Kreis Wesel. Neue Drogen, neue Suchtformen und alternde Abhängige: Der Kreis Wesel will die Sucht- und Drogenberatung überprüfen. Ist sie noch zeitgemäß?
Drogen und Süchte passen sich immer dem Zeitgeist an. Aber können die Beratungsstellen das auch? Genau das möchte der Kreis Wesel herausfinden und kündigt an, die Strukturen der Drogen- und Suchtberatungsstellen im Kreisgebiet auf ihre Zeitgemäßheit zu überprüfen. Einer der Gründe ist vor allem die Legalisierung von Cannabis, an der die Bundesregierung derzeit arbeitet.
Den allgemeinen Cannabiskonsum stellt der Kreis Wesel in einer Stellungnahme für den Ausschuss für Kinder- und Jugendhilfe am Mittwoch ohnehin schon als problematisch dar. Die Legalisierung bedeute außerdem, dass ein großer Teil der Konsumenten in eine andere Beratungsstruktur rutschen würde.
Drogenkonsum im Kreis Wesel: Mehrere Suchtprobleme auf einmal
Momentan gibt es im Kreisgebiet vier Drogen- und zwei Suchtberatungsstellen. Die Drogenberatungsstellen helfen Erwachsenen, bei denen ein Verdacht auf Abhängigkeit von illegalen Drogen besteht oder bereits eine Sucht diagnostiziert wurde. Außerdem sind sie bei Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren neben illegalen Drogen auch für legale Drogen und sogenannte stoffungebundene Suchtmittel, zum Beispiel Spiel- und Mediensucht, zuständig.
Noch ist Cannabis illegal, darum fällt es in den Fachbereich der Drogenberatungsstellen. Der Grund: Die beiden Suchtberatungsstellen im Kreis sind derzeit nur für Erwachsene ab 18 Jahren zuständig, die Anzeichen einer Abhängigkeit von legalen Drogen – Tabak, Alkohol oder Medikamente – und stoffungebundenen Suchtmitteln wie Glückspiel- oder Mediensucht aufweisen.
Sollte Cannabis tatsächlich legal werden, wären plötzlich die Suchtberatungs- und nicht die Drogenberatungsstellen zuständig, was Auswirkungen auf die Finanzierung und die Stellenzuordnung haben müsste. Was insofern schwierig werden könnte, da viele Ratsuchende laut Kreis nicht nur ein, sondern mehrere Suchtprobleme haben.
Drogensüchtige im Kreis Wesel werden älter: Demografie könnte zum Problem für die Altenpflege werden
Auch die Ausgabe medizinischer Ersatzdrogen stellt der Kreis Wesel auf den Prüfstand. Bislang gebe es für eine ständig schwankende Zahl von Abhängigen neun Standorte für die Substitutionsbehandlung. Dort erfolgt die Ausgabe laut Kreis in so engen Zeitfenstern, dass sich die Konsumenten zwangsläufig dort tummeln. Die Folge seien „negative Begleiterscheinungen“, zum Beispiel werde dort gedealt oder würden Drogen konsumiert. Auch zwischenmenschliche Spannungen kämen vor.
Eine angemessene ärztliche Versorgung sei ebenfalls problematisch, heißt es in dem Bericht, der auch die Finanzausstattung beleuchtet. Demnach treiben die allgemeinen Kostensteigerungen den Eigenanteil in die Höhe, den die Beratungsstellen aufbringen müssen. Dies werde zunehmend zum Problem, so der Kreis.
Eine weitere Herausforderung bringt auch der demografische Wandel mit sich. Durch die verbesserte Gesundheitsvorsorge werden auch die Suchterkrankten immer älter. Diese Zielgruppe finde im aktuellen Altenhilfesystem allerdings kaum Beachtung, heißt es. Genauso wie die Kinder abhängiger Menschen, die selbst ein erhöhtes Risiko haben, eine Sucht zu entwickeln oder psychisch krank zu werden. Für diese Gruppe gebe es aktuell keine Ressourcen, wenn das Problem auch bereits bekannt sei.
Sowohl die Sucht- und Drogenberatungsstellen als auch Kreis und die Jugendämter seien sich darüber einig, dass das bisherige System nicht mehr zeitgemäß und eine Überprüfung daher notwendig sei. Das soll nun mit externer Hilfe geschehen.
>>>Finanzierung und Zuständigkeiten<<<
Durch ihre Hybridstellung wegen der gleichzeitigen Betreuung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen werden die Personalkosten der Drogenberatungsstellen von den Jugendhilfen der vier Städte und der Gesundheitshilfe des Kreises übernommen. Die vier Drogenberatungsstellen sind den vier kreisungebundenen Jugendämtern Dinslaken, Moers, Kamp-Lintfort und Wesel zugeordnet. Die Trägerschaft haben das Diakonische Werk im evangelischen Kirchenkreis Dinslaken, die Grafschafter Diakonie in Moers, die auch in Kamp-Lintfort zuständig ist und der Verein Information und Hilfe in Drogenfragen in Wesel übernommen.
Die Suchtberatungsstellen sind dagegen ausschließlich für die Gesundheitshilfe zuständig und werden komplett vom Kreis Wesel als Träger finanziert. Linksrheinisch ist der Caritasverband Moers-Xanten, rechtsrheinisch die Kreisverwaltung selbst im Rahmen des sozialpsychiatrischen Dienstes zuständig.