrag beim Land genutzt werden soll. Ende Juni muss der Kreis den Förderantrag einreichen. Vorher muss der Kreistag einen Beschluss dazu fassen. Eine erste umfassende Präsentation soll es im Mobilitätsausschuss am 13. März geben.

Erst wenn die Betuwe fertig ist, die Busse und Züge pünktlich fahren, kann man darüber nachdenken
Ludger Hovest - Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion in Wesel

Und wie der Beschluss ausfällt, könnten nur die Kommunen selbst entscheiden, sagt CDU-Fraktionschef Frank Berger. „Wir werden niemandem etwas überstülpen.“ Ein kreisweites, auf alle Kommunen ausgebreitetes und miteinander verbundenes Verleihsystem sieht er indes ebenfalls skeptisch. In größeren Städten mit Bahnhöfen könne es funktionieren, dann aber eigenständig oder zusammen mit dem VRR, der bekanntlich mit dem Metropolrad-Ruhr ein erfolgreiches Fahrradverleihsystem im Ruhrgebiet etabliert habe.

Gleichwohl begrüßt Berger die Abfrage der Kreisverwaltung hinsichtlich der kommunalen Bereitschaft eines solchen Systems, das Hubert Kück allerdings ein „schönes Wunschkonzert“ nennt, das man den Kommunen, von denen viele am Rande der Haushaltssicherung agierten, momentan einfach nicht zumuten könne. Die Förderung laufe schließlich nur drei Jahre. Anschließend müssten die Städte und Gemeinden das Verleihsystem alleine stemmen.

Fahrradverleihsystem: Verschiedene Sichtweisen in der SPD

Und gerade das sei den Bürgerinnen und Bürgern jetzt nicht zu erklären, sagt der Chef der SPD-Fraktion in Wesel, Ludger Hovest. Zwar hat die Stadt ihr Interesse bekundet, aber aus Sicht der SPD könne ein solches Verleihsystem nur mittelfristig „sicher ein Pünktchen sein, aber nicht jetzt!“, so Hovest. Momentan gebe es „1000 Dinge, die wichtiger sind“, so der Fraktionsvorsitzende. Man habe die Gewerbe- und die Grundsteuer ja schließlich nicht freiwillig, sondern aus purer Notwendigkeit erhöht. Jetzt ein Fahrradverleihprojekt zu initiieren, sei eine Ideologie, die man nicht erklären könne, sagt Hovest. „Erst wenn die Betuwe fertig ist, die Busse und Züge pünktlich fahren, kann man darüber nachdenken.“

Das sieht sein Parteifreund und Amtskollege auf Kreisebene anders. „Wir brauchen die Verkehrswende“, sagt Peter Paic. Und dazu gehöre auch, die letzte Meile zu schließen, so der Fraktionschef der SPD-Kreistagsfraktion. Für den das Argument des Fahrradaufkommens in niederrheinischen Haushalten übrigens nicht stichhaltig ist. Viele Arbeitnehmende legten die Strecke von ihrem Heim zum Bahnhof vielleicht noch mit dem eigenen Rad zurück, stellten es dort aber ab, stiegen in den Zug und müssten am Zielort ebenjene letzte Meile zurücklegen, die man mit einem Verleihsystem zu schließen versuche. „Dafür brauche ich aber ein schlüssiges Konzept“, so Paic, dem bewusst ist, dass man „noch dicke Bretter bohren muss“ und für ein Pilotprojekt wirbt, um zu sehen, ob und wie das System funktionieren könnte. „Vielleicht müssen wir erstmal in kleinem Rahmen anfangen.“