Kreis Wesel. Hübsch sind sie mit ihrem dunklen Gesicht: Im Kreis Wesel gibt es Jahr für Jahr mehr Waschbären. Warum die cleveren Tiere unwillkommen sind.

Sie leben im Verborgenen und offenbar wächst ihre Zahl im Kreis Wesel stetig: Waschbären, intelligent, geschickt, bei der Nahrungssuche kreativ. Viele finden die kleinen Bären niedlich, doch sie entwickeln ein großes Chaospotenzial, wenn die eigentlichen Waldbewohner plötzlich auf dem Dachboden einziehen, Mülltonnen plündern und Hühnerställe heimsuchen: Der Waschbär gilt als Eierdieb und mitunter nimmt er die Henne gleich mit. Zu sehen sind die dämmerungsaktiven Tiere fast nie, aber die Jagdstrecken, also die Zahl der erlegten Tiere, die der Unteren Jagdbehörde gemeldet werden zeigen einen klaren Trend: 42 Waschbären sind für die Jagdsaison 22/23 verzeichnet.

Das ist die höchste Zahl in knapp zehn Jahren, sagt über die tatsächliche Population aber wenig aus – außer dass sie wächst, denn die Tiere sind schwer zu fassen. Viele der cleveren Kerlchen leben in Siedlungen, meist am Rande, weiß Förster Michael Herbrecht vom Landesbetrieb Wald und Holz. Hermann Heuvel von der Kreisjägerschaft geht davon aus, dass die Tiere von der Stadt aus in die Landschaft drängen, nicht umgekehrt, wie er in seinem Revier, den Walsumer Rheinauen, immer wieder feststellt. Im Kreis Wesel sei das Rechtsrheinische der überwiegende Lebensraum der Waschbären, bislang sei es gelungen, im Linksrheinischen eine wirklich große Population zu verhindern. Doch auch dort kommen die schlauen Tiere immer häufiger vor.

Waschbären gefährden seltene Vögel und Amphibien

Warum sind sie unwillkommen? Einerseits, weil die kleinen Beutegreifer invasiv sind: Ihre ursprüngliche Heimat ist Nordamerika, in den 30er Jahren vegetierten sie in deutschen Pelztierfarmen, aus denen etliche ausbüxten. In Hessen wurden 1934 laut Nabu auch Waschbären gezielt ausgewildert. Viele Naturschützer lehnen sie ab, weil sie außer Uhu und Wolf keine natürlichen Feinde haben und beispielsweise seltene Vögel wie den Kiebitz bedrohen, aber auch Amphibien und sogar den Rotmilan, sie stehlen die Eier aus den Horsten. Der Nabu spricht sich hingegen dafür aus, die Lebensräume ihrer Beutetiere zu verbessern und eine Koexistenz mit dem Waschbären anzustreben.

Siedlungen sind ein geschützter Lebensraum, weil die Jäger draußen bleiben müssen. Und viele Häuser bieten den Waschbären Unterschlupfmöglichkeiten, wie dieses Archivbild zeigt. Es ist ungewöhnlich, weil man die Tiere selten bei Tag zu sehen bekommt.
Siedlungen sind ein geschützter Lebensraum, weil die Jäger draußen bleiben müssen. Und viele Häuser bieten den Waschbären Unterschlupfmöglichkeiten, wie dieses Archivbild zeigt. Es ist ungewöhnlich, weil man die Tiere selten bei Tag zu sehen bekommt. © dpa | Patrick Pleul

Hausbesitzer schätzen sie nicht, weil sie Chaos verbreiten und Schäden verursachen können. „Siedlungen sind befriedeter Bezirk, hier ruht die Jagd“, erläutert Alfred Nimphius, Jäger und Vorsitzender des Kreis Weseler Naturschutzbeirats. „Und sie fühlen sich dort putzwohl.“ Das liegt unter anderem daran, dass das Nahrungsangebot bei den Menschen prima ist. „Die Leute füttern die Tiere, zum Teil auch unwissentlich“, sagt Michael Herbrecht. Wo Waschbären leben, sollten die Mülltonnen gesichert sein, mit Spanngurten etwa oder beschwertem Deckel. Und auf den Kompost dürfen dort weder Obst, noch Fisch, Fleisch oder Milchprodukte. Abfall, wie etwa die gelben Säcke, erst morgens an die Straße stellen, keine gefüllten Futternäpfe draußen stehen lassen: Der Nabu gibt Tipps, wie man ein Haus schützen kann. Übrigens bedeutet eine nächtlich passierbare Katzenklappe eine herzliche Einladung für die kleinen „Problembären“.

Mit den wehrhaften Tieren sollte sich niemand anlegen – auch Hunde und Katzen nicht

Manche, berichtet Michael Herbrecht, glauben, Marder unter dem Dach zu haben. Sie hören die Tiere nur, zu sehen bekommen sie sie nicht, außer sie stellen Wildkameras auf. „Sie wären ja auch kaum zu übersehen, manche wiegen locker neun Kilo.“ Waschbären sind wehrhafte Tiere, weiß Jäger Hermann Heuvel zu berichten, mit ihnen sollte man sich besser nicht anlegen. Er erzählt von einem Bauern, der den Waschbären in seinem Hühnerstall erschlagen wollte. „Es ging anders aus. Am Ende kam der Bauer mit zahlreichen Bisswunden ins Krankenhaus, der Waschbär war weg.“

Hunde, die diese Tiere angreifen, kämen häufig zu Tode, gerade bei Jagden, die Waschbären griffen sie gemeinsam an. Und auch Katzen sind nicht wirklich vor ihnen sicher, die Bärchen fressen, was sie erledigen können. Ein weiterer Faktor, der die Tiere unbeliebt macht: Sie können Tollwut, Staupe und andere Krankheiten übertragen, auch die niedlichen Jungtiere die man deshalb, wenn überhaupt, nur mit Handschuhen anfasst.

Je mehr geschossen werden, umso mehr Nachwuchs bringen Waschbären zur Welt, „die Natur ist schlau, bei Wildschweinen ist das genauso“, sagt Förster Herbrecht. Fest steht: Los wird der Kreis Wesel seine Waschbären nicht mehr. Auch die Versuche, ihre Population einzudämmen scheinen bislang wenig erfolgreich.