Kreis Wesel. René Augustin ist als Mobilitätsmanager für die Verkehrswende im Kreis Wesel zuständig. Wie er das schaffen will und welche Hürden es noch gibt.

Es steht nicht in seiner Jobbeschreibung, aber dicke Bretter zu bohren, ist für René Augustin ein essenzieller Teil seiner Arbeit. Seit Anfang vergangenen Jahres ist der 35-Jährige beim Kreis Wesel für die Mobilitätswende zuständig. Seit diesem Monat kann er sich Mobilitätsmanager nennen. Und dass der Umschwung kein Selbstläufer wird, das hat er früh erkannt. Ist ihm aber egal. Er ist überzeugt davon, dass der Kreis Wesel seine Klimaoffensive umsetzen kann. Die Verkehrswende ist dafür unabdingbar. Dass er selbst aber noch viel Überzeugungsarbeit leisten muss, hat René Augustin kürzlich im Weseler Verkehrsausschuss erfahren. Seine Pläne für ein kreisweites Fahrradverleihsystem für den Alltagsverkehr stießen dort bei den Ausschussmitgliedern auf wenig Gegenliebe.

Verkehrswende im Kreis Wesel: So soll sie gelingen

Auf einer Skala von 1 bis 10 gibt Augustin dem Kreis Wesel beim bisherigen Stand der Mobilitätswende eine 4. Er weiß selbst, dass das tief gestapelt ist, aber andererseits gebe es noch vieles, was auf den Weg gebracht werden müsse. Wie eben ein Fahrradverleihsystem. Die vernetzte Mobilität müsse im Kreis vorangetrieben werden, sagt René Augustin, dazu gehörten auch die Mobilstationen. Generell gehe es darum, ein alltagstaugliches Angebot zu schaffen, denn, „der ÖPNV an sich kann nicht mit dem Auto konkurrieren.“ Vor allem nicht in solch einem Flächenkreis wie dem Kreis Wesel. Aber bei den Fahrradwegen sei schon was möglich, sagt der Mobilitätsmanager.

Noch lange sind nicht alle Radwege im Kreis Wesel auf dem Stand, um ein funktionierendes alternatives Verkehrsnetz zu etablieren. Was auch ein Effekt der verschiedenen Zuständigkeiten ist. Etliche Radwege laufen entlang von Bundes- oder Landstraßen, für die Straßen.NRW zuständig ist. Die Kommunikation mit der Straßenbaubehörde? Werde immer besser, sagt René Augustin betont positiv und zeigt Verständnis für den - gelinde gesagt - schleppenden Sanierungsverlauf von Radwegen. „Jeder sieht die Notwendigkeit, aber es sind keine Kapazitäten da“, sagt der Mobilitätsmanager mit Blick auf den Fachkräftemangel, der auch vor der Verkehrswende nicht halt macht.

Leihfahrräder gibt es bereits in vielen größeren Städten der Metropole Ruhr.
Leihfahrräder gibt es bereits in vielen größeren Städten der Metropole Ruhr. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Dabei sind die Ziele im Kreis durchaus ambitioniert: Bis 2030 soll der öffentliche Nahverkehr CO2-frei fahren. Dafür müssten viele Voraussetzungen stimmen, sagt Kreiskämmerer Karl Borkes. Er hätte auch Herausforderungen sagen können. Denn vor allem die finanziellen Notwendigkeiten sind erheblich. Allein für die Umstellung der Flotte von 200 Bussen auf E-Mobilität rechnet man beim Kreis mit rund 160 Millionen Euro. Hinzu komme die Installation von Ladestationen. Immerhin, so Borkes, seien die Busse mittlerweile in der Lage, mit einer Ladung 200 Kilometer zurückzulegen.

Ein Fahrradverleihsystem, in das alle Kommunen eingebunden wären, könnte laut Borkes „mehrere hunderttausend Euro im Jahr“ kosten. Wenn alle Kommunen einverstanden sind. Momentan befindet sich René Augustin auf Tour durch die Kreiskommunen, um in der Politik dafür zu werben. Bei einigen war er auch schon erfolgreich. Aber: „aus finanziellen Gründen werden einige noch Diskussionsbedarf haben“, sagt der Mobilitätsmanager, der sich sicher ist, dass die Bereitschaft bei den Bürgerinnen und Bürgern dafür vorhanden ist: „Die warten nur darauf.“

Als Beweis führt er die Einführung der X-Bus-Linien im vergangenen Jahr an. „Die Busse sind voll“, sagt Augustin. Hinzu komme, dass der Individualverkehr in Zukunft teurer werde. „Die Preise für ein E-Auto kann sich sicher nicht jeder leisten.“ Kein Auto zu haben und dennoch flexibel in der Mobilität zu sein, sei die Herausforderung, vor der man jetzt stehe, sagt René Augustin, der auch eine Machbarkeitsstudie für einen rechtsrheinischen Radschnellweg von Wesel über Voerde nach Dinslaken ankündigt, die noch in diesem Sommer beginnen soll.

Um die Mobilitätswende konsequent zu Ende zu denken, fordern René Augustin und Karl Borkes auch eine Anpassung der Bau- und Verkehrsplanung. „Früher war es ja so, dass erst das Baugebiet fertiggestellt und danach geguckt wurde, ob der Bus durchpasst“, sagt Karl Borkes salopp. Ebenso müsse man Vorfahrtsregelungen für Radfahrende etablieren. Dass das Bundeskabinett in dieser Woche die Änderung der Straßenverkehrsordnung ankündigte, sei der richtige Weg, wenn auch spät, sagt René Augustin. Grundsätzlich aber funktioniere die Mobilitätswende nicht ohne Verständnis und Bewusstseinswandel vor Ort. Sie sei vor allem eines: Kopfsache.

>>> Machbarkeitsstudie und Fahrradverleihsystem <<<
Die Machbarkeitsstudie über einen rechtsrheinischen Radschnellweg ist bereits in Arbeit. Inhalt ist eine Radwegverbindung, die von Wesel über Voerde nach Dinslaken führen und dann an die Verbindungen in die Ruhrgebietsstädte, zum Beispiel Oberhausen, angeschlossen werden soll. In zwölf bis 14 Monaten soll die Studie vorliegen.

Beim Fahrradverleihsystem strebt der Kreis einen Start 2025 an. Zunächst müssen sich die Kommunen entscheiden. Wenn diese das „Go“ geben, startet der Kreis in die Detailplanung. Danach müssen die Städte und Gemeinden im Kreis die Beschlüsse dafür fassen. Dann kann der Kreis einen Förderantrag stellen, der bis Ende Juni 2024 beim Land eingegangen sein muss. Das Modellprojekt ist auf drei Jahre angelegt.