Kreis Wesel. Die finanziellen Sorgen im sozialen Sektor sind groß – auch in den Kitas im Kreis Wesel. Warum die Überbrückungshilfe vom Land nicht reicht.

„NRW bleib sozial!“: Unter dieser Überschrift hatten mehrere Träger der freien Wohlfahrtspflege im Kreis Wesel Anfang dieser Woche zur Kundgebung und Demo in Moers aufgerufen. In der Kritik: der Haushaltsentwurf von Bund und Land. Er ignoriere die sozialen Bedürfnisse der Gesellschaft, heißt es. Am Tag danach zeigt sich Andreas Fateh, Geschäftsführer des Paritätischen im Kreis, zufrieden, etwa 200 Teilnehmende seien gekommen, „schon nicht schlecht für einen Dienstagabend in Moers“. Die Verbände wollen auf die Problemlage des sozialen Sektors aufmerksam machen. Betroffen sehen sie viele Bereiche der Wohlfahrtspflege – einer davon ist die frühkindliche Bildung.

Denn die finanzielle Not in den Kindertageseinrichtungen im Kreis, allen voran vor dem Hintergrund der Tariferhöhung im öffentlichen Dienst und den damit gestiegenen Personalkosten, ist weiterhin groß. „Es ist nicht leicht aufzufangen“, sagt Benjamin Walch, Geschäftsbereichsleiter Kinder und Jugend der Awo im Kreis, der ebenso auf hohe Sachkosten verweist. Zwar hat die NRW-Landesregierung entschieden, Anfang des kommenden Jahres den freien Trägern eine Überbrückungshilfe in Höhe von 100 Millionen Euro zu zahlen, doch laut Fateh und Walch ist das nicht viel. Inzwischen sei der Verteilungsschlüssel bekannt, es richte sich nach verschiedenen Faktoren und falle damit unterschiedlich aus, im Schnitt seien es 12.500 Euro pro Einrichtung, rechnet Walch vor. Für Fateh ist die Überbrückung nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Awo: Im schlimmsten Fall müsste die Ausbildung eingeschränkt werden

Kurz- und mittelfristig komme es in den Kita-Einrichtungen der Awo nicht zu Einschränkungen, etwa im Sinne von Schließungen, „wir können das Angebot weiterführen“. Walch schaut allerdings bereits genau auf die Planung für 2024 und 2025, um gut weiterarbeiten zu können, brauche es Änderungen zur Finanzierung. Mit möglichen Maßnahmen hat er sich schon befasst: Im schlimmsten Fall müsse die Awo in Betracht ziehen, die Ausbildung in KItas deutlich einzuschränken. 31 Azubis lernen hier derzeit, so Walch. „Für die Zukunft wäre das eine Katastrophe, wir brauchen Leute, können sie aber nicht ausbilden.“

In NRW gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Die Finanzierung wird durch das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) geregelt. Land und Kommunen teilen sich die Kosten weitestgehend. Dazu komme ein Trägeranteil, so Fateh. Eigentlich sollte die Novelle aus 2020 nach dem Willen der Landesregierung NRW zu einem besseren Land für Kinder und Familien machen. Doch in der Realität scheint es zu haken. Die Erhöhung der KiBiz-Zuschüsse für das kommende Kindergartenjahr auf zehn Prozent? Walch sieht hier kein Entgegenkommen, das Land komme nur dem Gesetz nach und passe die Pauschalen an. Aus Sicht des Awo-Geschäftsbereichsleiters kommt die Anpassung ohnehin zu spät, KiBiz müsse früher auf Kostensteigerungen reagieren. Walch sieht in erster Linie das Land als Gesetzgeber in der Pflicht, gegenzusteuern.

Haushaltsberatungen im Kreis Wesel stehen bevor

Fateh spricht derweil auch die Jugendamtskommunen sowie den Kreis an. Das Land habe sich bewegt, allerdings habe es keinen Rahmen dafür geschaffen, sodass auch die Kommunen ihren Teil zur Überbückung beisteuern müssten. Es bleibe nur die freiwillige Billigungsleistung. Fateh betont, dass die Träger für die Kommunen die gesetzliche Pflichtaufgabe erfüllen. Er fordert den Kreis und die Kommunen mit eigenem Jugendamt dazu auf, sich mit den Überbrückungsleistungen des Landes zu beschäftigen und gemeinsam mit den Trägern zu schauen, wie es weitergehen kann. Vor dem Hintergrund der Haushaltsberatungen, die in den kommenden Wochen anstehen, werde geprüft, inwieweit entsprechende Anträge eingebracht werden können.

Der Kreis Wesel verweist auf Nachfrage auf die Sitzung des Jugendhilfeausschusses am kommenden Dienstag. Dann stehe die finanzielle Situation der Kitas auf der Tagesordnung. CDU, Grüne und SPD im Kreis Wesel haben kürzlich mit einer Resolution auf die allgemein schwierige Lage der Wohlfahrtsverbände und die drohenden Kürzungen im sozialen Bereich geantwortet, sie sprechen damit das Land und den Bund an.